1. TEIL: WORMS

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          1. Gesang


Im Jahre vier-fünf-drei begab es sich

Dass eine Dame und sieben Männer

In Reih und Glied im kalten Jänner

Hoch auf dem Wormser Schlosse froren bitterlich.

Nur König Gondioc kann die Fassung halten

Und dabei noch seines Amtes walten.



Unruhe ergreift die Gruppe auf den Zinnen

Über dem Ostflügel, als das Reiterheer

Sich dem Auge entblößt als finsteres Meer,

Größer, als selbst der Teufel es könnt ersinnen.



Drei der Burgunder tragen schwere Rüstung,

Während die beiden Römer auf der Schlossruine

Vor den Zinnen verziehen keine Miene,

Sondern neugierig geneigt über die Brüstung

Beobachten bei Anbruch der Nacht

Den Aufmarsch des Hunnenheeres mit Bedacht.



„Beim Wotan," knurrt da der Markgraf Eckewart,

„Nun sagt, ihr Römer, welch verdammten Part

Habt ihr euch mit dieser Neuauflage ausgedacht?"

„Ja," ruft der Truchsess Ortewein, „ 's wär doch gelacht

Wo Flavius Aetius in übelster Manier

Mit den Hunnen Worms hat überfallen wie ein Tier."



„Damals brannten sie die ganze Stadt nieder,"

Nickt auch der Wittich, „von dem Römer geführt

Und dieses angesichts des Elends ungerührt

Sangen sie ihre grässlichen Lieder.

Drum sagt mir, ihr Römer, was soll das jetzt,

Wo der Sturm der Barbaren euch von neuem ergötzt?"



„Jawohl, soweit aus Fichtenholz gebaut

Haben wir dem Flammenraub nur zugeschaut –

Was sollten wir auch tun? – Wobei ich dachte,

Dass euer Herr, der Flavius Aetius

Der sich selbst zum letzten wirklichen Römer machte,

Sich nicht versteigen würd zu solchem Höllengruß!"



„Wer da?" ruft der Wittich da nun Tritte hallen unverwandt.

„Hagen von Tronecks Knappe, im Schritt gewandt,"

Lacht Markgraf Eckewart, „erklimmet hier die Stiege."

„Gut, Friedebald," nickt auch von Metz, „ja welch Intrige

Wird hier gesponnen?" – „Lasst ihn doch zu Atem kommen,"

Das Vermächtnis der NibelungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt