Kapitel 2 - Ein zerbrechlicher Neubeginn

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Seit dem Umzug nach Amerika war so viel passiert. Das Haus meiner Großeltern war endlich sauber. Mit den neuen Möbeln und Tapeten fühlte es sich richtig gemütlich an. Mein Zimmer war genau so, wie ich es mir immer gewünscht hatte – mit einem großen Bett, einem Schreibtisch und meiner kleinen Leseecke. Das Leben hier war ganz anders als in Deutschland, aber ich begann, mich langsam einzuleben.

Die Schule war am Anfang total überwältigend. Alles war neu, die Leute, die Fächer, die Sprache. Ich hatte Angst, dass ich nicht reinpassen würde. Aber dann traf ich Naomi. Sie ist einfach toll! Naomi wohnt gleich bei uns um die Ecke, ihre Eltern betreiben das thailändische Restaurant in der Stadt. Schon am ersten Tag haben wir uns angefreundet. Sie zeigte mir alles, erklärte mir, wie die Schule funktioniert und stellte mir ihre Freunde vor. Es tat gut, jemanden zu haben, der mir half, mich zurechtzufinden.

Naomi und ich verbrachten viel Zeit miteinander. Wir arbeiteten zusammen an Schulprojekte und saßen oft in der Bibliothek, um für Prüfungen zu lernen. Ich hatte mich verschiedenen Schulgruppen angeschlossen – ich spielte Klavier in der Schulband, war im Schwimmteam und gab im Rahmen eines Internen Schulprogrammes anderen Schülern Nachhilfe. Es war viel zu tun, aber ich mochte es, beschäftigt zu sein. Und Naomi unterstützte mich immer, egal was war. Manchmal kam sogar ihr Freund Embry mit. Er war total nett und behandelte Naomi wie eine Prinzessin. Er lud uns oft ein, nach der Schule etwas zu unternehmen oder einfach nur zusammen abzuhängen.
Es fühlte sich so an, als würde alles langsam seinen Platz finden.

Und so wurde es Winter in La Push und es war ein kalter, eisiger Nachmittag. Die Straßen waren von Schnee bedeckt, und ich konnte sehen, wie mein Atem kleine Wölkchen in der Luft bildete. Mein Vater wollte mich von der Schule abholen, weil wir zusammen meinen neuen Lesesessel kaufen wollten. Ich freute mich auf die Zeit mit ihm, weil wir in den letzten Wochen kaum Zeit hatten, etwas gemeinsam zu unternehmen. Er war immer beschäftigt, mit der Arbeit oder dem Einrichten des Hauses.

Mein Vater hatte ebenfalls einige Startschwierigkeiten in der neuen Arbeit. Er hatte eine Stelle im Büro der Polizeistelle in Forks bekommen. Es war eine große Erleichterung für ihn. Er schien dort wirklich glücklich zu sein. Er verstand sich super mit seinen Kollegen, auch wenn er noch nicht so gut Englisch sprach.

Die Straßen, die Bäume und alle Häuser waren um diese Jahreszeit mit weißem Schnee bedeckt. Als ich zu meinem Vater ins Auto stieg fingen wir an über die Schule zu reden. Er wollte immer wissen, wie es mir ging, und fragte oft nach meinen Freunden, meinen Schulprojekten und meinen Plänen für die Zukunft oder des nächsten Wochenendes. Ich erzählte ihm von der Schulband und den Planungen für die Abschlussfeier.
„Inzwischen sind wir schon zu fünft in der Band.", erklärte ich.
„Sarah ist unsere Lead-Sängerin und Brady, den nenne ich versehentlich immer Brandy, spielt jetzt das Schlagzeug.", erzählte ich aufgeregt.

Mein Vater hörte mir konzentriert zu, seine Augen fest auf die vereiste Straße gerichtet. Plötzlich spürte ich, wie das Heck unseres Wagens zur Seite rutschte. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Mit einem Ruck versuchte mein Vater gegenzusteuern, seine Hände verkrampft um das Lenkrad. Aber das Auto schien ein Eigenleben zu entwickeln, es brach endgültig aus und geriet ins Schleudern.

„Clara, halt dich fest!" rief mein Vater, seine Stimme voller Panik. Ich gehorchte instinktiv, doch es war zu spät. Das Auto drehte sich und stürzte den Hügel hinunter. Alles geschah so schnell, dass ich kaum begreifen konnte, was passierte. Metall knirschte, Glas zersplitterte und mein Kopf wurde nach hinten in den Sitz geschleudert. Wir prallten an einen Baum und ich wurde nach vorne geschleudert, der Sicherheitsgurt schnitt sich schmerzhaft in meine Brust.

Das Auto drehte sich und mein Kopf schlug hart gegen das Dach des Autos. Ein stechender Schmerz zog sich durch meinen Schädel, heiß und brennend, wie ein Blitz, der durch meinen Körper zuckte. Und dann – Dunkelheit. Eine schwere, erdrückende Schwärze umhüllte mich, als wäre ich in einem tiefen, endlosen Abgrund versunken.

CaladriusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt