Herz aus Eis [Dôma x Shinobu]

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Sie hasste es, wenn er sie anlächelte. Sie hasste es, wenn er andere anlächelte. Sie hasste es, wie perfekt er doch war. Sie hasste es, wie er ihr Herz schneller schlagen ließ.

Dôma Ashikaga war der wohl perfekteste Mensch, dem sie jemals begegnet war. Sein Lächeln saß immer makellos, als hätte er berechnet, wie hoch er die Mundwinkel ziehen müsste, in welche Richtung und wann er seine strahlenden Zähne zeigen sollte, um dieses Bild abzurunden. Genauso verzogen sich seine Augenbrauen im perfekten Winkel, seine Nase kräuselte sich ein wenig, auf seinen Wangen ergaben sich Grübchen.

Es war wortwörtlich bezaubernd.

Er war groß: nein, er war riesig! Schlank, aber trainiert – er machte den Anschein von einem Model. Mit diesem Körperbau, aber auch mit seinem glänzenden Haar, welches die Farbe des leuchtenden Mondes besaß und sein Gesicht mit kleinen Pauschbäckchen umrahmte.

Das wohl auffälligste an ihm waren seine Augen.

Wimpern, in der perfekten Länge umgaben sie, die Augen selbst ein wenig größer als bei den meisten jungen Männern, aber nicht creepy groß. Doch die Farbe ... kein normales Braun, kein Blau und auch kein recht seltenes Grün – stattdessen waren es Regenbögen. Regenbogenfarbene Augen, in sanften Tönen gehalten. Nicht aufdringlich und doch das Erste, was man sehen würde, sobald man ihn erblickte.

Wann immer Shinobu ihn sah, sei es auf den Schulgängen, der Mensa oder wenn sie ein Fach zusammen hatten, suchte sie nach irgendeinem Makel. Etwas, das diesen so perfekten jungen Mann ruinierte. Menschlich erscheinen ließ. Doch ganz egal, wie oft sie ihn ansah, alles, was sie sah, war reine Perfektion.
Selbst wenn er nicht lächelte, dann trug sein Gesicht etwas Sanftes und Verträumtes bei sich. Er wirkte immer freundlich, mitfühlend, maximal etwas übertrieben. Als würde er sich zu sehr bemühen, obwohl es so leicht wirkte.

Shinobu war sich also sicher, dass Dôma Ashikaga einen Makel hatte. Sie musste ihn nur hervorbringen!

Kanae war der Meinung, dass sie sich irrte – aber auch, dass sie ein wenig zu besessen von alledem war. Vielleicht lag ihre ältere Schwester damit richtig. Seitdem Dôma im vergangenen Schuljahr als neuer Schüler an die Kimetsu Academy gekommen war, hatte sie ihn sich als Objekt herausgepickt. Zu Beginn war es ein kleiner Spaß gewesen, ein Experiment – wie lange würde es dauern, bis ihr ach-so-perfekter neuer Mitschüler seine Maske fallen lassen würde?

Doch umso häufiger ihre Pläne scheiterten, umso besessener wurde sie von ihm.

Es hatte nicht viel Zeit gekostet, damit Dôma die Beliebtheitsskala ihrer gesamten Schule erklommen hatte. Nicht dass dies sonderlich schwierig war, man musste lediglich gut aussehen, um schnell an der Spitze zu stehen. Etwas, indem wohl niemand so gut war wie Dôma selbst, er war perfekt ausbalanciert zwischen Außergewöhnlichen und dem Bekannten, welches ihn sicherlich auch blitzschnell zu einem Model machen würde. Oder eher einen Influencer.
Gefühlt jedes Mädchen himmelte ihn an, selbst die ein oder anderen Kerle taten dies – beide Geschlechter nicht nur aufgrund eines romantisches Interesse. Es war vielmehr, als würde sie zu ihm aufsehen.

Wunderschön, selbstbewusst, freundlich, intelligent.

Nicht frei von Fehlern, aber er stand förmlich über ihnen. Wie eine heilige Präsenz, die man kritisieren konnte, nur damit es im nächsten Moment genau das umsetzte, was man vorher noch als negativ empfunden hatte.

Shinobu war nicht frei von all diesen Einflüssen.

Ihre Augen klebten an ihm, selbst wenn sie sich andere Gründe dafür einfallen ließ als eine Schwärmerei. Sie war vielleicht zu gut darin, sich etwas vorzuspielen. Ganz egal, was sie tat – es war nicht möglich für sie, weiterzukommen. Daher war es ein Traum, als es in Biologie eine Partner-Arbeit geben sollte.
Die zusammenarbeitenden Pärchen wurde zufällig bestimmt.
Es konnte nicht nur Zufall sein, sondern musste mit Schicksal zu tun haben, als ihre Namen gemeinsam gezogen wurden.

„Du könntest gerne zu mir kommen", schlug Dôma ihr mit seinem perfekten Lächeln vor. „Aber es macht mir auch nichts aus, zu dir zu kommen. Sag mir einfach, was dir lieber ist."

Shinobu musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Bei anderen Personen würde sie sich vielleicht bedroht fühlen, aber alles, was Dôma ausstrahlte, war so etwas wie Ruhe und Vertrauen. Es schien egal zu sein, wie gut oder schlecht man ihn kannte.

„Ah, lieber bei dir", antwortete Shinobu lächelnd. „Bei mir Zuhause ist immer viel zu viel los."
Außerdem war es der perfekte Moment, um zu sehen, wie Dôma lebte, gab es seltsame Räumlichkeiten oder dergleichen?
„Schreib mir deine Adresse einfach hierhin", forderte sie sanftmütig und deutete auf einen Teil ihres Heftes, während sie Dôma zugleich auch einen Stift anbot. „Ich könnte heute ab 17 Uhr bei dir sein."

Dôma beugte sich ein wenig über den Tisch, um in perfekt geschwungenen Linien seine Adresse niederzuschreiben.
„17 Uhr klingt gut, ich werde auf dich warten, Kocho-kun."

„Ich freue mich schon", erwiderte Shinobu, während sie Dôma ihr süßeste Lächeln schenkte, welches bislang immer genau das für sie getan hatte, was sie sich wünschte.
In diesem Falle war es nichts Bestimmtes, nur dass Dôma nichts ahnen sollte. Er sollte sie weiterhin für eine einfache Mitschülerin halten.

Sie winkte Dôma nach, als dieser sich nun abwandte und seines Weges ging. Dabei ignorierte sie ganz einfach die neidischen Blicke ihrer Mitschüler, um inzwischen ebenfalls ihr Zeug zusammenzupacken. Nach zwei weiteren Unterrichtseinheiten Japanisch konnte sie ihren nach Hause Weg einschlagen.
Shinobu hatte nachgesehen, wie sie zum Zuhause von Dôma kommen würde, es war kein Katzensprung, sondern durchaus schon etwas weiter weg. Doch mit dem Bus würde sie nahe genug herankommen, um den restlichen Weg entspannt laufen zu können.
Zuerst einmal musste sie nach Hause und einige Sachen zusammenpacken. Ihre Schwestern waren ebenfalls anzutreffen, doch vorerst störten sie ihre Unternehmungen nicht.

„Gehst du nochmal weg, Shinobu-chan?"

Sie musste sich natürlich nicht umdrehen, um zu wissen, dass ihre ältere Schwester zu ihr sprach. Ihre Stimme würde sie unter Tausenden wiedererkennen.

„Hmhm", machte Shinobu ein wenig summend. „Es geht um ein Biologie-Projekt. Ich werde wohl erst sehr spät wiederkommen. Vielleicht bleibe ich auch über Nacht."

„Ich verstehe, dann schreib mir nochmal eine Nachricht, je nachdem wie du dich entscheidest", erwiderte Kanae mit ihrer ehrlichen Freundlichkeit. Manchmal hätte Shinobu gerne etwas davon. „Mit wem machst du das Projekt? Kanroji-kun?"

„Nein, die Paare für die Projekte wurden zufällig ausgelost", antwortete sie. „Ich arbeite also dieses Mal mit Ashikaga-kun zusammen."

„Ashikaga-kun?"

„Jap!"

„Ich verstehe."

„Du machst dir schon wieder grundlos Sorgen, Onee-chan", versuchte sie beruhigend zu klingen. „Wir werden nur unser Projekt besprechen und herrichten. Soweit wir eben kommen mögen."

„Werden seine Eltern da sein?"

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht."

Kanae seufzte schwer: „Schreib mir einfach zwischendurch mal."

„Aber natürlich!"

Shinobu fragte sich, worum Kanae besorgt war – dass ihre kleine Schwester plötzlich schwanger zurückkommen würde, die Probleme eines Mädchens hatte, von welchem Nacktbilder kursierten – oder ob ihre Sorge nicht doch eher ihrem Mitschüler galt. Was es auch war; es ließ sie leise in sich hineinkichern.

„So, ich sollte alles haben. Wir sehen uns spätestens morgen wieder."

Sie schenkte Kanae noch eine kurze Umarmung, winkte Kanao zu, welcher bereits an ihrem Klavier saß und vermutlich auf Kanae wartete, welche sie lehrte. Sobald sie in ihre Schuhe geschlüpft war, sowie ihrer Jacke angezogen hatte, machte sie sich auch schon direkt auf den Weg. Mit dem Bus war sie fast eine halbe Stunde unterwegs, aber da sie kein Fahrrad besaß und noch weniger einen Führerschein, war es für sie ganz natürlich, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Auch wenn sie wohl darauf bauen konnte, dass Kanae sie abends abholen würde, um irgendwelchen Gefahren vorzubeugen. Glücklicherweise verlief die Hinfahrt ganz ruhig und entspannt – immerhin benötigte es keine Dunkelheit, um auf Gefahren zu stoßen.
Wie von ihr eingeplant, fand sie sich kurz vor 17 Uhr bei der aufgeschriebenen Adresse ein. Das Haus wirkte von außen freundlich, etwas protziger, jedoch nicht auf negative Weise auffällig. Das Klingelschild wurde von Dôma's Nachnamen geschmückt, welcher aussah, als würde er noch nicht lange dran sein, dabei wohnte er doch bereits gut ein Jahr hier. Als sie die Klingel betätigte, dauerte es nicht lange, bis das große Tor vor ihr sich öffnete und sie einen Weg durch den hübschen Vorgarten führte. Als sie voraussah, konnte sie bereits ihren Mitschüler erkennen.

Dôma wartete an der Haustür mit einem Lächeln auf sie, öffnete die Tür ein wenig mehr, damit sie leicht hineintreten konnte.

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