Sam fühlte sich nicht wohl.
Es war so warm, dass die Luft, die sie einatmete, bereits von ihrer Außenwelt verbraucht zu sein schien. Auf ihrer Stirn sammelten sich ein paar Schweißtropfen, die Sam (die sich vor Amber nicht blamieren wollte), unauffällig mit ihrem Handrücken wegwischte.
(Mantha, Scarlett, Grayson und Oliver hatten ihren Rückweg vorerst abgebrochen und sich gegenüber voneinander auf die Gleisstücke gesetzt. Mantha wischte sich nervös immer wieder imaginären Dreck von ihrem Shirt, Oliver sah sie immer noch so begeistert an, als wäre sie ein Schokoladenkuchen. Graysons und Scarletts Gesichter waren eher neutral. Mit zittriger Stimme begann Mantha schließlich aufgeregt zu erzählen.)
„Hey, was ist das?", fragte Amber plötzlich. Sam sah überrascht auf und unterdrückte einen Aufschrei. Das Waldstück am Camp war mit Bäumen so vollgestellt, dass man den Wald dazwischen nicht mehr erkennen konnte, die Pfade teilweise wirklich schmal und bewachsen – sie hatte automatisch angenommen, der gesamte Wald wäre auf diese Weise ausgestattet und diese Vermutung war zwar begründet, aber leider trotzdem falsch gewesen; denn vor ihnen erstreckte sich ein Feld aus gefällten Bäumen.
(„Es begann alles mit einem Baum. Es war ein Baum wie jeder andere. Bis die Bluthexe kam."
„Die Bluthexe?!", fragte Grayson belustigt.
„Sie war nur ein junges Mädchen. Eigentlich. Sechszehn Jahre alt, intelligent und sehr, sehr wütend. In ihrem Leben gab es so einiges, was ihr nicht gefiel und eines Tages nahm ihr jemand dann die letzte Freude in ihrem Leben weg.", Mantha seufzte, um dem ganzen ein wenig (noch) fehlende Dramatik zu verleihen.
„Und was war diese genommene Freude?", fragte Scarlett.„Ihre Katze.
Sie brachten ihre Katze um.")„Ach. Du. Scheiße!", lachte Amber, als sie das zerstöre Gebiet vor ihnen sah.
„Warum haben die die alle gefällt?", fragte Sam, die weniger begeistert von diesem grauen Baumfriedhof war.
„Vielleicht gab es einen Waldbrand?", schlug Amber vor. Sam zog die Augenbrauen zusammen: „Hä? Aber dann wären die Bäume doch abgebrannt!"
Amber verzog das Gesicht: „Egal. Vergessen wir das."
(„Das Mädchen, das übrigens Divina hieß, lief mit Tränen und blutüberströmten Gesicht -"
„Warte, was? Blutüberströmt?", fragte Oliver geschockt.
„Na ja, nicht wirklich überströmt, aber ... ach so, ja, das habe ich ganz vergessen. Sie hatte versucht, ihre Katze zu retten und sie deshalb aufgeschnitten. Deshalb waren ihre Hände, und weil sie sich ins Gesicht gefasst hatte auch ihr Gesicht, mit Blut verschmiert.Divina lief jedenfalls in den Wald, stolperte über ihre Füße und die Tränen zogen Schlieren durch die rote Schicht aus Blut auf ihren Wangen (Sie müssen ja nicht wissen, wie lang ich an dieser Formulierung gesessen haben). Irgendwann musste sie anhalten, weil sie außer Atem war. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihn erreicht – den Baum, der alles verändern sollte.")
Sam hatte schon immer vergessen, genügend Wasser über den Tag verteilt zu trinken. Während das im Winter aber meist nur einen trockenen Hals zur Folge hatte, verschwamm im Sommer schon ihr Sichtfeld ein wenig. Jetzt war einer dieser Momente, in denen ihr klar wurde, dass sie mal wieder etwas trinken sollte.
(„Er war umgeben von anderen Bäumen, aber er war der einzige, der in dieser schicksalshaften Nacht verändert werden sollte."
„Seit wann ist es in der Geschichte Nacht?", bemerkte Scarlett.
„Es ist in jeder Gruselgeschichte Nacht. Das muss einfach so sein!", antwortete Oliver und wartete ungeduldig darauf, dass Mantha weitererzählte.)„Lass uns zurückgehen!", rief Sam Amber zu, die schon mehrere Meter vorgegangen war. Amber drehte sich genervt zu ihr um: „Ernsthaft?! Du willst jetzt umdrehen?"
„Ich habe Durst.", gestand Sam schulterzuckend. Amber verdrehte unbeeindruckt die Augen: „Ein bisschen Durst ist doch nichts schlimmes. Du hältst garantiert noch eine halbe Stunde oder so ohne was zu trinken aus. Drei Tage bist du sowieso sicher."Sam schüttelte den Kopf: „Amber, bitte. Lass uns zurückgehen."
„Nein.", entschied Amber barsch. „Wir sind fast da. Reiß dich zusammen, du Kleinkind!"
Sam wusste nicht, wieso sie auf Amber hörte, doch sie tat es und das, obwohl das Schlucken ihr plötzlich unglaublich schmerzhaft erschien.(„Divina wollte sich eigentlich nur am Baumstamm abstützten, doch die Baumrinde schnitt ihr die Hand auf, verband ihr wütendes Blut mit dem Baum. Divina war aus irgendeinem für immer unbekannten Grund fasziniert von dem Schnitt auf ihrer Hand, fasziniert von dieser Verbindung zum Baum und biss sich die andere Hand ebenfalls noch auf."
„Okay, wann wurde eine lustige Legende zu einer Geschichte über ein nach Blut süchtiges, verrücktes Mädchen?", wisperte Grayson Scarlett leise zu.
„Oh, Grayson. Geschichten über Mädchen, die von anderen so lange gequält wurden, dass sie in den Wahnsinn abdrifteten, enden immer in einem Blutbad.", antwortete Scarlett in dergleichen Lautstärke.)Amber wurde nach vorne gezogen.
Ein unsichtbares Seil war um ihre Hüfte gewickelt worden, zog sie ohne Erbarmen weiter nach vorne. Es fühlte sich an, als würde sie über den staubigen Boden schweben – sie nahm ihre Umgebung nicht mehr wahr, zumindest nicht mehr in der Qualität, die man noch als aktives Wahrnehmen bezeichnen konnte.
Die Trance selbst war nicht unangenehm; doch sie drängte so tief, so stark, dass Amber Angst davor bekam, was passieren würde, sollte sie aus der Trance erwachen.
(„Divina presste ihre Hände an den Baum, ließ ihre Wut auf den Baum überfließen. Sie tat es so lang, bis ihre Hände mit roten Handschuhen überzogen worden waren."
„Hä?", machte Oliver.
„Ihre Hände sind überzogen von Blut. Kein Flecken Haut ist mehr übrig, also sieht es so aus, als würde sie Handschuhe tragen.", seufzte Scarlett und Oliver nickte ihr dankbar zu.„Also, die Handschuhe.", sagte Mantha hastig, aus Angst, die Aufmerksamkeit der anderen zu verlieren und fuhr dann etwas schneller fort. „Genau, sie hatte diese Handschuhe.
Dann begann sie zu töten.
Es fing an mit der Katze. Sie tötete die Campkatze, die so viel Zeit mit ihrer eigenen Katze verbracht hatte, badete in ihrem Blut -"
„Okay, igitt.", murmelte Oliver und unterdrückte ein Würgen.
„- und besuchte den Baum ein weiteres Mal, schenkte ihm auch das Blut der Katze."
„Vielleicht war Henrietta auch an diesem Baum, und hat dir deshalb ihr Zuckerwasser geschenkt.", wisperte Scarlett Grayson zu. Grayson lachte laut auf und Oliver und Mantha sahen ihn verstört an.)„Amber?", sagte Sam alarmiert, als sie bemerkte, wie schnell Amber plötzlich lief. Aus dem Joggen wurde ein Rennen, aus dem Rennen – ein Fliegen?
Sam kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, so die Grenze zwischen Amber und dem Boden besser erkennen zu können. Doch sie verschwamm daraufhin nur noch weiter, bis Ambers Füße lediglich noch über die Erde zu streifen schienen.So sanft, leicht und schmerzhaft wie die Schritte einer Ballerina in Spitzenschuhen.
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The curse above us
Horror„WILLKOMMEN IN CAMP GREENWITCH" Es ist doch nur ein Sommercamp. (Aber wieso klebt dann solche Furcht an den Holzhütten?) Es sind doch nur ein paar Jugendliche. (Aber wer soll sonst die Katze ermordet haben?) Es ist doch nur ein Schauermärchen. (Ab...