19 - Blutroter Wein

49 0 0
                                    

~ Nero ~

Alles, was ich gewollt hatte, war, sie zu markieren, weil dieser Bastard von meinem Bruder einen Knutschfleck auf ihr hinterlassen hatte. Ich hatte meinem Besitz meinen Stempel aufdrücken wollen. Und plötzlich war sie wie hypnotisiert, obwohl ich wusste, dass ich meine Kräfte nicht eingesetzt hatte. Ich fragte mich wirklich, was ich richtig gemacht hatte. Was ich vorher falsch gemacht hatte. Hätte ich gewusst, dass ihr Hals auf mehr als eine Art ihre Schwachstelle war, hätte ich mir das schon viel früher zunutze gemacht.

Das machte die Tatsache, dass sie sich mir plötzlich so öffnete, umso faszinierender.

Die Versuchung war einfach zu groß gewesen und wie hätte ich widerstehen können? Ich hatte viel zu lange nicht mehr ihr Blut gekostet. Dabei schmeckte es so viel besser als das der anderen. Voller, aromatischer, süßer. Es schmeckte, wie sie roch, aber noch intensiver. Nach Hitze, nach Leben, nach Energie. Ich schloss die Augen und atmete tief ihren Duft ein. Bei der verdammten Göttin, er berauschte mich. Ich biss mir in die Unterlippe, bevor ich mich vergessen konnte. Tio hatte recht, sie war noch nicht wieder fit genug. Und das war nicht meine Intention gewesen.

Hätte sie meinen Namen nicht nur gekeucht, auch gestöhnt, hätte mir das noch besser gefallen. So wie vorhin Tios. Ihr Stöhnen hatte durch das ganze Schloss gehallt und es hatte mich rastloser gemacht, als ich zugeben würde.

Stattdessen küsste sie meinen Hals – und erwischte mich damit kalt. Mit so einer Geste hatte ich nicht gerechnet. Ich fragte mich tatsächlich, was mit ihr los war. Sicher, ich übte eine natürlich hohe Anziehung auf Menschen aus. Das war Teil des Vampir-Daseins. Mit der Anziehung lockte ich meine Beute in die Falle. Aber Helena war bisher so unberührt davon gewesen, dass ich angenommen hatte, Luna hätte ihr eine natürliche Immunität dagegen gegeben. Und jetzt ging sie sogar aus sich heraus.

Sie verwirrte mich. Ihre plötzliche Anschmiegsamkeit verwirrte mich.

Und etwas in mir kippte.

Vielleicht war es das Misstrauen. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass mir nie etwas geschenkt wurde. Ich vertraute nicht auf Zufälle oder auf Stimmungsumschwünge, die alles ins Reine bringen würden. Das hier ... war seltsam. Auch – und meine Verwirrung wandelte sich in Frust – weil ich es nicht erwartet hatte. Sie verhielt sich unberechenbar. Ich wusste nicht, was in ihrem Kopf vorging, und ich konnte sie zwar zum Handeln bewegen, aber in ihren Geist sehen konnte ich nicht.

All diese Gedanken klärten meinen Kopf genug, um mich von ihr zu lösen und mich darauf zu besinnen, wo wir waren – und dass ich einen Zeitplan einzuhalten hatte.

„Ich ..." Stirnrunzelnd sah ich sie an. ‚Ich bin mir nicht sicher.'

Dass es so plötzlich gekommen war, verwirrte mich nicht nur, es fühlte sich auch falsch an, weil sie vorhin noch Tio gesagt hatte, dass sie ihn wollte. War sie so unentschlossen? Oder so verzweifelt? Was spielte sie für ein Spiel?

Ich trat weiter zurück, bis der Vorhang hinter mir raschelte. Abwesend zog ich ihn zur Seite.

„Wir sollten die Kleidung bezahlen", sagte ich und räusperte mich. „Ich habe nicht mehr viel Zeit." Der Mond würde heute am frühen Abend aufgehen. Bis dahin wollte ich wieder zu Hause sein.

Verwirrt sah Helena mir nach.

Je mehr Abstand ich zwischen uns brachte, desto mehr löste sich der Zauber. Ich sah es in ihren Augen. Sie blinzelte, dann wurde der benebelte Blick plötzlich klar – und Schock huschte über ihre Miene, als wäre ihr gerade bewusstgeworden, was wir getan hatten. Wie nah wir einander willentlich gewesen waren.

„Ja", murmelte sie und wandte sich fast panisch ab. „Ja, wir sollten die Sachen bezahlen." Sie nahm sie von den Haken und setzte nuschelnd hinzu: „Ich warte vorn auf dich."

Herzen der Finsternis - Sie brauchen dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt