Während Harry mit seinen Gedanken im Gryffindor-Gemeinschaftsraum kämpfte, saß Cassian in der privaten Wohnung seines Vaters in den Kerkern und stocherte in seinem Essen. Das Abendessen mit seinem Vater war für gewöhnlich eine ruhige Angelegenheit, dominiert von kurzen Gesprächen über den Tag und viel Stille. Doch heute war Cassian abwesender als sonst. Er kaute langsam, starrte auf seinen Teller und antwortete nur einsilbig auf Severus' gelegentliche Bemerkungen. Severus hob schließlich den Blick und musterte seinen Sohn aufmerksam.
»Ist bei der Nachhilfe etwas vorgefallen?«, fragte er beiläufig, obwohl seine Stimme verriet, dass es ihm nicht wirklich egal war. Cassian hob den Kopf und schüttelte sofort den Kopf.
»Nein, alles in Ordnung«, sagte er schnell und wandte seinen Blick ab. »Harry macht gute Fortschritte.«
»Mhm.« Severus gab ein kurzes, nachdenkliches Brummen von sich, während er seine Gabel auf den Teller legte. Er war ein Meister darin, die Stimmung anderer Menschen zu erkennen, auch wenn er dies selten zeigte. Und heute war eindeutig etwas anders. Doch er ließ es vorerst dabei, auch wenn er wusste, dass das Gespräch noch nicht zu Ende war. Sie aßen eine Weile schweigend weiter. Das gelegentliche Klappern von Besteck auf Porzellan und das leise Knistern des Feuers im Kamin waren die einzigen Geräusche im Raum. Severus nahm einen Schluck Wasser, ließ seinen Blick auf Cassian ruhen und beschloss, ein neues Thema anzusprechen.
»Dumbledore will also wirklich wieder einen Weihnachtsball veranstalten«, sagte er in einem Ton, der andeutete, dass er selbst alles andere als begeistert davon war. »Ich nehme an, es wird ein ähnlich übertriebener Zirkus wie beim letzten Mal.« Cassian zuckte nur mit den Schultern.
»Vielleicht«, murmelte er und stocherte weiter in seinem Essen herum. Severus' Augen verengten sich leicht.
»Du scheinst nicht sonderlich begeistert zu sein«, bemerkte er ruhig. »Was bedrückt dich, Cassian?« Cassian schwieg, während sein Herz schneller zu schlagen begann. Er hatte gehofft, dass dieses Gespräch vermieden werden könnte, dass er nicht darüber reden müsste. Doch sein Vater kannte ihn zu gut. Wenn er jetzt auswich, würde es nur zu weiteren Fragen führen.
»Es ist nichts, wirklich«, sagte er leise.
»Cass«, sagte Severus, und seine Stimme nahm einen festeren Ton an, »ich kenne dich besser, als du denkst. Etwas beschäftigt dich, und es hat nicht nur mit dem Weihnachtsball zu tun. Sprich.« Cassian spürte, wie ein Kloß in seinem Hals größer wurde. Sein Herz hämmerte, und seine Gedanken rasten. Sollte er es sagen? War jetzt der richtige Zeitpunkt? Die Angst und Unsicherheit nagten an ihm, aber auch das Wissen, dass er es früher oder später würde aussprechen müssen. Er sah seinen Vater an, den Mann, der ihn erzogen und beschützt hatte. Den Mann, dessen Urteil er am meisten fürchtete.
»Ich...«, Cassian schluckte schwer, ließ die Gabel sinken und legte die Hände in seinen Schoß. »Ich muss dir etwas sagen, Dad.« Er spürte, wie ihm plötzlich Tränen in die Augen stiegen, doch er hielt den Blickkontakt mit seinem Vater aufrecht. »I-ich bin schwul.« Ein schweres Schweigen erfüllte den Raum, so dicht, dass es Cassian fast die Luft zum Atmen nahm. Er beobachtete den Gesichtsausdruck seines Vaters, versuchte, darin eine Reaktion zu erkennen – Wut, Enttäuschung, Verständnis? Doch Severus' Gesicht blieb unergründlich, seine Augen fixierten einen Punkt auf dem Tisch. Die Sekunden vergingen, und Cassians Herz schien in seinem Brustkorb zu rasen. Das Schweigen seines Vaters fühlte sich an wie ein endloses Echo, das ihn umgab und zu erdrücken drohte.
»Dad...?«, flüsterte er, seine Stimme zitterte vor Unsicherheit. »Sag... sag etwas.« Doch Severus blieb stumm, seine Hände legten sich über den Tisch, die Finger ineinander verschränkt. Und in diesem Moment traf es Cassian wie ein Schlag in die Magengrube – er dachte, sein Vater würde es ablehnen. Die Tränen, die sich in seinen Augen gesammelt hatten, liefen ihm nun unaufhaltsam über die Wangen.
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Der Weg des Erben
FanfictionWas wäre, wenn Severus Snape nicht nur Geheimnisse und Bitterkeit in sich trüge, sondern auch einen Sohn, von dem niemand wusste? Cassian Snape, hochbegabt, rebellisch und voller Geheimnisse, kehrt nach einem Rauswurf aus Beauxbatons nach Hogwarts z...