Ivan war verrückt, Ivan war hoffnungslos verrückt, und ich fand es herrlich. Lachend ließ ich mich von ihm durch die Straßen ziehen. Wenn wir an Polizisten vorbei kamen, lächelten wir, nickten ihnen zu und manchmal grüßte er die Männer, die uns suchten, sogar. Sein Image eines verträumten Fotografen wurde durch das tiefe Lachen und die immer noch verwuschelten Haare perfekt, vielleicht könnte man ihn auch als Irren einstufen, aber das Adrenalin ließ mich keine größeren Sorgen haben. „Wo willst du verflucht nochmal hin?", er reagierte nicht, zog mich lächelnd weiter, „Ivan?", fragte ich lachend und eingenommen von seiner Energie, blieb stehen und zwang ihn sich zu mir umzudrehen. Unerwartet nahm er mein Gesicht in die Hände und sah mich begeistert an: „In das beste Diner der Stadt!" - „Was?", brachte ich noch mit zusammen gekniffenen Augenbrauen, aber dem stetigen Lächeln heraus, bevor er weiter lief, halb rannte.
Kurz darauf kamen wir in einer kleinen Seitengasse zum Stehen und gentlemanlike hielt er mir die Tür, die in den kleinen Laden führte auf. „Das machst du nur, um mir auf den Arsch zu glotzen, wie jeder Mann", erklärte ich sein Verhalten, ging dann aber vor, denn mein Hintern war in der Tat sehr ansehnlich. „Yep, wir Männer sind alles Schufte, Banditen und Halunken", gab er mir ohne zu zögern Recht und betrat mit mir den Raum. „Ich denke das mit dem Bandit trifft eher nur auf dich zu", entgegnete ich während wir uns an den hintersten Tisch, in die Nähe der Jukebox setzten. Dass die hier noch so ein Teil hatten... Sprach für den Saftladen.
„Hast du Hunger?", riss er mich aus meinen Gedanken. Normalerweise würde ich ihm jetzt in sarkastischem Tonfall sagen, dass wir in einem Diner saßen und ich somit mehr oder weniger, durch die Etikete und die verschobenen Ansichten der Menschen über Höflichkeit, verpflichtet war etwas zu bestellen, doch ich hatte aus unerfindlichen Gründen mal keine schlechte Laune und antwortete: „Ich sterbe vor Hunger." Mit einer Handbewegung rief er die Bedienung zu uns, bestellte zweimal Waffeln und Kaffee.
„Waffeln? Wirklich?", zog ich ihn auf, als die Kellnerin weg war.
„Süßes für einen süßen Typen", gab er selbstsicher von sich, wackelte mit dem Augenbrauen und streifte dann die Lederjacke ab. Immer noch mit dem Lächeln auf den Lippen legte er sie neben sich auf die rote Polsterung der Bank. Zurück blieb ein enges dunkelgrünes Shirt mit blassgelber Aufschrift. Wahrscheinlich irgendeine unbekannte Band, die sich in diesem konsumbestimmten Land bald auflösen und ihre High School Träume ein für alle Mal begraben würde.
Auf seinen Kommentar hin schnaubte ich amüsiert und nickte dann mit einem Augenrollen: „Und einen schwarzen Kaffee für mich, ja das passt auch gut."
Als meine Augen wieder hinter meinen Augenlidern hervor kamen sah ich, dass er auf einmal ernst guckte und mich musterte. „Wieso passt das?"„Schwarz wie meine Seele, bitter und so heiß dass man sich dran verbrennt", meine monotone Sprechweise war zurückgekehrt und ich lehnte mich nach hinten an die Lehne, fuhr mir durch die blonden Haare und betrachtete sie. Ich sollte sie mir mal wieder schneiden.
„Du hast Recht." Überrascht sah ich zu ihm auf, ließ meine kaputten Spitzen los. Wo war das: 'Ach Quatsch, so schlimm bist du nicht', 'Mit einer positiven Einstellung wäre es nicht so' oder 'Niemand ist von Grund auf schlecht'?
„Du hast Recht, du bist verdammt heiß", enttäuscht aber nicht überrascht, dass es nur eine Anmache war, lehnte ich mich wieder nach vorn, legte die Unterarme auf dem Tisch und nahm so die selbe Position wie er ein. „Pass auf dass du dich nicht wie all die anderen verbrennst", raunte ich.„Feuer kann einen Drachen nicht töten." Ein Zwinkern rundete die Sache ab. Wo war der ach so coole Zahnstocher, wie in diesen 90iger Filmen, wenn man ihn mal zum Vervollständigen eines klischeehaften Benehmens brauchte?
„Und was ist jetzt genau deine Geschichte?", fragte er und platzierte seine verschränkten Hände unter sein Kinn als Stütze. Das Shirt spannte sich um die Armmuskeln. Wichtige Details vielen mir immer auf.
„Meine Geschichte?", hakte ich nach, obwohl ich wusste was er meinte.
„Warum du Banken ausraubst, oder warum du es heute getan hast, vielleicht war es ja dein erstes Mal?"
„Würde dich wohl freuen, wenn du bei meinem ersten Mal dabei gewesen wärst, hm?"
Sein Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln, das jedoch keine Zähne entblößte. „Ich schmachte, ich brenne, ich sterbe", sagte er gespielt dramatisch und legte den Kopf in den Nacken.
„Ich dachte ein Drache brennt nicht?", stellte ich seine vorherige Aussage in Frage.
„Und ich dachte du wärst verbittert?"
„Verbittert, aber nicht tot", erklärte ich warum ich Witze machte.
Barrow legte seinen Kopf leicht schief und sah mir amüsiert in die grünen Augen. „Und verdammt gut im Ausweichen von Fragen ist sie auch noch. Ich bin ja beeindruckt!", lachte er.
Herausfordernd lehnte ich mich zu ihm vor: „Na los. Du scheinst dich ja für einen ganz Schlauen zu halten. Warum hab ich die Bank ausgeraubt?"
Seine Hände ruhten nun an seiner Wange, seine Ellbogen stützen sich auf dem Tisch ab. „Hm... Ok", fing er nach einem kurzen Moment an, „du wohnst in New York, ganz offensichtlich. Du könntest auch von einem anderen Staat extra hierher gefahren sein, um nicht erkannt zu werden, aber so viel Mühe würde sich keiner von uns beiden machen. Du lebst nicht bei deinen Eltern und hast keinen guten Draht zu ihnen. Entweder sind sie tot, oder Arschlöcher. Mit 'nem guten Familienverhältnis raubt man keine Bank aus ... oder schießt drei Menschen an." Er wollte fortfahren, doch ich trat ihm unterm Tisch gegen sein Schienbein, als die Bedienung kam und unsere Bestellung auf dem Tisch abstellte. Ich wollte keine Kellnerin erschießen müssen, weil sie einfach nur zu viel gehört hatte. Sie wünschte uns guten Appetit, ich bedankte mich höflich und lächelte ihr zu. Als ich mich zurück zu ihm drehte, stand sein Mund offen, aber ein Lächeln war zu erkennen. „Du warst nett zu ihr. Du hast eine Schwäche! Du willst sie nicht töten, weil sie eine Frau ist... Nein... Oh! Weil sie eine Kellnerin ist, was du wahrscheinlich auch mal warst. Oh das ist genial!"
Ehre unter Dieben gibt es vielleicht nicht, aber unter Kellnerinnen auf jeden Fall.
„Könntest du dich vielleicht etwas leiser freuen?", zischte ich.
„In der Schule hast du zur Leistungsspitze gehört, du warst die Beste der Klasse, doch irgendwann wurde dir langweilig. Es war alles so simpel, so leicht und die Spatzenhirne in deiner Klasse haben es einfach nicht kapiert. Du warst unterfordert, jeden Tag und dann hast du einfach geschmissen. Was konnte dir die Drecksschule bieten? Nichts, außer vielleicht einen staatlichanerkannten Schulabschluss, aber wer braucht sowas schon, richtig? Tja. Überraschender Weise braucht man ihn und so wurdest du eine einfache Kellnerin. Und jeden Morgen bist du aufgewacht und hast es gehasst, du hast es so sehr gehasst, jeden Tag diese beschissene weiße Uniform anzuziehen und Menschen Kaffe einzuschenken. Manchmal fragten die dich nach Dates, aber einen Teufel hast du getan, anfangs zumindest. Aber irgendwann wird man einsam und dann saßt du abends zu Hause und hast überlegt: Wie zur Hölle komme ich hier raus? Und eines Tages kam dir die Idee. Vielleicht nicht gleich Banken ausrauben, aber auf jeden Fall Läden und Tankstellen." Beim letzten Satz lehnte er sich triumphierend nach hinten, streckte beide Arme von sich und legte sie auf die Lehne der Bank, sah mich durchdringend an und wartete auf meine Zustimmung.
Und Scheiße war ich beeindruckt. Verfickte Scheiße, wie konnte der Dreckskerl das alles erraten haben? Wie um alles in der Welt- Ok ich musste mich selbst bremsen und mein kaltes, unantastbares Image aufrecht erhalten. Also starrte ich zurück, ließ seine Augen mit meinen nicht los und griff dann nach der Kaffeetasse, nahm einen Schluck der schwarzen Plärre, setzte die Tasse ab und schüttelte den Kopf. Seine Augen wurden groß, das selbstsichere Lächeln viel und er schnellte nach vorn, legte seine Arme auf den Tisch und wartete auf meine Erklärung was falsch gewesen war. „Sie war pink. Die Kellnerinuniform war pink."
Stille hing im Raum und dann fingen wir beide an lauthals zu lachen.
„Los, iss deine Waffeln", forderte er mich grinsend auf, als wir uns endlich etwas beruhigt hatten.
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How To Rob A Bank
Action„Wie würdest du am liebsten sterben?" „Was für ein gutes Thema für ein romantisches Date." „Wir stehen hinter 'ner Tankstelle und kiffen." „So sehen Dates bei Kriminellen immer aus, Baby." Er schoss, sie lud nach. Scarlett Pierce und Ivan Barrow war...