Konsequenzen
Nachdem ich selbst noch circa zwei Stunden geschlafen hatte, klingelte mein Wecker. Ich legte Hope noch einen Zettel hin und machte mich dann auf den Weg zur Polizeistation. Auf dem Weg machte ich mir die ganze Zeit Vorwürfe. Ich hätte ihn einfach noch nicht gehen lassen dürfen. Hoffentlich geht es ihm gut. Gleichzeitig war ich aber auch wirklich wütend, alleine wegen dem Schock den ich gestern wegen James durch den Anruf bekommen habe.
Bei der Station angekommen parkte ich das Auto meiner Mutter und lief nach innen. Es war nichts los, kein Wunder es ist immerhin erst 6 Uhr morgens. Am Empfang saß eine freundlich lächelnde Polizistin, auf die ich nun zuging. „Hallo ich bin Janine Collister, ich bin hier um meinen Bruder James abzuholen." „Alles klar, ich sage eben meinem Kollegen Bescheid. Der kümmert sich um alles weitere." Nach einem kurzen Telefonat kam ein etwas fülliger Polizist mit einer runden Brille und Glatze auf uns zu. Er reichte mir die Hand. „Guten Morgen. Kommen Sie mit ich bringe sie zu ihm."
Ich folgte dem Polizisten zu einem durch eine Tür abgetrennten Bereich, in den man nur mit einer speziellen Chipkarte kam. Er hielt seine davor und die Tür schwang auf. Dahinter befanden sich mehrere aneinandergereihte Zellen. „Minderjährige kommen immer alleine in eine Zelle.", erklärte er und deutete auf eine der kleinen Zellen rechts. Sie war nur mit dem nötigsten ausgestattet. Ein kleines Waschbecken, eine metallene Toilette und eine harte Pritsche. Auf dieser entdeckte ich jetzt James. Er hatte sich zusammen gerollt und den Kopf in seinen Händen versteckt. Wirklich zu schlafen schien er aber nicht.
„Aufstehen", rief der Polizist harsch und klopfte gegen die Gitterstäbe. James schreckte hoch und sah sich kurz verwirrt um, bis er sich wieder orientiert hatte. „Janine", er sprang auf und lief auf die Tür zu. Als der Polizist die Tür öffnete und er heraus ging war ihm anzusehen, wie froh er war da raus zu sein. Das muss auch für ihn ein ziemlicher Schock gewesen sein. Wie Hope gestern gesagt, ist er eigentlich sehr vernünftig und baut nur selten Scheiße. Sowas hat er noch nie geschafft.
Als er vor mir stand senkte er den Kopf und murmelte ein „Tut mir leid" „Geht es dir gut?", war das einzige, was ich erwiderte. „Hab Kopfschmerzen" , murmelte er. Selber Schuld dachte ich und wendete mich wieder dem Polizisten zu. „Sie müssen noch unterschreiben das Sie ihn wieder in Ihre Obhut genommen haben, dann können Sie Ihn mitnehmen."
Wir verließen den Trakt wieder und ich unterschrieb schnell das Formular. James bekam auch noch sein Handy und seine Schlüssel wieder. Sein Handy nahm ich direkt an mich, Hausarrest und Handyverbot ist jetzt wohl das mindeste. Danach konnten wir gehen. James lief still und langsam hinter mir her, während in mir die Wut brodelte. Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Doch ich hielt mich zurück bis wir im Auto saßen.
„Tu das nie wieder! Ich will nie wieder wegen dir von der Polizei angerufen werden. Weißt du eigentlich was ich für Angst hatte als ich gestern den Anruf bekommen habe?! Die ganze Nacht hab ich mir Sorgen gemacht. Mal ganz abgesehen davon war das was du gemacht hast einfach nur gefährlich. Alkohol ist eine Droge, du hättest im Krankenhaus liegen können! Vielleicht sogar mit langfristig bleibenden Schäden! Natürlich darfst du auch ein bisschen trinken, aber doch nicht so viel das du dich nicht mehr unter Kontrolle hast. Genauso kommt es dann zu solchen Prügeleien. Du hättest ernsthaft verletzt werden können, ist dir das eigentlich klar? Ich-", doch ich sprach nicht weiter, denn ein Blick auf James zeigte mir das es genug war.
Die ganze Fahrt bis nach Hause hatte ich ihm eine Predigt gehalten, bei der mir nicht aufgefallen war, dass er angefangen hatte zu weinen. Schluchzend saß er neben mir und schien gar nicht mitbekommen zu haben das ich aufgehört hatte.
Ich stieg aus und ging auf seine Seite, wo ich ihn leicht aus dem Wagen zog und direkt in meine Arme nahm. „Ich hatte wirklich Angst das dir etwas passiert ist. Das hätte ich mir nie verziehen.", sagte ich leise während ich ihm sanft über den Rücken strich. „Es tut mir so leid. Ich wollte das alles nicht.", erwiderte er schluchzend. „Komm wir setzen uns rein und reden ganz in Ruhe über alles."
Drinne machte ich uns beiden einen Tee, wie ich es in der Nacht auch für Hope und mich gemacht hatte. James lag eingerollt auf dem Sofa als ich wiederkam und mich überkam ein merkwürdiges Gefühl. Schnell stellte ich die Tassen ab und ging näher zu ihm. „Hast du noch mehr Schmerzen als nur die Kopfschmerzen?", fragte ich sanft. „Mein Bauch tut weh. Und ich bin so müde" „Okay, dann schau ich mir erstmal deinen Bauch an, gebe dir was gegen die Schmerzen und dann kannst du ja ein wenig schlafen." Vorsichtig schob ich sein Shirt hoch. Mehrere Hämatome, wahrscheinlich von der Prügelei, kamen zum Vorschein.
Sanft tastete ich seinen Bauch ab, zum Glück waren es nur oberflächliche Verletzungen. Anschließend holte ich eine kühlende Salbe, welche ich auftrug und gab ihm Tabletten gegen die Schmerzen und den Kater. „War es schlimm in der Zelle?", fragte ich dann, während ich neben ihm sitzen blieb und ihm leicht über den rechten Arm strich. „Es war schrecklich", seine Stimme war mehr ein Flüstern, „am Anfang hab ich nicht viel mitbekommen, erst nach einer Weile als ich langsam nüchterner wurde. Das war ein richtiger Schock sich da eingesperrt vorzufinden. In den anderen Zellen waren nicht gerade angenehme Leute, die haben komische Sprüche gemacht, rumgeschrien und gegen die Stäbe geschlagen. Zwischendurch wurden sie von einem Polizisten angebrüllt, ruhig zu sein. Mit mir hat keiner der Polizisten geredet, erst nach einigen Stunde meinte jemand das ich frühs abgeholt werde. Ich hatte echt Angst da und habe keine Sekunde geschlafen. Du glaubst gar nicht wie froh ich war dich zu sehen."
„Ich bin wirklich froh das dir nicht mehr passiert ist. Gibt es einen Grund warum das gestern so eskaliert ist?" „Am Anfang war alles gut, wir haben ein bisschen gefeiert und ein wenig getrunken. Eigentlich dachte ich ja auch, dass wir in einen Club gehen, aber dann sind wir doch zu einer privaten Feier gefahren. Deswegen konnte ich überhaupt Alkohol trinken. Aber plötzlich wurde dann wurde der Gedanke an Mum immer präsenter. Und alles andere, die Angst vor dem was jetzt kommt, wie es weitergehen soll und diese Wut, weil das alles so unfair ist. Mir ist da erst richtig klar geworden, dass sie nie wieder kommt. Das sie für immer weg ist. Ich hab immer mehr getrunken und plötzlich ging es mir besser. Der Alkohol hat mir geholfen, es war als ob er mich das alles vergessen lassen würde. Klar weiß ich wie dumm das ist, aber in dem Moment habe ich nicht daran gedacht. Plötzlich waren die ganzen blöden Gefühle einfach weg. Das hat so gut getan, dass ich immer mehr getrunken habe. Irgendwann sind wir raus und haben in einem Kiosk noch mehr getrunken. Ab dann weiß ich nichts mehr, hab einen totalen Filmriss. Ich weiß nur durch einen Polizisten das ich mich geprügelt habe."
„Es ist keine Lösung zu versuchen seine Probleme mit Alkohol zu vergessen. Aber ich weiß das dir das bewusst ist, wir werden trotzdem nochmal darüber reden. Es war aber auch mein Fehler, ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen. Du bist noch ganz am Beginn der Trauerphase, da denkt man oft nicht rational. Das mit dem Blackout ist ganz normal wenn man so viel Alkohol trinkt. Versuch jetzt ein wenig zu schlafen, ich bleibe in der Nähe. Wir reden später nochmal, okay?" „Okay"
Einige Stunden später kam Hope nach Hause. Coley war bei einem Freund aus dem Kindergarten, zu dem sie ihn gebracht hatte und danach war sie noch zum Balletttraining gegangen. Die Zwillinge und Maddy waren oben in ihren Zimmern und hatten sich den Tag über kaum blicken lassen. „Unser Verbrecher ist ja wieder da", meinte sie grinsend als ihr Blick auf den gerade aufgewachten James fiel. Auch ich musste grinsen. „Haha", meinte dieser sarkastisch, musste aber auch ein wenig lächeln. „Mach sowas nicht nochmal, ja?", sagte Hope dann und ließ sich neben ihn fallen. „Keine Sorge, da will ich wirklich nicht nochmal hin"
„Möchtet ihr etwas essen?", fragte ich die beiden dann. Beide nickten. „Aber können wir vielleicht Pizza bestellen?", fragte Hope vorsichtig und ich nickte lachend. „Schmeckt euch mein Essen etwa nicht?" Daraufhin mussten wir alle drei lachen. „Ich werde demnächst mal einen Kochkurs belegen. Was für eine Pizza möchtet ihr?" „Hawai", antwortete James. „Margaritha", sagte Hope. „Gut dann geh bitte einmal nach oben Hope und frage die anderen was sie wollen."
Eine knappe Stunde später saßen wir dann alle auf dem Sofa und aßen Pizza. Kaum waren wir fertig, klingelte es an der Tür. „Das muss die Frau vom Jugendamt sein. Bleibt sitzen, ich mache auf. Und benehmt, euch klar?" Alle nickten nervös.
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Everything for them
Teen FictionJanine ist gerade 25 Jahre alt, steht zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums in einer Großstadt Großbritanniens mitten im Leben und will bald heiraten. Die junge Ärztin hat erst kürzlich einen Job als Stationsärztin in einer der besten Kliniken Ne...