Kintsugi - Goldenes Zusammensetzen

Kapitel 9 - Heart of Steel

Stand and fight, live by your heart
Always one more try, I'm not afraid to die
Stand and fight, say what you feel
Born with a heart of steel

Manowar - Heart of Steel

Das erste Stück hatte Crowley gar nicht spielen wollen. Erst recht nicht zum Warmwerden. Eigentlich hatte er es nie wieder spielen wollen. Er hatte es in der Nacht geschrieben, nachdem sie sich im Park fast geküsst hatten. Die Melodie hatte ihn in den Wahnsinn getrieben, bis er sich endlich ans Klavier gesetzt hatte, um sie festzuhalten. Glücklicherweise war die Schallisolierung in seiner Wohnung hervorragend, sonst hätte es schon längst Probleme mit seinen Nachbarn gegeben.

Doch als Erziraphael neben ihm saß, haben seine Hände ungefragt die Kontrolle übernommen. Weil du es für ihn geschrieben hast, du Idiot. Diese Erkenntnis im Zusammenspiel mit der Tatsache, dass dieser Verfasser von unglaublichen Texten seine simple Melodie als wundervoll bezeichnete und ihn zeitgleich nahezu anstrahlte, brachte seine Entschlossenheit arg ins Wanken.

Es wäre so einfach gewesen, es auf sich beruhen zu lassen. Seinen Plan zu verwerfen und sich etwas weniger Riskantes zu überlegen. Vielleicht könnte er ja über Maggie und Nina irgendwie etwas Brauchbares herausfinden. Mit genügend Zeit wäre das eventuell eine Option.

Während er seinen Blick unruhig durch den Raum wandern ließ und mit sich rang, war er sich der Nähe des Anderen überdeutlich bewusst. Als er sich wieder zu ihm drehte und Erziraphael ihn noch immer aus leuchtenden Augen ansah, kostete es ihn jedes bisschen Selbstbeherrschung seine Hände auf den Tasten zu belassen.

Es gab keine Alternative. Ihm ging die Zeit aus. Er musste das Risiko eingehen. Auch, wenn er Erziraphael damit sicherlich mehr als nur ein wenig vor den Kopf stoßen würde. Vielleicht würde er ihm das im Gegensatz zu seiner dummen Finte mit Miss Campbell nie verzeihen geschweige denn vergeben können.

Doch, wenn er es nicht tun würde, bestand die immer größer werdende Gefahr, dass er einen nicht wieder gut zu machenden Fehler begehen würde. Weil er zu schwach war und irgendwann unweigerlich nachgeben würde. Und dann wäre Erziraphael unter Garantie nicht in der Lage ihm zu verzeihen.

Daher spielte er das zweite Stück trotz allem. Legte alles hinein, was er zu geben hatte. Nachdem er es beendet hatte, spürte er im ersten Moment die veränderte Atmosphäre über seine eigene Euphorie hinweg schlicht und ergreifend nicht. Zu sehr war er emotional noch in der Musik gefangen. Trotz der Kürze der Zeit war ihm der Song besser gelungen, als er zu hoffen gewagt hatte. Erst bei Erziraphaels zweitem Satz begriff er, dass etwas absolut nicht stimmte.

Scheiße. Scheiße. Scheiße. Sein Gehirn schien nur noch in der Lage sein dieses eine Wort zu wiederholen, als er das verräterische Glitzern in Erziraphaels Augen sah. Er wollte sich entschuldigen, musste sich entschuldigen, doch der Blonde ließ ihn nicht. Schlug um sich, wie ein verletztes Tier, dass man in die Enge getrieben hatte. Crowley wurde schlecht. Das hatte er nicht gewollt.

Sein Plan war denkbar einfach gewesen: Er wollte einen von Erziraphaels Texten als Grundlage für einen Song nutzen und ihn so damit und dem geheimen Teil seines Blogs konfrontieren. So überrumpelt, würde er sicherlich mit der Sprache herausrücken und Crowley hätte so an wertvolle Informationen kommen können. Informationen, die dabei helfen sollten, sein aberwitziges Herz in Ketten zu legen. Nun tat ihm jenes Herz mit jedem weiteren Schlag und jedem weiteren Wort aus Erziraphaels Mund mehr weh.