Familienzeit
Nachdem wir an diesem Samstag alle gemeinsam gefrühstückt und Mum unsere Geschenke gegeben hatten, wollten wir einen Spaziergang machen. Während Mum Maddy noch schnell die Haare machte, half ich Coley sich anzuziehen. Es ist gar nicht so einfach einem vierjährigen, der gedanklich quasi schon losrannte, Schuhe anzuziehen. Er zappelte und wollte partout nicht stillhalten, geschweige denn sich überhaupt setzen. Nach ein paar Minuten hatten wir es aber dann geschafft und es konnte endlich losgehen.
Wir liefen in Richtung der Berge. Früher war ich oft dort gewesen, es ist einfach total schön. Man hat einen tollen Blick über Nevada. Coley und Maddy liefen vorneweg, trotz der fünf Jahre Altersunterschied konnten sie gut zusammen spielen. Die Zwillinge liefen ein Stück weiter hinten und unterhielten sich über irgendein neues Videospiel. "Ich war viel zu lange nicht hier", meinte ich seufzend. „Du solltest uns öfter besuchen kommen", schlug James vor. „Ich würde so gerne. Vielleicht klappt es jetzt öfter wo ich den neuen Job habe." „Und bring deinen Verlobten doch mal wieder mit, er gehört jetzt auch zur Familie", meinte Mum erfreut. Ein bitteres Gefühl machte sich in mir breit. Ich liebe meine Familie über alles. Aber Andrew liebe ich auch. Warum kann es nicht einfacher sein? Meine Familie ist ein fester Bestandteil meines Lebens, warum kann er nichr auch zu ihnen gehören. Es wäre einfacher wenn wir gemeinsam nach Nevada fliegen könnten und ich müsste keine Kompromisse zwischen ihm und meiner Familie finden.
"Ich versuche es, er hat nur auch immer so viel zu tun", erwiderte ich bloß und lenkte dann schnell vom Thema ab: "ist bei dir denn mal ein Mann in Aussicht?" Mum lachte laut auf. "Bloß nicht, das geht doch immer schief." Nachdem Dad vor zehn Jahren an Lungenkrebs gestorben ist, hatte sie für etwa ein Jahr etwas mit Thomas, einem kleinkarierten Steuerberater. Die Beziehung war von Anfang an zum Scheitern beurteilt, immerhin hatte Mum den Tod von Dad noch lange nicht verarbeitet. Aus dieser kurzen Beziehung entstand dann Maddy. Kaum wusste er von der Schwangerschaft, war er weg und ließ erst fünf Jahre später wieder etwas von sich hören. Die beiden hatten wieder etwas miteinander und Coley wurde neun Monate später geboren. Thomas blieb diesmal länger und versuchte ein einigermaßen guter Vater zu sein, doch er schaffte es nicht. Er kam immer seltener uńd mittlerweile sieht man ihn nur noch ein- oder zweimal im Jahr. Mum hatte hin und wieder kurze Beziehungen mit verschiedensten Männern, doch keiner blieb lange. Und als Hope dann da war, ließ sie das ganze Thema sein und konzentrierte sich nur noch auf ihre Kinder und die Arbeit. Hope hat Angst vor fremden Männern und sie hätte sich zuhause nie wohl gefühlt, wenn Mum ihre Dates mitgebracht hätte.
"Ich bin zufrieden so wie es ist. Ich habe vielleicht keinen Mann aber dafür die besten Kinder die man sich vorstellen kann. Und so einen wie Arthur finde ich ohnehin nie wieder."
Einige Minuten später erreichten wir eine schöne Aussichtsplattform. Während meine Geschwister sich auf dieser verteilten, blieb ich mit Mum davor stehen. Ich erzählte ihr von den Plänen, die Andrew und ich für die Hochzeit gemacht hatten. Es sollte ziemlich groß werden, erst im kleinen Kreis im Standesamt und dann in einer wunderschönen Hochzeitslocation in New York. „Ihr kommt doch oder?"
„Selbstverständlich. Aber ich weiß nicht ob ich mir für alle sechs und mich ein Flugticket leisten kann. Vielleicht komme ich nur mit James und eine Freundin passt auf die anderen auf.", überlegte sie. „Auf keinen Fall, jeder der kommen will soll auch kommen. Ich zahl dir sonst die Tickets. Schlafen könnt ihr mit bei uns, das sollte irgendwie passen. Dankbar sah sie mich an. „Das ist toll von dir. Wir kommen sehr sehr gerne zu deiner Hochzeit. Nur mit sechs Kindern die alle noch kein eigenes Geld verdienen ist es dich oft etwas knapp." „Das glaub ich dir. Das Haus, Essen, Strom und Wasser, Kleidung, Schulsachen und so weiter ist ja nicht gerade günstig." „Ganz besonders Hopes Privatschule. Ich glaube das ist mit das teuerste. Aber dafür das es ihr gut geht zahl ich das gerne." Ich lächelte. Mum hatte sich schon immer hinten angestellt um ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen.
Sie leitete eine größere Firma und hatte das Glück inzwischen nicht mehr so viel arbeiten zu müssen. Trotzdem blieb neben Kindern, Arbeit und Haushalt nicht viel Zeit. Nicht mehr lange, dann wollte sie sich zur Ruhe setzen und sich mehr Zeit für sich selbst nehmen. Wir unterhielten uns noch ein wenig über die Arbeit und ich redete über meinen Job, bis Coley dann quengelte und weiter wollte.
Zwei Stunden später kamen wir wieder am Haus an. "Kommst du mit in den Garten?", fragte Duke und ich nickte. "Gerne. Was wollt ihr machen?" "Ich zeig dir was ich beim Turnen gelernt habe", verkündete Maddy stolz und schob sich vor Duke. "Und wir üben Spielzüge fürs Footballtraining." "Die beiden sind ganz verrückt nach Football spielen und trainieren jeden Tag seit sie bei den großen mitspielen dürfen.", erklärte James grinsend. "Irgendwann werden wir auch mal so gut wie du, nur im Football. Vielleicht spielen wir ja mal in der NFL", warf Dave scherzhaft ein. "Na wers glaubt", feixte James und wuschelte Dave liebevoll durch die Haare.
Gemeinsam gingen wir in den Garten. Auch hier hatte sich kaum etwas verändertert und ich fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt. Der Garten war im Vergleich zum Haus deutlich größer. Vor dem Haus war ganz vorne eine asphaltierten Fläche auf der zwei Autos, Mums Transporter in den alle passen und James kleiner Gebrauchtwagen, der seine beste Zeit lange hinter sich hatte, standen. Ein schmaler Weg führte zur Veranda, links und rechts waren verwucherte Blumenbeete. Während links vom Haus direkt der Gartenzaun des Nachbarhauses war, führte rechts ein niedriges Tor mit verblätterter brauner Farbe in den Garten, der bis hinters Haus verlief. Zunächst gab es eine relativ große freie Fläche auf der ein Basketballkorb und ein Fußballtor standen, dann kam ein Klettergerüst mit zwei Schaukeln und eine Rutsche. Überall blätterte die Farbe etwas ab oder man konnte Rost erkennen, aber es war noch genauso schön wie früher. Hinter dem Haus gab es eine größere Terrasse mit einem langen Tisch und mehreren Sesseln und einen Pool um den drei gemütliche Gartenliegen unter einem Sonnenschirm standen.
Ich setzte mich auf eine davon und Maddy führte mir einen Handstand und ein Rad vor. Ich klatschte und jubelte ihr zu, was sie sofort zum lächeln brachte. "Macht dir das Turnen Spaß?" "Ja, aber einmal die Woche reicht mir. Das ist echt anstrengend. Ich lese lieber" Maddy war noch nie ein großer Sportsfan gewesen aber es freute mich das sie etwas gefunden hatte, was ihr Spaß machte. Ich mache auch nicht viel Sport, in der Highschool war ich nur mal eine zeitlang erst im Schwimm- und dann im Cheerleading Team, aber während meiner Studienzeit hatte ich meine Freude im Laufen gefunden. Ich liebte es morgens wenn es noch ganz ruhig ist und die Sonne gerade erst aufgeht ein paar Kilometer zu joggen und konnte mir keinen besseren Start in den Tag vorstellen.
Nachdem mir Maddy noch ein bisschen mehr gezeigt hatte, schaute ich noch zu wie die Zwillinge gegen James und Coley Football spielten. Es war lustig mit anzusehen, immerhin konnten nur die Zwillinge den Sport richtig. James machte mit seiner Sportlichkeit ihr Können jedoch wett, im Gegensatz zu ihm schienen alle anderen unsportlich und Coley lief einfach ohne jegliche Spielregeln zu kennen zwischen ihnen her und versuchte mit dem ovalen Ball normalen Fußball zu spielen, was die Zwillinge ziemlich nervte. "Man du nervst, du machst den Ball kaputt", schimpfte Duke und schubste seinen kleinen Bruder leicht weg. Der kleine fing sofort an zu weinen. "Er ist vier, lass ihn doch in Ruhe", mischte sich James ein.
Ich nahm Coley hoch um ihn zu trösten. "Wie wärs wenn wir beide einen gaaanz großen Turm im Sandkasten bauen? Der wird so groß das Duke ganz neidisch wird." "Au ja!", rief er begeistert und rannte, kaum das ich ihn abgesetzt hatte, zum Sandkasten. "Spielt ruhig weiter, aber bitte seid nächstes Mal ein bisschen vorsichtiger. Wie James gesagt hat, er ist erst vier und kennt halt bis jetzt nur Fußball. Okay?" Auf ihr Nicken hin, drehte ich mich um und spielte den restlichen Abend mit Coley, bis es irgendwann Essen gab und wir noch gemeinsam einen Film ansahen. Schade das ich schon bald wieder weg muss...
DU LIEST GERADE
Everything for them
Teen FictionJanine ist gerade 25 Jahre alt, steht zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums in einer Großstadt Großbritanniens mitten im Leben und will bald heiraten. Die junge Ärztin hat erst kürzlich einen Job als Stationsärztin in einer der besten Kliniken Ne...