Oliver, Scarlett und Grayson liefen die ersten Meter schweigend neben den alten Gleisen entlang zurück in die Richtung, in der sie das Lagerfeuer vermuteten.
Zumindest bis Oliver es schaffte, über eine der Schienen zu stolpern. Erschrocken schrie er auf, hielt sich an der Person fest, die ihm am nächsten war und riss Grayson so auf unelegante Weise mit sich nach unten.
Scarlett hustete, aber ihr Husten klang verdächtig nach trockenem Lachen. Oliver wurde rot wie eine reife Tomate: „Sorry, Grayson." Grayson schüttelte nur den Kopf, lächelte aber und klopfte sich etwas von der staubigen Erde von den Händen (Gott sei Dank hat es schon so lange mich mehr geregnet! Sonst wär hier doch garantiert alles voller Schlamm!) (Wie blind willst du eigentlich sein, Oliver? Die Schienen hier sind nicht einmal moosbewachsen!).„Wenn genau jetzt ein Zug vorbeigefahren wäre; glaubst du, ihr wärt rechtzeitig vom Gleis gekommen?", fragte Scarlett. Grayson wandte sich ihr zu und ging vielleicht ein paar Zentimeter näher auf sie zu, als unbedingt notwendig gewesen wären, aber hey, wer misst das schon (13 Zentimeter).
„Natürlich. Man würde den Zug ja hören."
„Du meinst also, ihr hättet beide überlebt?"
„Wir hätten beide überlebt."
„Aber du kannst es nicht wirklich sicher sagen, denn ihr wart ja nie in der Situation. Es könnte doch sein, dass ihr ausgerechnet in der Sekunde einen Wadenkrampf kriegt. Oder irgendwie ... erstarrt. Vor lauter Schreck."
„Wir hätten überlebt."„Hey, es tut mir wirklich leid euer überaus intelligentes Gespräch stören zu müssen, aber ich stecke fest!", meldete sich Oliver mit gepresster Stimme und zog demonstrativ an seinem linken Bein.
Scarlett sah Grayson mit hochgezogenen Augenbrauen an und Grayson lächelte das Lächeln eines (glücklichen) Verlierers, bevor sie sich zu Oliver drehten, der fassungslos auf seinen Schuh starrte: „Ich stecke fest. Verdammt, ich stecke wirklich fest!" (Du wiederholst dich, Oliver.)
„Hallo.", sagte eine Mädchenstimme leise neben ihnen und alle drei fuhren erschrocken herum – wobei der immer noch feststeckende Oliver leider aufs Gleisbett fiel.
Mantha lächelte ihnen höflich zu, doch das nette Lächeln wurde nicht erwidert.
„Warst du nicht bei Samantha und Amber?", fragte Scarlett schließlich stirnrunzelnd. Mantha wurde rot: „Ja, also ... alles okay?" Oliver hob, überrascht über diese direkte Ansprache, die Augenbrauen: „Ich ... ja. Ich stecke nur ein ganz kleines bisschen fest."
„Dann musst du den Schuh ausziehen.", sagte Mantha, leise aber bestimmt. „Das ist Sam letztes Jahr auch passiert, und sie musste einfach nur den Schuh ausziehen."
Oliver sah auf der Suche nach einer zweiten Meinung zu Scarlett und Grayson, die beide mit den Schultern zuckten. Also schnürte er seinen Schuh auf und zog ihn aus. Dann stellte er sich wieder aufrecht hin, als würde er auf die nächste Anweisung warten.
„Jetzt solltest du den Schuh vielleicht wieder nehmen.", meinte Scarlett schließlich und Oliver nickte, als hätte er das jetzt sowieso vorgehabt, bevor er mit beiden Händen an dem Schuh zog und ihn schließlich so aus dem Gleisbett befreien konnte: „Hey, das hat funktioniert! Danke!"
Mantha lächelte zufrieden. Und jetzt begann eine sehr lange Minute, in der die vier Jugendlichen unbehaglich herumstanden, unschlüssig, was sie jetzt tun oder sagen sollten.
„Ähm.", sagte Mantha. „Gehen wir ... zurück?"
„Ach verdammt, die Legende!", stöhnte Oliver. „Wir haben sie garantiert verpasst!"
„Wir können rennen.", schlug Grayson vor, aber Oliver sah ihn an, als hätte er soeben vorgeschlagen, einen Eisbären zu streicheln: „Rennen?! Du willst deine letzten Kräfte dazu benutzen, zu rennen?!"
„Meine letzten Kräfte?! Oliver, ich stehe nicht auf der Schwelle zum Tod."„Wenn du jetzt rennst wirst du das sehr wohl tun."
„Was ist jetzt eigentlich mit dem Vorschlag, einfach zurückzugehen, passiert?", bemerkte Scarlett.
„Meint ihr die Legende des Bluttausches?", fragte Mantha gleichzeitig mit vor Aufregung blitzenden Augen.„JA!", rief Oliver so laut, dass ein paar Vögel erschrocken davonflogen. „Siehst du, Grayson?! Sie existiert!"
„Nur weil sie existiert, heißt das nicht, dass sie wahr ist."
„Mein Bruder hat mir von der Legende erzählt, aber er konnte sich nur noch an Bruchstücke erinnern und Grayson hier wollte mir die Geschichte nicht glauben, weil eben wichtige Teile fehlten, und heute wollten wir eigentlich von den fehlenden Teilen erfahren, und -" (Denk ans Atmen, Oliver)„Ich kenne die Geschichte auswendig.", verkündete Mantha plötzlich laut. Olivers Pupillen weiteten sich, Scarletts Augen wurden groß und Graysons linker Fuß rutschte etwas über die Erde.
„Wir sind gerettet!", sagte Oliver begeistert und streckte die Arme aus, als wollte er Mantha umarmen. Mantha lächelte schüchtern und überraschte sie alle damit, Oliver dann tatsächlich zu umarmen, dessen rote Gesichtsfarbe dabei schon etwas bräunlich wurde. Er hüstelte, als könnte er damit irgendetwas überspielen.
„Du kennst die Geschichte auswendig?", fragte Scarlett und sah Oliver belustigt und etwas besorgt an. Grayson rutschte fast unmerklich ein Stück näher zu ihr, ließ seine Hand dicht neben ihrer in der Luft hängen. Oliver war der einzige der es bemerkte und er unterdrückte ein Grinsen; immerhin konnte er seine Mundbewegungen noch kontrollieren – anders als seine immer noch erstaunlich bunte Gesichtsfarbe.
„Ja. Ich ... ich war schon oft hier und die Geschichte hat mich eigentlich schon immer fasziniert. Also, ich kann sie euch erzählen."
„HA!", machte Oliver und zeigte mit dem Zeigefinger auf Grayson. „Jetzt endlich bekommt die Geschichte Gerechtigkeit vor deinem Gericht!"
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The curse above us
Terror„WILLKOMMEN IN CAMP GREENWITCH" Es ist doch nur ein Sommercamp. (Aber wieso klebt dann solche Furcht an den Holzhütten?) Es sind doch nur ein paar Jugendliche. (Aber wer soll sonst die Katze ermordet haben?) Es ist doch nur ein Schauermärchen. (Ab...