Ich war zwölf, als meine Eltern starben. Sie waren weg, für immer und ich wurde in ein Kinderheim gesteckt. Weit weg von meinem Zuhause und meinen Freunden. Verwandte hatte ich keine. Es blieb keine andere Möglichkeit als das Heim. Ich war jung und hatte Angst. Andere Kinder wurden mit mir aufgenommen. Ich sah die Furcht in ihren Augen, die Trauer, den Schmerz. Aber ich konnte ihnen nicht helfen und noch weniger mir. In kleinen Gruppen wurden wir täglich zu einer Frau geschickt. „Sprich über deine Gefühle. Öffne dich uns", wurde mir gesagt und ich wurde in die Gruppe gesteckt. Ich sah mir die bemitleidenswerte kleine Gruppe der Kinder an, die ihre Eltern vor kurzem verloren hatten, unter ihnen war ich. Es gab Kinder, die ihre Gefühle preisgaben, aber ich gehörte zu den wenigen, die ihre Gefühle für sich behielten. Monate vergingen so, ohne dass ich sprach. Dann wurde ich adoptiert. Ein wohlhabendes Paar. Seit mehreren Jahren verheiratet. Sie hatten sich sofort in mich verliebt. Aus kurzen Besuchen wurden längere, bis es dann zur Adoption kam. Ich hatte keine Geschwister. Nur meine Adoptiveltern, die ebenfalls keine weiteren Kinder hatten. Schließlich bekam ich meine Kräfte. Keine normalen Kräfte. Es ist wie zaubern, aber nicht sehr magisch. Ich kann mich noch genau an die Nacht erinnern, in der ich Sie bekam.
Es war Winter und ich hatte meinen Adoptiveltern gesagt, ich würde mit einer Freundin lernen. Stattdessen lief ich alleine durch eine der gefährlichsten Straßen der Stadt. Viele Abende verbrachte ich dort, ohne Furcht. Ich meinte, keine Angst vor dem Tod zu haben. Ich dachte bloß an meine verstorbenen Eltern und hoffte, sie nach dem Sterben wiedersehen zu können. An die Gegend hatte ich mich gewöhnt. Aber an die Blicke einiger Leute, die mich wie Wölfe ansahen, die ein junges Kaninchen sahen, würde ich mich niemals gewöhnen können. Ich wollte die Straße überqueren, sah ein Auto auf mich zukommen und wagte es. Ich trat auf die Straße und das Letzte, was ich sah, war das grelle Licht der Scheinwerfer des Autos, das in mich fuhr. Ich habe nur noch wenige Erinnerungen daran, was danach geschah. Ich erinnere mich an den Mond, den Schnee, auf dem ich lag. Ich war nicht mehr beim Unfallort. Jemand drückte meine Hand und sprach etwas, das ich nicht verstehen konnte. Ich lag ruhig da, bis sich meine Augen wieder schlossen. In der Nacht bekam ich meine Kräfte. Ich bekam sie von Damien.
Damien hatte mir das beste Geschenk meines Lebens gemacht. Er war mir völlig fremd, während er alles von mir wusste und meine Eltern kannte. Er ist nicht viel älter als ich, aber er ist auf mich angesetzt. Er fühlt, was ich fühle. Er hatte die Aufgabe, mir die Kräfte zu geben. Sein ganzes Leben richtet sich nach mir. Er bingt mir bei, meine Kräfte zu kontrollieren. Er ist da, wenn ich seine Hilfe brauche. Aber in ihm steckt mehr als nur ein von mir abhängiger, hilfsbereiter Junge, er kennt die Vergangenheit meiner Eltern, die ich von ihm wissen möchte, aber er hatte noch nie etwas erwähnt, bis auf, dass mein Vater ihm seine Kräfte gab. Er bekam sie, als er noch jung war. Er lag im Sterben im Krankenhaus. Mein Vater hatte es gespürt und ihm die Kräfte gegeben, bevor es zu spät war. Auch ich lag im Sterben, als Damien mir die Kräfte gab. Durch den Unfall hatte ich innere Blutungen, eine schlimme Verletzung am Kopf und mehrere Knochenbrüche. Das Gute ist, dass die Kräfte einen heilen, bis man ins Alter kommt, wo nichts mehr zu retten ist und man doch stirbt.
Ich hoffte jeden Tag darauf, zu sterben, meine Eltern wiederzusehen und nie mehr auf die Erde ohne sie zurückkehren zu müssen. Aber durch meine Kräfte, Dinge zu steuern durch Kraft der Natur, dachte ich nicht mehr an den Tod, sondern den Kampf, bis zu meinem Tod. Den Kampf des Lebens.