𝒦𝒶𝓅𝒾𝓉ℯ𝓁 5

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𝒟er Wecker klingelt laut in meinem Zimmer, doch ich bleibe einfach liegen und starre die Decke an. Ich wünschte, ich könnte einfach hierbleiben, mich unter der warmen Decke verstecken und die Welt draußen vergessen. Doch das bringt nichts. Früher oder später muss ich sowieso aufstehen. Ich seufze tief, schiebe die Decke zur Seite und zwinge mich, meine Füße aus dem Bett zu schwingen. Der kalte Mamor unter meinen Füßen fühlt sich genauso trostlos an wie mein Tag.

Es ist mein zweiter Tag an der Aetherium Academy, und ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Doch tief in mir habe ich dieses ungute Gefühl, dass es kein guter Tag wird. Es ist nicht so, dass ich Angst vor der Academy  an sich habe. Ich war schon oft genug die Neue, und ich weiß, wie das läuft. Aber dieses Mal ist es anders. Dies ist keine normale Academy. Dies ist eine Schule für Dämonen und Engel – eine Koexistenz, die alles andere als friedlich ist. Und ich, Seraphina, gehöre natürlich zu den Engeln.

Als ich in den Spiegel schaue, starre ich mein eigenes Gesicht an. Mein blondes Haar fällt mir in sanften Wellen über die Schultern, und meine grünen  Augen sehen mich an, als würden sie mich auslachen. „Engelchen", denke ich bitter. Ja, das bin ich, das „Engelchen". Schwach, zerbrechlich und vollkommen fehl am Platz in dieser Welt der Dunkelheit , aber ich werde nicht aufgeben.

Ich atme tief durch, versuche, die Angst in mir zu unterdrücken, und gehe durch das große Eingangstor. Sofort spüre ich die Blicke auf mir. Sie sind überall. Die Dämonen, die in kleinen Gruppen zusammenstehen, drehen ihre Köpfe und starren mich an, einige tuscheln, andere lachen leise. Ich versuche, mich nicht davon stören zu lassen, doch es fällt mir schwer. Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt, und meine Hände beginnen zu zittern. Ich halte die Tasche fester, als könnte sie mich beschützen, und gehe weiter.

Dann höre ich es. Eine tiefe Stimme, die mir Gänsehaut den Rücken hinunterjagt. „Na, Engelchen." Die Worte treffen mich wie ein Schlag, und ich bleibe stehen. Langsam drehe ich mich um und sehe ihn. Lucian. Ein Dämon, dessen bloße Präsenz die Luft um ihn herum zum Vibrieren bringt. Er steht da, mit seinem üblichen, überheblichen Grinsen im Gesicht. Seine schwarzen Haare fallen ihm wild ins Gesicht, und seine roten Augen glühen förmlich vor Bosheit. Um ihn herum stehen seine Freunde, eine Gruppe von Dämonen, die genauso schrecklich aussehen wie er. Doch keiner von ihnen hat diese furchteinflößende Aura wie Lucian.

Ich schlucke schwer. „Was willst du, Lucian?" Meine Stimme klingt schwächer, als ich es mir wünsche, und sofort bereue ich, überhaupt etwas gesagt zu haben.

Er lacht leise, ein dunkles, kehliges Lachen, das mir durch Mark und Bein geht. „Was ich will? Oh, Engelchen, ich will nur Spaß haben. Und weißt du, es macht einfach so viel Spaß, dich zu sehen. So verloren, so... hilflos." Er kommt auf mich zu, seine Augen lassen mich nicht los. „Ich frage mich, was du hier verloren hast. Hier ist kein Platz für solche wie dich. Du passt nicht hierher, Engelchen."

Ich spüre, wie sich die Tränen in meinen Augen sammeln, aber ich zwinge mich, sie zurückzuhalten. Nicht weinen. Nicht vor ihm. Das würde ihm nur noch mehr Freude bereiten.

Lucian bleibt direkt vor mir stehen und beugt sich leicht zu mir hinunter. „Weißt du, Engelchen, ich frage mich, wie lange du es hier noch aushältst. Vielleicht sollten wir dich ein wenig testen, um zu sehen, wie stark du wirklich bist." Seine Hand greift nach meinem Arm, und ich versuche, mich loszureißen, doch sein Griff ist fest, viel zu fest. Er zieht mich näher zu sich, und ich kann seinen Atem auf meiner Haut spüren. „Oder vielleicht sollten wir einfach sehen, wie schnell du brichst."

„Lass mich los", flüstere ich, aber meine Stimme bricht. Die anderen Dämonen um uns herum lachen, als würden sie eine Show sehen, und für sie ist es das wahrscheinlich auch.

Lucians Griff wird noch fester, und ich kann spüren, wie meine Haut unter seinem Griff brennt. Es ist nicht das erste Mal, dass er das tut. Doch dieses Mal fühlt es sich schlimmer an. „Oder was, Engelchen? Was wirst du tun? Beten? Glaubst du, das wird dir helfen?" Seine Augen glitzern vor Spott, und ich sehe das Vergnügen in seinem Gesicht.

„Hör auf", sage ich diesmal lauter, versuche, mutig zu klingen, obwohl die Angst mich fast erdrückt.

Doch Lucian lacht nur noch lauter. „Oh, Engelchen, du bist wirklich naiv" Dann lässt er mich plötzlich los, als hätte er das Interesse verloren. Ich stolpere zurück, meine Beine fühlen sich wackelig an, und mein Arm pocht vor Schmerz.

„Pass auf dich auf, Engelchen", sagt er mit einem hämischen Grinsen. „Man weiß nie, was hier passieren könnte." Dann dreht er sich um und geht, seine Freunde folgen ihm, lachen und machen sich über mich lustig. Ihre Stimmen hallen in meinem Kopf wider, und ich stehe da, unfähig, mich zu rühren.

Für einen Moment denke ich, dass es vorbei ist, doch dann merke ich, wie alle anderen Schüler mich anstarren. Niemand hilft mir. Niemand sagt ein Wort. Es ist, als wäre ich unsichtbar. Doch gleichzeitig fühle ich mich so schrecklich sichtbar, so ausgeliefert.

Ich drehe mich um und gehe hastig den Flur entlang, versuche, die Tränen zurückzuhalten, die mir jetzt heiß über die Wangen laufen. Ich will einfach nur weg. Weg von hier, weg von allem. Doch wohin soll ich gehen? 

Der Unterricht beginnt, und ich setze mich auf meinen Platz, ganz hinten in der Klasse, wo ich hoffe, unsichtbar zu sein. Doch es hilft nichts. Während der gesamten Stunde spüre ich die Blicke auf mir. Die Dämonen werfen mir immer wieder spöttische Blicke zu, einige werfen mir zerknüllte Papierkugeln auf den Tisch oder flüstern Beleidigungen. Ich versuche, sie zu ignorieren, mich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber es ist unmöglich.

Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Lucian und seinen Worten zurück. Warum hasst er mich so sehr? Warum finden sie es so amüsant, mich zu demütigen ? Ich verstehe es nicht. Ich habe ihn in den zwei Tagen nichts getan.

Am Ende des Tages fühle ich mich ausgelaugt, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Meine Füße schleifen über den Boden, als ich das Schulgebäude verlasse. Ich bin müde, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. 

Ich frage mich was ich getan habe damit er mich so fertig macht. Oder ist an den Gerüchten doch etwas dran. Ist er so herzlos ? So Gemein ? 


𝒜ℯ𝓉𝒽ℯ𝓇𝒾𝓊𝓂 𝒜𝒸𝒶𝒹ℯ𝓂𝓎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt