Nach einem kurzen Zwischenstopp im Bad kamen Colin und Noah schließlich in ihr Zimmer. Joel war offensichtlich beim Lesen eingeschlafen. Ein Buch lag aufgeklappt auf seinem Schoß und seine Brille saß leicht schief auf seiner Nase. Leicht grinsend ging Colin zu ihm, legte das Buch auf seinen Nachttisch, nachdem er ein Lesezeichen hineingelegt hatte, und nahm dann vorsichtig Joels Brille und legte sie ebenfalls auf den Tisch.
Als er aufsah, merkte er, dass Noah ihn mit einem sehr sanften Lächeln beobachtet hatte. Colin wurde rot und legte sich dann in sein Bett.
„Gute Nacht, Noah", flüsterte er.
„Gute Nacht", kam es ebenso leise zurück.
Colin schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
„Tut mir echt leid mit dem Küchendienst", entschuldigte Noah sich am nächsten Tag, als sie gemeinsam die Küche aufräumten.
„Ist doch nicht deine Schuld. Ich war genauso draußen während der Nachtruhe wie du", meinte Colin unbekümmert. Ihm machte es tatsächlich überhaupt nichts aus, gemeinsam mit Noah das Chaos aufzuräumen, das die anderen hinterlassen hatten. Es fühlte sich an, als ob am Tag zuvor eine Mauer eingebrochen wäre und Colin jetzt endlich Zugang zu Noah gefunden hatte. Er freute sich darauf, Zeit mit seinem Mitbewohner zu verbringen, auch wenn sie dabei putzen mussten.
„Ja... immerhin musst du nur einen Tag machen", sagte Noah, während er einen Topf abspülte und Colin sah ihn verwirrt an.
„Wieso? Ich mach natürlich die ganze Woche mit dir!", widersprach Colin. Jetzt sah Noah ihn irritiert an.
„Quatsch, wieso solltest du? Ich hab die Schiller provoziert. Die letzte Strafe ging definitiv nur an mich."
„Ich lass dich doch nicht allein eine ganze Woche den Küchendienst machen", sagte Colin augenverdrehend und schnappte sich den tropfenden Topf aus Noahs Hand, um ihn abzutrocknen.
„Das musst du wirklich nicht machen", protestierte Noah schwach.
„Dafür sind Freunde doch da", behauptete Colin. Auf Noahs Gesicht breitete sich ein großes Lächeln aus. Colin konnte es nur glücklich erwidern.
„Außer du willst mich nicht dabeihaben. Ich krieg langsam das Gefühl, dass du mich loswerden willst", meinte Colin da noch grinsend und Noahs Augen wurden groß.
„Nein, so habe ich das nicht gemeint! Ich dachte nur, dass du deine Zeit lieber anders verbringen willst", erklärte Noah schnell.
„Will ich nicht", sagte Colin schlicht und versuchte, nicht rot zu werden. Noah sagte nichts und sah ihn nur lächelnd an. Colin wurde definitiv rot.
„Hey Noah, hey Colin!", begrüßten da auf einmal zwei Mädchen aus ihrer Jahrgangsstufe die beiden Jungen. Colin zuckte leicht zusammen und versuchte sich dann an die Namen der beiden zu erinnern. Er hatte bisher nicht viel mit ihnen zu tun gehabt, sie waren neu am Einstein und nur in wenigen Modulen zusammen mit Colin. Anne und Marie?
„Hi", sagte er zu Anna und Maria, während Noah nur ein Nicken zur Begrüßung übrighatte.
„Habt ihr Küchendienst?", fragte Miriam Noah, der sie nur ansah, als ob ihr das Hirn fehlte, und als Antwort die Pfanne hochhob, die er gerade abwusch. Mirja kicherte und holte sich dann einen Joghurt aus dem Kühlschrank.
„Was habt ihr denn angestellt, dass ihr den Dienst machen müsst?", erkundigte Anja sich ebenfalls kichernd bei Colin.
„Haben die Nachtruhe verpasst", gab Colin als Antwort und Andrea lachte übertrieben laut auf.
„Oh, böse Jungs!", schimpfte sie gespielt und zwinkerte Colin zu.
Okay, dachte Colin sich, was war falsch mit der? Er sah hilfesuchend zu Noah, der seinen grimmigen Blick jedoch gesenkt hielt und mit zusammengekniffenen Lippen die Pfanne bearbeitete.
„Naja, Melanie und ich müssen dann auch los. Vielleicht sehen wir uns ja später?", lächelte Antonia und klimperte Colin mit ihren getuschten Wimpern an. Was für ein seltsames Verhalten.
Noah hatte schöne Wimpern. Sie waren so lang und geschwungen und einige Töne dunkler als seine Haare.
„Vielleicht", antwortete Colin vage, was Adriane lächeln ließ.
„Komm, Amelie", sagte Melanie und zog ihre Freundin am Arm mit sich.
Aah! Stimmt. Melanie und Amelie. Naja, hatte Colin ja fast richtig gelegen.
„Ich muss jetzt noch diesen bescheuerten Versuch für Chemie vorbereiten, weil ich letztens zu spät gekommen bin", stöhnte Noah, als sie einige Zeit später endlich fertig waren mit ihrem Dienst. „Und eigentlich müsste ich jetzt zu Freddy."
„Du könntest ja Joel fragen, ob er dir mit dem Versuch hilft, er ist ziemlich gut in Chemie. Und ich könnte mich um Freddy kümmern, wenn du willst", bot Colin vorsichtig an. Noah hatte zwar gestern gesagt, dass er Colin vertraute, was Colin total gefreut – und überrascht – hatte, aber das bedeutete nicht, dass Noah ihm auch einfach so seinen Hund anvertrauen würde.
Noah musterte ihn einen Moment, bevor er nachdenklich nickte.
„Okay. Ich schreib dir eine Liste, worauf du achten musst. Und sobald ich fertig bin, komme ich nach", beschloss Noah. Colin lächelte und versuchte sich alles zu merken, was Noah ihm dann erklärte und zusätzlich aufschrieb. Es war ihm wichtig, Noah nicht zu enttäuschen und mit Freddy alles richtig zu machen. Mit einem guten Gefühl machte sich Colin auf den Weg in den Wald, während Noah Joel suchte, um seine Strafarbeit zu erledigen.
Colin bekam noch einige Nachrichten von Noah, was er zu beachten hatte, doch irgendwann steckte Colin sein Handy weg. Er hielt sich an die grundlegenden Regeln, die Noah ihm aufgestellt hatte, und improvisierte den Rest. Freddy schien sich überraschenderweise zu freuen, Colin zu sehen, obwohl er ihm erst einmal begegnet war. Der kleine Hund ließ sich problemlos die Leine anlegen und dann gingen sie eine große Runde spazieren. Colin genoss den Spaziergang fast genauso sehr wie Freddy. Es war wirklich toll im Wald und Colin hoffte, dass er Noah vielleicht öfter beim Gassigehen mit Freddy begleiten konnte. Das würde sicher nochmal mehr Spaß machen.
Nachdem Freddy sich ausgetobt und gefressen hatte, legten er und Colin sich vor die Hütte auf eine Decke, die Colin in dem kleinen Häuschen gefunden hatte. Er genoss die Ruhe des Waldes und streichelte mit geschlossenen Augen Freddys Fell.
„Hey ihr beiden", riss da eine sanfte Stimme Colin aus seinem Halbschlaf. Er öffnete die Augen und sah einen lächelnden Noah vor sich stehen. Er hatte gar nicht bemerkt, wie der Junge gekommen war.
„Hi", begrüßte Colin ihn bemüht cool.
„Scheint ja alles gut geklappt zu haben", merkte Noah an und setzte sich dann mit auf die Decke. Freddy verlangte sofort nach Streicheleinheiten, die Noah ihm bereitwillig gab.
„Jap. Ich hab einfach alles ignoriert, was du geschrieben hast, und dann lief alles wie am Schnürchen", ärgerte Colin seinen Mitbewohner, der ihn nur gespielt genervt ansah. „Wie lief der Versuch?"
„Sehr gut, zum Glück. Dank Joel", gab Noah zu. „Es war auch echt nicht einfach, ihn zu überreden, mir zu helfen."
„Echt? Ich hatte gehofft, dass er jetzt keine Probleme mehr mit dir hat, wo er keine Angst mehr haben muss", überlegte Colin und streichelte weiter Freddys Fell.
„Bitte was? Wieso sollte Joel Angst vor mir haben?", fragte Noah entgeistert nach. Colin sah ertappt auf und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Oh, ähm... eventuell dachte er, dass du ein Mörder bist", gestand Colin kleinlaut. Noah klappte der Mund auf.
„Nicht dein Ernst! Nicht sein Ernst! Geb ich solche Psychopathen-vibes von mir?", murmelte Noah nach dem anfänglichen Schock.
„Nein!", widersprach Colin sofort. „Joel hat nur eine lebhafte Fantasie."
„Mhm", machte Noah, nicht überzeugt.
Colin stieß ihm leicht in die Seite und lächelte ihn an.
„Gib ihm einfach die Chance, dich richtig kennenzulernen. Dann wird er schon merken, dass du einen weichen Kern hast."
„Ach, hab ich den?", fragte Noah grinsend und sah Colin mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Definitiv."
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Never enough | Nolin
FanfictionAU, in dem Noah keine Angst vor Gefühlen hat. Ich dachte wirklich eine Zeit lang bei Staffel 26, dass Noah den ersten Schritt machen wird.