Kapitel 2

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"Zara? Zara!", die sanfte Stimme meiner Mutter wurde langsam lauter und damit kam auch das Gefühl in meinen Körper zurück. Ich lag auf einem weichen Untergrund, mein Kopf pochte leicht. Für einen Moment hatte ich die blinde Hoffnung, dass es alles nur ein Traum gewesen war. „Zara.", jetzt drang die Stimme meines Vaters an meine Ohren und ich schlug die Augen auf. Ich blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit an und spürte jetzt auch den dumpfen Schmerz an Rücken und Hinterkopf. Ein Stöhnen kam mir über die Lippen und ich stützte mich auf. Meine Eltern waren beide an der Koje versammelt, in die man mich gelegt haben musste, nachdem ich Ohnmächtig geworden war. Blut schoss mir in die Wangen und ich senkte den Blick. Scham brannte in meinen Augen. „Zara, ich weiß, dass es ein Schock für dich war.", das warme Braun der Augen meiner Mutter empfing mich, als ich den Blick wieder hob. „Wir wussten selbst nicht, wie wir damit umgehen sollten... wir haben nie geglaubt...", ein Schluchzer unterbrach sie und ich fiel ihr um den Hals, hielt ihren bebenden zierlichen Körper. Wir weinten beide eine Weile gemeinsam, ehe sich mein Vater, der aus dem Fenster des kleinen Raumes geblickt hatte, sich uns wieder zuwandte. „Zara, diese Hochzeit mussstattfinden.", seine Augen waren hart, als er mich eindringlich ansah. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen und richtete meinen Blick auf ihn. „Ich weiß, Vater." Sein Blick wurde weich. „Deine Mutter und ich wir sind unglaublich stolz auf dich." Meine Unterlippe zitterte wieder und mein Herz krampfte sich zusammen. „Seit... seit wann wusstet ihr es?" Meine Mutter strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich gelöst haben musste. „Oh, Zara. Wir haben es geahnt, aber der Kaiser hat uns nichts verraten. Aber der Angriff auf Thalassia ..." sie schluchzte wieder. „Wir haben es vermutet.", schloss mein Vater, der jetzt auch Platz an der Koje genommen hatte. Ich schloss kurz die Augen. „Aber der Prinz...", begann ich. „Der Prinz wird dich gut behandeln.", fiel meine Mutter mir ins Wort. „Du brauchst dich nicht zu fürchten." Ich nickte. Angst gibt dir keine Kontrolle. „Die Hochzeit wird noch heute Abend stattfinden, Zara." Ich presste die Lippen aufeinander, das bedeutete also Abschied, heute, für eine lange Zeit. So viel früher, als ich dachte und so ... plötzlich. Ich schluckte. „Mach dir keine Sorgen, Zara. Es wird alles gut." Ich hob den Blick auf meine Eltern und zwang mich zu einem Lächeln.

Als ich eine Stunde später den Saal wieder betrat, herrschte gespenstische Stille. Die Tafeln waren alle verlassen und abgeräumt, die Feierlichkeiten des Blutfriedens vorbei. Meine Mutter hatte mir geholfen mein Haar zu richten und den blutroten Schleier angebracht, den der Kaiser mir ebenfalls geschenkt hatte. Nun durchmaß ich den Saal mit entschlossenen Schritten, mein Vater zu meiner Rechten und meine Mutter zu meiner Linken. Vor der großen Treppe standen Kael und Vorak Draven, ein geistlicher Führer erhob sich gerade aus einer tiefen Verbeugung vor dem Kaiser, der die Stufen der Treppe hinabgekommen war. Sogar die Prinzessin und die Königin waren noch anwesend. Die Königin trug eine silber-weiße Robe, die an ihrem schlanken Körper herabfloss. Diamantbesetze Haarklammern ragten aus ihrem kunstvollen Dutt heraus, wie die Strahlen einer Sonne. Die Prinzessin hielt nach wie vor den Blick gesenkt, und das Gesicht verschleiert. Legenden besagten, dass sie so schön war, dass der Kaiser es allen anderen verbat, ihr Gesicht zu sehen. Mehr waren nicht anwesend, um unserer Hochzeit beizuwohnen und mein Herz krampfte sich wieder zusammen, Blut schoss in meine Wangen. Ich hatte meine Eltern blamiert, weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle gehabt hatte. „Xander, Sylara und Zara.", meine Mutter und ich knicksten lange und mein Vater verneigte sich tief. „Eure Hoheit." Wir erhoben uns und dann legte sich der Blick des Kaisers auf mich und er streckte seine Hand nach mir aus. „Zara." Seine Stimme und sein Blick waren beinah sanft, aber es fehlte seinen blauen Augen an Gefühl. Ich unterdrückte einen Schauer und trat einen kleinen Schritt vor an seine Seite. „Kael.", der Prinz trat auf die andere Seite des Kaisers, sein Blick starr und sein Gesicht regungslos. Doch Wellen von Emotion gingen von seinem Körper aus die ungefiltert auf mich trafen, ich verkrampfte leicht. „Ich erlege euch beiden hiermit eine Bürde auf, die ihr für den Rest eurer Leben tragen werdet.", die Stimme des Kaisers war sanft, aber bestimmt. Mein Herz pochte schneller in meiner Brust und ich war dankbar für den Schleier, der die Tränen in meinen Augen verbarg. „Ich danke euch für eure Opfer." Nach einer kleinen Weile fügte der Kaiser hinzu: „Und ich hoffe sehr, dass ihr genauso glücklich miteinander werdet wie ich und Kaiserin Amara." Dann verschwand die Hand des Kaisers von meinem Arm und der Geistliche Führer trat zwischen mich und den Prinzen, in dessen Gesicht ich noch kein einziges Mal Blicken konnte. „Zara Aeliana Naiad. Tochter von Xander und Sylara Naiad, Prinzessin von Helia und Kael Draven. Sohn von Vorak und Thalassa Draven, Prinz von Tarrkhin. Der heilige Blutbund der Liebe, Treue und Ewigkeit wird heute von diesen Beiden begangen." Der Rest der zeremoniellen Rede rauschte an mir vorbei wie ein Wasserfall in die Tiefe. Ich hörte nur mein Herz in meiner Brust schlagen, spürte meinen Atem, zählte jeden einzelnen Zug. Angst ist nur ein Zeichen von Kontrollverlust. Angst gibt dir keine Kontrolle zurück. Erst als der Geistliche Führer mit seiner Hand meine und Kaels ineinanderlegte, und ich die Wärme seiner Haut auf meiner spürte, kehrte ich zurück in den Moment. Es war, als würde Kael durch den Kontakt unserer Haut von meinen Albträumen in die Wirklichkeit übergehen und wirklich real werden. Ich unterdrückte ein Zittern. Die Emotionen, die von ihm ausgingen, waren zumal von Sekunde zu Sekunde stärker geworden, obgleich sein Gesicht befreit von jeder Emotion war. Wut war vorherrschend. „Kael Draven akzeptierst du Zara Aeliana Naiad in deinen Schutz, und gelobst ihr ewige Treue und Liebe?", die Frage des geistlichen Führers hing einige Sekunden in der Luft, Stille breitete sich aus. Ich hob vorsichtig den Blick durch meinen Schleier in Kaels Gesicht. Seine dunklen Augen bohrten sich in meine, als wäre sein Blick schon die ganze Zeit auf mir gelegen. Wieder spürte ich Emotion von seinem Körper ausgehen, stark, wild und überbordend. Wut waberte aus seinen Poren bis zu mir, bis er schließlich mit bebender Stimmte antwortete: „Ich gelobe es." Der Geistliche Führer verlagerte sein Gewicht etwas, sicher spürte er Kaels Aura noch viel mehr als ich, und es bereitete ihm Unbehagen. „Zara Aeliana Naiad akzeptierst du Kael Draven in deinen Schutz und gelobst ihm ewige Treue und Liebe?", die Frage des geistlichen Führers wirkte etwas gehetzt, als wolle er Kaels Aura so schnell wie möglich entkommen. Ich schluckte trocken und richtete meinen Blick wieder auf Kael. „Ich gelobe es." Kael lies meine Hand so schnell los, als hätte er sich an mir verbrannt und richtete während der restlichen Zeremonie kein einziges Mal mehr seinen Blick in meine Richtung. Er verzog keine Miene, als der Führer die heiligen Zeichen auf seine Hand brannte, also versuchte ich auch ruhig zu bleiben. Dennoch entkam mir ein Keuchen als der Laser das erste Mal auf meine Haut traf. „Nun werden wir Zeugen einer Eheschließung.", schloss er schließlich die Zeremonie, die mir Ewigkeiten lang vorgekommen war. Erst jetzt sah Kael mich wieder an, als er sich zu mir umwandte, um mir den Schleier aus dem Gesicht zu nehmen. Die Nähe seines Körpers war ungewohnt, Emotionen flossen unkontrolliert aus ihm heraus und trafen mich wie Pfeilspitzen. Es fiel mir schwer mich auf meine eigenen Gefühle zu konzentrieren. Plötzlich war er mir nah, zu nah, ich sah noch das Schwarz seiner Augen, lange Wimpern und dann legten sich seine Lippen auf meine. Für einen kurzen Moment strömten seine Emotionen meine, ein Fluss, der mich mit Wärme erfüllte, Harmonie, Synchronisation, Vollkommenheit. Dann war es auch schon wieder vorbei, Kael löste sich und trat einen Schritt zurück. Der Kaiser applaudierte und zögerlich fielen meine Eltern und Vorak Draven mit ein, dann verharrten wir alle einen Moment in Stille. „Ich erkläre die Blutfrieden Zeremonien hiermit als beendet.", schloss der Kaiser und die Kaiserin legte ihre Hand auf den Arm des Kaisers und mitsamt kaiserlicher Garde setzte er und die Kaiserin sich in Bewegung Richtung des Tores, dass aus dem Saal führte. Ich suchte den Blick meiner Mutter, die mich anlächelte mit Tränen in den Augen. „Lebwohl Zara." Mein Vater nickte. „Lebwohl meine Tochter." Meine Augen brannten und am liebsten wäre ich wie früher, als ich klein war, in ihre Arme gerannt und hätte sie an mich gedrückt. Stattdessen schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter und knickste tief. „Lebtwohl." Abschied brannte in meiner Seele, und für einen Moment hätte ich beinah die Kontrolle über meine Gefühle verloren. Aber nicht noch einmal. Stattdessen wandte ich mich wieder zu Kael, der immer noch stocksteif vor dem geistlichen Führer stand, Emotionen flossen nach wie vor aus seiner Richtung zu mir. Ich konnte auch die von Vorak Draven ausmachen, wenngleich seine Emotionen wesentlich verhaltener wahrzunehmen waren. Vorak reichte mir seinen Arm. „Prinzessin, wenn ihr mir folgen wollt." Ich nickte, sah noch einmal zu meinen Eltern und wandte mich um. Abschied.

Nun befand ich mich auf dem vorher noch so lang ersehnten Rückweg, und blickte hinaus die die vorbeirauschenden Sterne. Die Raumschiffe der Tarrkhin, die mir vor wenigen Stunden noch wie schwarze Steine vorkamen, waren eher vergleichbar mit Felsen. Riesige Gänge, hohe Decken und sehr viele große Fenster, die die Dunkelheit der Galaxie hereinließen. Ich trug nach wie vor das rote Kleid des Kaisers und die Male der heiligen Zeichen brannten noch immer auf meinem Handrücken. Ich war mit Vorak und Kael auf ihr –unser - Schiff gebracht worden, anscheinend waren wirklich nur der Prinz, der König und zwei Männer der königlichen Garde auf dem Schiff des Kaisers für die Hochzeit geblieben. Kael hatte mich keines weiteren Blickes gewürdigt, hatte kein Wort mit mir gesprochen. Der König war ebenfalls distanziert gewesen, aber bemüht. Ich konnte die Emotionen der Gardisten spüren, größtenteils Feindseligkeit und Neugierde, die vom Ende des Shuttles zu mir gewabert waren. Aber das war nichts im Vergleich zu Kael, der wie eine Fackel im dunklen Raum brannte und dessen Emotionen mich auch jetzt, nachdem ich der engen Nähe des Shuttles entkommen war, erschöpft zurückgelassen hatten. Auf dem Schiff angekommen, hatten mich zwei Bedienstete empfangen, während Kael einfach davon gestürmt war. Und nach ihm, nach einer Entschuldigung in meiner Richtung, auch Vorak. Nun stand ich einem weitläufigen Gemach mit riesigen polarisierten Fenstern, dass mir etwas wie eine dunkle Höhle vorkam: Graue Wände mit warmer Beleuchtung, die beinah wie Flammen wirkten. Der Raum, in dem ich mich befand war weitläufig und von dem Bett zu schließen auch als Schlafgemach gedacht, mit noch zwei großen grauen Polstern auf dem Boden und einer Tür, die in einen weiteren Raum führte. Ich seufzte und drehte mich um. Meine Wangen waren noch nass, von den Tränen, die ich geweint hatte, aber jetzt fühlte ich mich einfach leer. Leer und erschöpft. 

To keep a PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt