Chapter 2

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Sehr geehrte Passagiere, in den nächsten Minuten erreichen wir Nevada. Bitte schnallen Sie sich an und bleiben Sie sitzen bis Sie zum Aufstehen aufgefordert werden. Vielen Dank für Ihre Reise mit unserer Fluglinie."

Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir ein gänzlich anderes Bild als noch in New York. Statt unzähligen Hochhäusern sah man viel Wüste und wenige Ansammlungen mit Häusern. Mein Heimatstaat... Das letzte mal das ich hier war ist inzwischen schon über ein Jahr her.

Nach ein paar Minuten durften wir dann aussteigen. Ich ließ mir Zeit und drängte mich nicht zwischen die anderen, die möglichst schnell heraus wollten. Ich hab Zeit. Auf dem Boden angekommen, atmete ich erstmal tief die frische Luft ein. Die war hier doch ganz anders als in New York. Dann rief ich mir ein Taxi. Erstmal schöne Blumen und ein paar Pralinen kaufen, dann endlich zu meiner Familie. Unterwegs entdeckte ich auch noch ein kleines Massagestudio, in dem ich meiner Mutter noch einen Gutschein kaufte. „Jetzt bitte nach Fernley.", sagte ich zum Taxifahrer und er nickte. Die Fahrt über betrachtete ich die Landschaft und fühlte mich dabei direkt wie zuhause. Früher war das mein alltäglicher Anblick und ich konnte nicht anders als zu lächeln. Die Ruhe hier war unglaublich, zumindest im Vergleich zur Stadt die nie schläft...

Fernley war eine etwas größere Kleinstadt mit circa 20.000 Einwohnern, die wir nach einer Stunde Fahrt erreichten. Meine Familie lebte etwas am Rand, in einer dieser typisch amerikanischen Straßen. Links und rechts Häuser, in der Mitte eine breite Straße mit Fußwegen und Palmen auf den Grünstreifen. Ich bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Mit meinem Koffer und der Tasche mit den Geschenken lief ich zum Haus. Es ist nicht riesig, aber wahnsinnig gemütlich. Ein schlichtes unauffälliges Vorstadthaus. Es dämmerte bereits und drinnen waren alle Zimmer erleuchtet. Ich konnte sehen, wie die Zwillinge umher rannten und sich miteinander stritten. Mum versuchte währenddessen Coley zum Essen zu bewegen, während Maddy noch Hausaufgaben machte. Die anderen konnte ich nicht sehen. Grinsend ging ich zur Tür und drücke auf die Klingel.

Schon Sekunden später wurde sie aufgerissen und Dave stand davor. Kurz schaute er mich an, dann schien er zu realisieren wer da vor ihm stand und er fiel mir in die Arme. „Janine!" Von seinem Schrei wurden auch die anderen aufmerksam und kurz darauf standen auch Duke, James, Maddy und Mum an der Tür. „Das ist ja eine Überraschung!". rief meine Mutter erfreut. „Ich dachte ich komm dich an deinem Geburtstag besuchen.", erklärte ich lächelnd. Nach der Begrüßung sah ich mich um. Alles war wie immer. Ich bin in diesem Haus aufgewachsen und seit ich denken konnte war alles genau so. Links und rechts neben der Tür standen Ablagen für die Schuhe. Wie immer lagen mehr Schuhe davor als darin. Dahinter kamen die Garderoben für die Jacken, dann mittig im Flur eine große Holztreppe auf deren Stufen sich allerlei Spielzeuge sammelten, die es nicht bis nach oben in die Kinderzimmer geschafft haben. Im ganzen Flur verteilt hingen Bilder an der Wand, Familien- und Kinderbilder von uns.

Durch einen offenen Durchgang gelang man ins Wohnzimmer, welches eine große Fensterfront hatte, von der aus wiederum eine Tür in den Garten führte. Dies war mein Lieblingszimmer, hier gab es einen Kamin mit gemütlichen Sesseln davor für kalte Tage und eine große Couchlandschaft mit einem absolut unpassendem Kastenfernseher. Laut meiner Mutter hatte sie sich diesen im College gekauft. ‚Der neuen Technik kann man nicht vertrauen, die sind dafür gemacht, dass sie kurz nach der Garantie kaputt gehen und man sie neu kaufen muss' Sie war eigentlich eine sehr moderne Frau, außer es ging um Technik. Daher hatten wir neben dem um die 30 Jahre alten Fernseher auch ein Kabeltelefon und einen Computer aus dem letzten Jahrhundert.

An das Wohnzimmer schloss sich direkt die Küche an, in die niemals alle gleichzeitig passen würden. Ich frage mich immer noch wie Mum es darin täglich schafft, Essen für die ganze Familie zu machen. Den Kühlschrank konnte man nur erahnen, so viele gemalte Bilder hingen daran. Hinter der Küche kam das Esszimmer, wo auch der Computer stand . Außerdem gab es hier im Erdgeschoss noch ein Bad, das Schlafzimmer meiner Mutter und der Hauswirtschaftsraum, wo zwei Waschmaschinen und drei Trockner (von denen immer mindestens einer kaputt ist), standen. Im ersten Stock waren dann alle Kinderimmer, wobei nicht jeder ein eigenes Zimmer. Seit ich ausgezogen bin, haben James und Hope ein eigenes, die Zwillinge teilen sich eins, genau wie Maddy und Coley. Das eigentliche Problem war, dass es auch oben nur ein weiteres Badezimmer gab, was morgens eigentlich immer zu Stress führte.

„Wo sind die anderen?", wollte ich wissen und sah mich suchend um. „ Coley ist auf dem Sofa, Hope ist in ihrem Zimmer." Als ich das Wohnzimmer betrat, entdeckte ich Coley. Mit seinen verstrubbelten blonden Haaren und dem Hosenanzug sah er wirklich süß aus. Etwas schüchtern sah er mich an. Kein Wunder, immerhin kennt er mich kaum. Als er geboren wurde, war ich schon ausgezogen. Bei Hope ist das ähnlich, Mum hat sie mit 11, also vor fünf Jahren, adoptiert. Dazu kommt, dass sie ohnehin sehr schüchtern ist und nur sehr langsam Vertrauen fasst. Coley hingegen war ein sehr aufgeweckter vierjähriger Junge.

„Na Kleiner" Ich setzte mich aufs Sofa und holte etwas aus der Geschenketüte. „Bin nischt klein", meckerte er sofort, „was ist das?" Grinsend reichte ich ihm das kleine Geschenk. Sofort riss er es auseinander. „Ein neues Auto! Guck mal Mama!", rief er aufgeregt und hatte jegliche Schüchternheit überwunden. Ich reichte auch den anderen ihre kleinen Geschenke, für die Zwillinge jeweils neue Handyhülle mit New York Aufdruck, für Maddy eine Schneekugel mit der Freiheitsstatue und für James einen Anhänger einer berühmten New Yorker Basketball Mannschaft. „Du bekommst deine Geschenke morgen", sagte ich zu Mum, „ich geh mal zu Hope."

Vorsichtig klopfte ich an die Holztür auf der in glitzernden Buchstaben HOPE stand. „Ja?", hörte ich eine leise Stimme. „Oh, hallo Janine" „Hey Hope. Ich hab noch was für dich." Das zierliche braunhaarige Mädchen saß auf dem Bett und sah mich aufmerksam an. Sie war recht groß, schlank und trug ein farblich gut zu ihren Haaren passendes schlichtes blaues Kleid. Immer wenn ich sie sehe bin ich erstaunt, wie sehr sie sich entwickelt hat. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, war sie viel kleiner und sehr ängstlich. Inzwischen ist sie ein deutlich glücklicheres und wirklich hübsches Mädchen, das es immer besser schafft für sich einzustehen. Mum erzählt öfter mal begeistert von ihrer Entwicklung. Im Gegensatz zu den anderen ging sie auf eine private ‚Girls Only' Schule, da sie dort einfach viel besser zurecht kam.

Ich ging ein Stück auf das Bett zu und setzte mich auf die Kante. Ich legte das kleine pinke Päckchen aufs Bett, von wo sie es sich direkt griff. „Danke", sagte sie schüchtern. Ganz vorsichtig griff sie nach dem Geschenk und öffnete es so behutsam, als wolle sie das Papier danach gleich nochmal benutzen wollen. Eine Schneekugel mit einer Ballerina darin, die man unten aufziehen konnte, sodass Musik erklang, kam zum Vorschein. Hopes Augen strahlten. Mum hatte mir erzählt, dass sie Ballett tanzte und es ihr wohl großen Spaß macht. „Gefällt es dir?" „Ja, sehr. Vielen Dank." „Gerne. Ich geh dann mal wieder runter, ich muss unbedingt was essen."

Während Hope weiter die Schneekugel betrachtete, ging ich nach unten, wo Mum noch immer versuchte, Coley ins Bett zu bringen. Der jedoch hatte viel zu viel Energie und war gerade sehr mit seinem neuem Auto beschäftigt. Lächelnd beugte ich mich zu dem kleinen Jungen mit den kurzen verstrubbelten Haaren. „Willst du nicht langsam ins Bett, kleiner Mann? Du kannst ja morgen weiterspielen, aber du bist bestimmt schon sehr müde." Kurz sah es aus als würde er protestieren wollen, doch dann nickte er und lief tatsächlich nach oben. „Endlich", seufzte Mum, „er hört immer besser auf Personen, die er nicht so gut kennt." „Aber ins Bett bringen lässt er sich von mir bestimmt noch nicht" „Nein, das darf nicht einmal James", meinte sie lächelnd, „ich muss ihm jeden Abend noch etwas vorlesen." Mit diesen Worten verschwand sie nach oben.

Ich suchte mir in der Küche etwas zu essen und setzte mich dann zu James an den Esstisch. Er sah genauso aus, wie man sich einen siebzehnjährigen Basketballspieler vorstellt. Blonde kurze Haare, sportlich und definitiv ein Herzensbrecher an der High School. Als Kind war er noch ein wenig pummelig, aber mit der Zeit hatte er immer mehr Spaß am Sport gefunden und trainierte nun fast täglich.

„Ich finds echt cool das du da bist", meinte er und ich musste lächeln. „Das freut mich. Wie lief dein Basketballspiel?" „Wie haben gewonnen, es war echt gut." „Na das ist ja ein perfekter Saisonstart. Glückwunsch! Wann ist das nächste Spiel?" „Danke, in zwei Wochen haben wir ein Auswärtsspiel an einer anderen Highschool und danach die Woche direkt wieder ein Heimspiel." Man merkte ihm an, wie viel Spaß ihm der Sport bereitete. Wir unterhielten uns noch ein wenig bis er mir dann eine gute Nacht wünschte und sich nach oben verabschiedete. Ein wenig redete ich noch mit Mum, doch da ich durch den Flug und die Zeitverschiebung recht müde war, legte ich mich recht bald zum Schlafen ins Gästezimmer. Es tat gut wieder hier zu sein, ich sollte wirklich öfter kommen.

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