Kapitel 4

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Kapitel 4

Wir verlassen den Speisesaal, nehmen einen Quergang und kommen schon bald zu einer reich mit Schnitzereien verzierten Tür, die auf Anhieb erahnen lässt, dass sich dahinter ein sehr besonderer Raum befindet. Als Sirius diese öffnet und ich einen ersten Blick in den Raum erhasche, bleibt mir kurz das Herz stehen. Mir ist sofort klar, dass die Bibliothek riesig sein muss. Ich male mir schon aus, was für Bücher hier alle sein müssen. Ein wahres Paradies.

Ich kann nur einen kleinen Teil einsehen, da unzählige Regale, die allesamt vollgestellt sind mit Büchern, den Blick auf den gesamten Raum versperren. Deshalb brenne ich danach, endlich einzutreten und tue es auch. Am Eingang steht ein Tisch, an dem ein alter Mann sitzt.

„Ist jemand hier drinnen?", erkundigt sich Sirius. Er hat vor mir die Bibliothek betreten.

„Nein, geschätzter Gelehrter", antwortet der Bibliothekar. Sein Benehmen ist in meinen Augen einen Tick zu unterwürfig. Sirius wird dies wohl so verlangen. Aber mein Verhältnis zum obersten Gelehrten des Landes ist von vorneherein nicht ganz spannungsfrei.

„Dann lass auch keinen mehr herein. Wir wollen unsere Ruhe haben."

Ohne auf eine Antwort zu warten, geht er einfach weiter. Sirius hat den Mann weder gegrüßt noch ihm ein freundliches Lächeln oder sonst ein Zeichen menschlicher Regung geschenkt. Irritiert blicke ich ihm hinterher. Ich kann Unhöflichkeit nicht ausstehen, egal wie wichtig oder unwichtig sich jemand fühlt. Zeit für einen freundlichen Gruß sollte auf jeden Fall sein.

„Guten Abend", sage ich deshalb beim Vorbeigehen und neige etwas meinen Kopf.

„Guten Abend, schöne Frau", antwortet der Bibliothekar.

Er schenkt mir ein dankbares Lächeln und ich spüre ein gutes Gefühl, das sich in mir ausbreitet. Ich war freundlich und das hat den Mann gefreut. Das war doch wirklich nicht so schwer, denke ich und würde dies am liebsten diesem aufgeblasenen Sirius laut hinterherrufen. Der mahnende Blick, mit dem mich Freja anschaut, bremst mich aber wieder aus. Sie kennt mich also doch noch immer sehr genau.

Hastig folge ich Sirius und Freja kommt hinter mir nach. Wie schon von der Eingangstür aus gesehen, gehen links und rechts vom Mittelgang aus, lange Reihen von Regalen ab, alle vollgestellt mit Büchern. Es müssen tausende und abertausende sein, die sich in diesem Raum befinden. Immer wieder sind aufwendig gefertigte, hölzerne Leitern an die Regale gelehnt. Ich wette, die lassen sich verschieben. Damit kommt man auch an die Buchreihen, die noch direkt unter der Decke sind.

Am liebsten würde ich mich in diesem Raum einquartieren und den ganzen Tag lang nur stöbern. Bücher haben mich schon von klein auf fasziniert. Doch in unserem Dorf konnte ich diese Leidenschaft nicht wirklich ausleben. Es gab zwar eine Bibliothek, zumindest wurde sie als solche bezeichnet. Da gab es aber höchstens 150 bis 200 Bücher und die hatte ich mit 14 schon alle gelesen, einige sogar mehrfach.

Sirius dagegen scheinen die Bücher nicht zu interessieren, im Augenblick zumindest. Er geht den Mittelgang bis zum Ende durch, biegt dann nach links ab und läuft die Seitenreihe entlang. Ich habe Mühe ihm nachzukommen. Für sein Alter, auf das ich ihn zumindest schätze, ist der Mann noch ausgesprochen fit. Es könnte aber auch daran liegen, dass ich nicht anders kann, als die Buchreihen zumindest mit den Augen zu begutachten.

Auf halber Höhe des Seitenganges entdecke ich einen Erker mit einem Tisch und einer Sitzbank, die an der runden Außenwand entlangläuft. Es sieht sehr gemütlich aus. Zum Raum hin stehen noch zwei bequem aussehende Sessel. Sie gehören ganz offensichtlich zur Einrichtung des Erkers.

Neben dem Erker gibt es auch eine Tür, die auf einen kleinen Balkon hinausführt. Ich weiß auf Anhieb, dieser Platz wird zu meinem Lieblingsplatz im Schloss. Wann immer es geht, werde ich hier sitzen und lesen. Ich sehe mich schon in ein Buch vertieft in einem der Sessel fläzen und die Zeit vergessen. Ich hoffe nur, ich darf auch später noch hier herein. Könnte ja sein, dass dieser Raum nur von bestimmten, hochgestellten Personen genutzt werden darf.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt