Ellania schritt durch den großen Ballsaal, als wäre sie die alleinige Herrscherin dieses Abends. In gewisser Weise war sie das auch. Jede Bewegung, jedes Lächeln und jeder Blick der Gäste schien von ihrer Präsenz beeinflusst. Die Gala war eine Bühne, und Ellania hatte die Hauptrolle inne – doch sie war sich bewusst, dass jeder im Raum auch ein Schauspieler war, jeder mit seiner eigenen Maske, seinen eigenen Absichten.
Die Begegnung mit David ließ ihr jedoch keine Ruhe. Sie hatte ihn abgewehrt, wie sie es immer tat, aber seine Worte hallten in ihrem Kopf nach: „Wir sind deine Familie." Familie. Ein Wort, das für sie seit Langem keine Bedeutung mehr hatte. Ihre Familie hatte sie in der Vergangenheit im Stich gelassen, als sie sie am dringendsten gebraucht hatte. Doch in den letzten Jahren, seitdem sie ihren eigenen Weg ging und Fox Industries immer mächtiger wurde, hatte sich etwas verändert. Ihr Bruder und ihr Vater beobachteten sie nun, boten scheinbar ihre Unterstützung an – doch was sie wirklich wollten, konnte sie nur erahnen.
Während sie sich durch die Menge bewegte, ergriff Sofia leise das Wort neben ihr. „Ellania, wir haben eine Anfrage von mehreren Investoren, die sich mit dir zusammensetzen möchten. Es scheint, als hätten sie Interesse, in unsere bevorstehenden Projekte zu investieren."
Ellania nickte nur knapp. „Sorge dafür, dass sie unter sich bleiben. Ich werde später mit ihnen sprechen." Ihre Gedanken waren noch bei dem, was David gesagt hatte, und gleichzeitig bei Aiden Blackwell. Arctech war gefährlich, und Aiden war ein Gegner, der wusste, wie man spielt. Sie konnte es sich nicht leisten, unaufmerksam zu sein.
Der Ballsaal war erfüllt von gedämpften Gesprächen, dem Klingen von Gläsern und dem gedämpften Lachen der Gäste. Es war eine perfekte Inszenierung, und Ellania wusste, dass sie der Mittelpunkt war. Doch die Tatsache, dass David und Thomas irgendwo in der Menge standen und sie beobachteten, ließ sie nicht los. Es war, als könnten sie spüren, dass ihre Tochter/Schwester, die sie einst ignoriert hatten, heute mächtiger war, als sie es je erwartet hätten.
Ellania war sich ihrer Position nur allzu bewusst. Sie war nicht länger das unscheinbare Mädchen, das im Schatten ihrer Brüder stand, während ihr Vater die Geschäfte führte und ihr Bruder die Lorbeeren erntete. Jetzt war sie eine Kraft, mit der man rechnen musste – und die Distanz, die sie zu ihrer Familie aufgebaut hatte, war Teil ihrer Schutzmauer.
Plötzlich spürte sie, wie sich die Energie im Raum veränderte. Sie blickte auf und sah Aiden Blackwell, wie er sich mit einer Gruppe von Männern unterhielt, die offensichtlich wichtige Entscheider waren. Sie konnte den Ton ihrer Gespräche nicht hören, aber sie musste es auch nicht. Aiden war charmant, charismatisch – und absolut rücksichtslos. Er hatte die Aufmerksamkeit dieser Investoren auf sich gezogen, und Ellania wusste, dass dies ein Machtspiel war. Er wollte die Kontrolle übernehmen, die Fäden in der Hand halten.
Doch sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie nahm ein Glas Champagner von einem vorbeigehenden Kellner und trat in die Nähe der Gruppe. Sie wartete einen Moment, ließ Aiden den Eindruck erwecken, er hätte die Situation vollständig im Griff, bevor sie sich unaufdringlich in das Gespräch einschaltete.
„Aiden," sagte sie mit einem strahlenden Lächeln, „ich hoffe, du erzählst diesen Herren nicht zu viele Details über deine Strategien. Du weißt ja, Geheimnisse sind in dieser Branche ein wertvolles Gut."
Die Männer, mit denen Aiden gesprochen hatte, schauten überrascht auf, offensichtlich von Ellanias plötzlichem Auftauchen beeindruckt. Aiden drehte sich langsam zu ihr um, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. „Ellania, es wäre unhöflich von mir, solch wichtige Informationen vor diesen ehrenwerten Herren zu verbergen."
Sie hielt seinen Blick fest. „Natürlich nicht. Aber man sollte immer vorsichtig sein, wem man was erzählt. Man weiß ja nie, wer wirklich zuhört."
Die Spannung in der Luft war spürbar, doch die Investoren schienen die unterschwellige Feindseligkeit zwischen ihnen nicht zu bemerken – oder sie genossen sie vielleicht. Machtspiele in den höchsten Kreisen waren nichts Neues.
Einer der Männer, ein älterer Herr mit grauem Haar und einem tadellos sitzenden Anzug, wandte sich an Ellania. „Miss Fox, es ist ein Vergnügen, Sie zu treffen. Ihre Arbeit bei Fox Industries ist beeindruckend. Es gibt nicht viele, die so schnell ein derartiges Imperium aufbauen."
Ellania lächelte charmant. „Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite. In dieser Branche braucht es nicht nur Visionen, sondern auch Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren."
„Das stimmt," mischte sich Aiden ein, sein Blick scharf. „Und genau deshalb werden diejenigen erfolgreich sein, die bereit sind, Risiken einzugehen und alte Strukturen hinter sich zu lassen."
Es war klar, worauf er anspielte. Arctech, sein Unternehmen, hatte in den letzten Monaten radikale Schritte unternommen, um sich neu zu positionieren. Sie investierten stark in neue Technologien und waren bereit, die Konkurrenz mit aggressiven Taktiken zu verdrängen. Doch Ellania war nicht gewillt, das Feld kampflos zu räumen.
„Manchmal," sagte sie ruhig, „ist es nicht das Risiko, das den Unterschied macht, sondern die Kontrolle. Wer die Kontrolle behält, gewinnt am Ende."
Aiden schnaubte leise, doch bevor er etwas erwidern konnte, kam einer der Kellner herbei und unterbrach die Spannung. „Miss Fox, es gibt jemanden, der Sie sprechen möchte."
Ellania nickte höflich und entschuldigte sich von der Gruppe, während sie dem Kellner folgte. Es war ein willkommener Ausweg aus der Konfrontation mit Aiden, die sie zwar nicht scheute, aber nicht an diesem Abend fortführen wollte. Noch nicht.
Sie folgte dem Kellner in einen abseits gelegenen Raum, in dem eine vertraute Gestalt auf sie wartete. Es war Jacob, ihr Vertrauensmann und einer ihrer engsten Berater. Sein Blick war ernst, als er sie begrüßte.
„Ellania," begann er leise, „es gibt Neuigkeiten, die du hören solltest."
Ellania nickte und trat näher an ihn heran. „Was ist passiert?"
Jacob reichte ihr ein Tablet, auf dem ein Bericht zu sehen war. „Aiden Blackwell. Wir haben seine neuesten Aktivitäten im Auge behalten, und es scheint, dass er eine Allianz mit mehreren unserer größten Investoren anstrebt. Wenn ihm das gelingt, könnte er Fox Industries gefährden."
Ellania betrachtete die Informationen mit schmalen Augen. Das war ein Problem, aber kein unlösbares. Aiden spielte ein gefährliches Spiel, und sie war bereit, darauf zu reagieren.
„Hast du Maßnahmen ergriffen?" fragte sie ruhig, ohne ihre Emotionen zu zeigen.
Jacob nickte. „Wir haben begonnen, einige seiner Kontakte zu destabilisieren. Es wird nicht einfach sein, aber wir sind dabei, die Fäden zu ziehen."
„Gut," sagte Ellania knapp. „Ich will nicht, dass er denkt, er könnte uns einfach überrennen. Halte ihn auf Distanz, und sorge dafür, dass wir weiterhin die Kontrolle behalten."
Jacob verneigte sich leicht und verließ den Raum. Ellania blieb allein zurück, ihr Blick starr auf den Bericht gerichtet. Aiden war gefährlich, aber sie war bereit, alles zu tun, um ihn zu besiegen. Er würde bald merken, dass er sich mit der falschen Gegnerin angelegt hatte.
Als sie den Raum verließ, um in die Gala zurückzukehren, spürte sie erneut die Blicke ihrer Familie. Doch diesmal war es ihr egal. Sie hatte einen Krieg vor sich, und dafür brauchte sie keine Familie. Nur sich selbst – und die eiserne Kontrolle, die sie über ihr Leben und ihre Geschäfte hatte.
Die Nacht war noch lang, und der Tanz der Schatten hatte gerade erst begonnen.
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Schatten der Macht
Novela JuvenilAls junge, brillante Unternehmerin steht Ellania Fox seit Jahren im Rampenlicht. Sie hat das erfolgreichste Unternehmen des Kontinents aus dem Nichts aufgebaut und zur unangefochtenen Marktführerin gemacht. Millionen bewundern sie als das "Sweethear...