** Kapitel 1 **

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ELLA

Elf.

Auf einer Skala von eins bis zehn war das Level meiner Vorfreude auf das kommende Semester bei Elf. Tendenz steigend. Ich liebte das Studium. Und ich liebte meine Freunde, von denen ich die meisten in den Semesterferien schrecklich vermisst hatte. In wenigen Minuten wären wir endlich wieder zusammen.

Mit einem kleinen Hüpfer kam ich an der Tür an, die ins Innere des Unigebäudes führte. Ich stieß sie auf und betrat die offene gläserne Halle. Licht flutete sie. Rechts und links liefen etliche Studenten an mir vorbei. Eine freudige Hektik, die mich an das aufgeregte Wuseln eines Ameisenhaufens erinnerte. Ich atmete tief durch und straffte die Schultern. Schnellen Schrittes lief ich die breite Treppe hinauf und machte mich auf den Weg in die Cafeteria, wo ich mir noch einen Tee holen wollte, bevor ich meine erste Vorlesung in diesem Semester besuchen würde.

Früchtetee.

Genau.

Dafür würde ich sogar in Kauf nehmen, einen kleinen Ticken zu spät zu kommen.

Ein Strom von Studenten kam mir auch hier entgegen. Einige redeten angeregt miteinander, andere schlürften geschäftig an ihren To-go-Bechern oder waren bereits in irgendwelchen Büchern vertieft. Von diversen Partys des letzten Semesters kannte ich den ein oder anderen von ihnen und hob grüßend die Hand. Das Lächeln, das mir von nahezu allen entgegengebracht wurde, erwärmte mein Herz.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich die Uni und das sie umgebende ganz besondere Flair liebte?

Grinsend holte ich mir meinen Tee und kam zwei Minuten vor Veranstaltungsbeginn am Hörsaal an. Ich ließ den Blick schweifen. Es herrschte ein lautes Durcheinander. Mehrere Dutzend Studierende saßen im Raum verteilt in Grüppchen zusammen oder allein, hauptsächlich aber in den hinteren Reihen und möglichst weit weg vom bald erscheinenden Professor. Sie unterhielten sich, tippten auf ihren Smartphones herum oder durchsuchten ihre Taschen und blätterten geschäftig in ihren Unterlagen. Auch hier war die Atmosphäre nahezu knisternd.

Plötzlich blieb mein Blick an einem Arm hängen, der etwas weiter oben hochgeschnellt war. „Hier!", rief mir die Person zu. „Mein rechter, rechter Platz ist frei, Ella!"

Ich lachte und nickte, als ich meine beste Freundin Anni erkannte. Dann eilte ich die wenigen Stufen hinauf und musste aufpassen, dass ich meinen Tee nicht verschüttete. Gerade als Herr Andersson, unser Dozent für International Business Studies, den Raum betrat, ließ ich mich auf meinen Platz neben Anni fallen.

„Willkommen zu einem Semester voll mit historischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten internationaler Geschäftstätigkeit", redete Herr Andersson sofort los, noch ehe er seine Tasche auf das Pult geknallt hatte.

„Willkommen in der Hölle", flüsterte Anni mir zu.

Ich sah sie entsetzt an. „Du wieder", wischte ich ihren Kommentar beiseite. „Ich bin vollkommen freiwillig hier."

„Genau." Sie nickte überschwänglich. Ihre hellbraunen, kinnlangen Locken wippten ihr dabei ums herzförmige Gesicht. „Freiwillig, weil deine Eltern dir dieses Studium aufzwängen."

„Genau wie deine." Ich stellte meinen To-Go-Becher auf dem Tisch ab, holte mein Tablet aus meinem Rucksack und legte es daneben. „Business verpflichtet eben."

„Ich werde mich nie damit abfinden", seufzte sie und deutete dann in die Richtung unseres Dozenten. „Aber wenn ich mir Herrn Andersson so ansehe, werden wir wenigstens optisch entschädigt für zwei Stunden wöchentliches Geschwafel über internationale Geschäftstätigkeit."

Auch ich musterte ihn und biss mir dabei leicht auf die Unterlippe. „Schon sexy, oder?", fragte ich und musste mir ein Grinsen verkneifen. Herr Andersson war alles andere als ein eingestaubter BWLer und schon gar kein langweiliger Professor. Er war jung und dynamisch und konnte höchstens fünf Jahre älter sein als ich. Wahrscheinlich war er gerade erst mit dem Studium fertig und hatte diesen Posten jüngst übernommen. Das weiße Hemd, das er trug, steckte locker in seiner dunkelblauen Jeans. Die Hemdsärmel hatte er lässig bis zum Ellenbogen hochgekrempelt. Gerade stützte er sich auf dem Rednerpult ab und sah erwartungsvoll in die Runde. Seine blonden Haare hingen ihm dabei verstrubbelt ins Gesicht. Selbst die eckige Brille wirkte an ihm nicht im geringsten bieder.

Don't Worry Baby - Unsere Gemeinschafts-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt