Schatten der Macht

6 - Die Strahlende Ellania Fox

Die Luft im Studio war von gespannter Erwartung erfüllt, als Ellania Fox das Podium betrat. Die Kameras fuhren dicht heran, um den perfekten Moment einzufangen, und in den Augen des Publikums spiegelte sich die Faszination wider, die von dieser Frau ausging. Mit eleganten, aber entschlossenen Schritten trat sie ins Rampenlicht. Ihr maßgeschneiderter, cremefarbener Anzug saß tadellos, und jede Bewegung schien sorgfältig kalkuliert, aber mühelos. Sie war die Verkörperung von Erfolg, Macht und Anmut. Aber auch verwirklicht sie völlige Unschuld und Großherzigkeit, allgemein eine wundervolle und dafür verehrte Frau. Ihre Augen, blau wie der Himmel an einem klaren Wintermorgen, funkelten warm, während sie auf ihrem Platz gegenüber dem Moderator Platz nahm.

Der Moderator lächelte sie erwartungsvoll an, eine Mischung aus Bewunderung und Nervosität in seiner Stimme, als er die erste Frage stellte: „Ellania, es ist eine Ehre, Sie hier zu haben. Sie haben in so jungen Jahren das größte Unternehmen des Kontinents aufgebaut, und dennoch wirken Sie immer so bescheiden und zugänglich. Wie schaffen Sie es, mit all diesem Druck umzugehen?"

Ellania lächelte, das Lächeln, das ganz bewusst genau die richtige Balance zwischen Zugänglichkeit und professioneller Distanz hielt. „Oh, ich glaube, der Schlüssel liegt darin, sich an das zu erinnern, was wirklich zählt. Erfolg ist nie das Werk eines Einzelnen. Es ist das Ergebnis eines großartigen Teams und einer Vision, die größer ist als man selbst." Sie legte eine Pause ein, um den Raum mit ihrem Blick zu durchdringen, bevor sie hinzufügte: „Ich bin nur eine von vielen, die daran arbeiten, die Welt ein wenig besser zu machen."

Die Worte rollten perfekt von ihren Lippen, doch innerlich spürte Ellania nichts. Es war ein Skript, das sie seit Jahren meisterhaft beherrschte. Sie wusste genau, welche Knöpfe sie drücken musste, um die Bewunderung der Massen zu gewinnen. Die Zuschauer wollten sie als das Sweetheart der Nation sehen, also gab sie ihnen das. Ihre wahre Natur, die kalte Berechnung hinter jedem Schritt, blieb tief verborgen – weit weg von den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit.

„Sie sind nicht nur eine erfolgreiche Unternehmerin, sondern auch stark in gemeinnützigen Projekten engagiert. Die Fox Foundation leistet großartige Arbeit in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Wie finden Sie die Zeit, sich so umfassend einzubringen?", fuhr der Moderator fort.

Ellania lehnte sich leicht zurück, als ob die Frage sie wirklich zum Nachdenken brächte. „Ich glaube, es ist unsere Verantwortung, wenn wir eine Plattform haben, diese zu nutzen, um etwas zurückzugeben. Die Fox Foundation ist mir persönlich sehr wichtig, weil ich der festen Überzeugung bin, dass jeder Mensch die Chance auf eine bessere Zukunft verdient – unabhängig davon, woher er kommt."

Wieder einmal hörte sie sich selbst sprechen und wusste, dass jedes Wort durch und durch strategisch gewählt war. Ihr inneres Lächeln wurde breiter, unsichtbar für die Welt um sie herum. Die Fox Foundation war ein glänzendes Aushängeschild – und ein perfektes Werkzeug, um ihre Macht auszubauen. Der wahre Zweck ihrer Spenden war weit weniger selbstlos, als sie die Welt glauben ließ.

Als das Interview zu Ende ging und die Kameras erloschen, verschwand das freundliche Lächeln von Ellanias Gesicht. Sie erhob sich, schüttelte dem Moderator flüchtig die Hand und verließ das Studio, wo Sofia Delgado, ihre persönliche Assistentin, bereits wartete. Sofia war die perfekte Mischung aus Loyalität und Effizienz. Ihre makellose Erscheinung und ihr scharfes Auge waren für Ellania unentbehrlich.

„Das war wie immer brillant," kommentierte Sofia, während sie Ellania zum Auto begleitete, das vor dem Studio parkte.

„Natürlich," erwiderte Ellania kurz. „Was steht als Nächstes an?"

„Der Termin bei der Fox Foundation. Die Presse erwartet Sie in einer halben Stunde."

Ellania nickte und setzte sich auf den Rücksitz der Limousine. Während das Auto durch die Straßen der Stadt glitt, wanderte ihr Blick aus dem Fenster. Die Stadt unter ihr – ihr Territorium. Jeder Winkel dieser Welt schien von ihrer Anwesenheit berührt, jeder bedeutende wirtschaftliche Schritt trug ihre Handschrift. Doch obwohl sie von all dem umgeben war, spürte sie keine Verbundenheit. Es war eine Bühne, und sie war die Hauptdarstellerin.

Ihre Gedanken drifteten zu ihrem Unternehmen. Fox Industries – ein Imperium, das sie mit gnadenloser Entschlossenheit aufgebaut hatte. In den frühen Tagen war es ein kleines Start-up gewesen, das niemand ernst genommen hatte. Doch durch strategische Übernahmen, Kooperationen und gelegentlich auch... diskrete Ausschaltungen der Konkurrenz hatte sie es zu einem wirtschaftlichen Giganten gemacht. Das Unternehmen war mehr als nur Technologie – es war der Puls des modernen Lebens. Kommunikation, Sicherheit, Energie – alles lief über ihre Netzwerke.

Und dann waren da noch die zwei Menschen, die ihre engsten Vertrauten bildeten. Sofia war ihre rechte Hand, die Frau, die alle Details ihres öffentlichen und privaten Lebens organisierte, ohne Fragen zu stellen. Sie war effizient, kühl und verstand, wann es Zeit war, zu schweigen.

Der zweite war Jacob Meisner, ihr persönlicher Sekretär, ein Mann mit einer unauffälligen Erscheinung, aber einem analytischen Verstand, der jeder Situation gewachsen war. Jacob war derjenige, der die Fäden zog, wenn es um die wirklich heiklen Angelegenheiten ging – interne Untersuchungen, diskrete Verhandlungen, gelegentliche... Säuberungsaktionen. Er wusste, wann er handeln musste, und noch wichtiger: wann er nicht gesehen werden durfte.

Im Büro von Fox Industries schien alles in perfekter Harmonie abzulaufen. Der riesige Glasturm inmitten der Stadt symbolisierte nicht nur den Erfolg des Unternehmens, sondern auch Ellanias unaufhaltsamen Aufstieg an die Spitze. Ihr Büro auf der obersten Etage war kühl und minimalistisch eingerichtet, ein Spiegel ihrer pragmatischen Natur.

Sofia folgte ihr ins Büro und legte eine Mappe auf den Schreibtisch. „Die Pressekonferenz ist vorbereitet, und die Spendenbescheide für die Fox Foundation liegen zur Unterschrift bereit."

Ellania setzte sich hinter ihren Schreibtisch und öffnete die Mappe. Ihre Augen glitten über die Zahlen – Millionen, die in ihre Stiftung flossen, Millionen, die wiederum für ihre strategischen Interessen genutzt wurden. Ihr Wohltätigkeitsengagement war eine Fassade, die sie sorgfältig pflegte.

„Und Jacob?" fragte sie, ohne den Blick von den Dokumenten zu heben.

„Er erwartet Sie nach der Konferenz. Es gibt Neuigkeiten zu NorthTech," antwortete Sofia. Ihr Ton verriet nichts, aber Ellania wusste, dass es sich um etwas Wichtiges handelte.

Ellania unterschrieb die Papiere, ohne wirklich hinzusehen. Ihre Gedanken waren bereits bei NorthTech, einem ihrer härtesten Konkurrenten. In der Öffentlichkeit galt die Übernahme als gescheitert, doch Jacob arbeitete im Hintergrund an einer anderen Lösung. Ellania war nicht jemand, der sich von Niederlagen aufhalten ließ – sie formte die Welt nach ihren Vorstellungen.

Als sie sich wieder erhob, war ihr Gesicht wieder makellos. Zeit, das nächste Gesicht aufzusetzen – das der Philanthropin. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass der Tag kommen würde, an dem auch dieses Gesicht Risse bekommen könnte.