„Geschafft!" Mottes Brüllen hallt durch die Wohnung, durch das ganze Haus, bis auf die Straße hinunter. Das haben wirklich alle gehört, selbst Frau Rabe ohne Hörgerät, die zwei Häuserblocks entfernt im Park sitzt und Enten mit Brot von vorletzter Woche füttert.
Motte rennt durch den Flur. Er hat es geschafft! Ja, das hat er! Er ist ein Held, ein Bezwinger, kein Looser, sondern ein Löser! Er hat den Zauberwürfel gelöst!
„Und wie lange hast du gebraucht?", fragt Tom, als sie zusammen auf dem Sofa sitzen und den Würfel betrachten, der wie ein edles Ausstellungsstück auf einem Samtkissen ruht.
„Nun ja, so genau kann man das nicht sagen. Zunächst war da ja die Versuchsphase und die Erforschungsphase, dann kam die Lernphase und danach die Einübungsphase. Die sollte man alle nicht mitrechnen. Und ..."
„Wusstest ihr, dass Computer für die Lösung nicht mal eine Sekunde benötigen. Die stellen sich nicht so dämlich an", unterbricht ihn Maggie und präsentiert auf ihrem Display ein Video, in dem ein Roboter den Würfel so schnell löst, dass man die Aufnahme in Zeitlupe anschauen muss, um Details erkennen zu können.
„Wenn schon, der Weg ist das Ziel", erwidert Motte.
„Ein langer Weg. Und so viel Zeit ...", sinniert Tom. „Was man stattdessen alles hätte tun können. Das Bad putzen, den Abfall runterbringen ..."
Sein Freund nickt langsam: „ ... fürs Studium lernen ..."
„ ... die Reste unseres Zahnpasta-Experiments aus der Wanne entfernen. Einen Baum pflanzen, bedrohte Koalabären schützen ..."
Motte hat sein Handy hervorgeholt und die Seite eines Spieleherstellers geöffnet. „Oh, sieh mal! Es gibt auch einen Zauberwürfel mit 4 Steinen je Seite."
Bestellung ist auf dem Weg, verkündet drei Sekunden später die Rückmeldung des Online-Shops.
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Tom und Motte - Kurzgeschichten im Microformat
HumorWitziges aus dem Dachgeschoß: Kurze Episoden aus dem Leben zweier Nerds, mit Spaghetti-Stampf, Legosteinen, die sich selbstständig machen, und der einen oder anderen Tasse Kaffee.