Normalerweise gehe ich nicht in Clubs – vor allem, weil ich mit siebzehn ja noch zu jung dafür bin und es mir sowieso eher nervig vorstelle. Aber da der VIP-Bereich an Halloween speziell für uns reserviert ist, drückt der Club bei uns Zirkusleuten wohl beide Augen zu. Also lasse ich mich von Yele und Marco überreden.
Wir starten im Wohnwagen von Yele, wo schon mit einigen anderen Artisten vorgeglüht wird. Zum ersten Mal in meinem Leben trinke ich Alkohol. Zunächst spürte ich noch nichts, nur wie der Alkohol in meiner Kehle brannte, als wir einen Shot tranken.
Jetzt allerdings, wo schon einige Minuten vergangen sind merke ich, dass sich mein Kopf irgendwie leichter anfühlt, mein Körper warm, und mein Lachen wird lauter und freier. Alles scheint plötzlich einfach besser zu sein – selbst der Abend, der erst noch beginnt, wirkt perfekt.
Als wir dann im Club ankommen, erwartet uns die erste Überraschung: eine ewige Schlange in der Kälte. Anfangs stört mich das nicht wirklich, weil ich sofort bemerke, dass Nikita nur ein paar Meter hinter uns steht. Das macht alles negative – die Kälte, die Langeweile, die Wartezeit – irgendwie ... aufregend.
Ich höre mit einem Ohr Yele und Marco zu, die über irgendwas lachen, während mein anderes Ohr nur auf das kleinste Geräusch von hinten lauert, auf Nikitas warm-weiche Stimme.
Doch die Minuten ziehen sich, und die Begeisterung beginnt zu schwinden. Die Nachtluft wird eisiger, und selbst mit dem Alkohol im Blut merke ich, wie meine Finger klamm werden. Ich friere. Irgendjemand bietet Nikita eine Jacke an, die er aber ablehnt. Fast müsste ich lachen, denn natürlich kümmert sich niemand anders in der Schlange so wenig um die Kälte wie er. Selbst in der Kälte trägt er noch bauchfrei – dazu seine schwarze Pelzjacke, die ihn vermutlich sogar in Alaska warmhalten würde.
Endlich, nach fast zwei Stunden, werden wir reingelassen. Die Garderobe verlangt fünfzehn Euro pro Jacke. Fünfzehn Euro! Ich möchte fast laut protestieren, aber Yele gibt mir schnell einen ihrer Blicke, die sagen: Warte nur, das wird noch. Sie kennt den Club schon und weiß, dass es nur gut werden kann. Ich nehme meine Jacke also auf Risiko mit rein.
Als wir dann endlich im Hauptraum ankommen, entdecke ich die winzige Bar, die völlig überfüllt ist. Der Weg zu einem Getränk ist eine Mission, die ich schon jetzt aufgebe.
Dann kommt aber die Tanzfläche – und hier ändert sich alles. Meine Laune hebt sich, als der Bass mir bis in die Knochen fährt und die Menge in Nebel vor mir tanzt. Wir reihen uns in die Masse ein. Ich habe vergessen, wie es ist, sich so frei zu bewegen. Früher, als Kind, habe ich oft getanzt – Hip-Hop und ein wenig Paartanz, weil meine Mutter darauf bestand. Damals habe ich es gehasst, aber jetzt fühle ich, wie es in mir aufblüht. Eine Leichtigkeit, die die Welt um mich herum verschwimmen lässt.
Yele und Marco tanzen wild und lachen laut, und ich bin mittendrin, versunken in der Musik, frei von allem, was mich sonst beschäftigt. Ich verliere jedes Zeitgefühl, und auch die Anstrengungen der letzten Stunden sind vergessen. In diesen Moment bin ich vollkommen frei.
Erst später, als sich die Menge an der Bar etwas gelichtet hat, gehen wir rüber und holen uns Shots. Der Alkohol brennt in meinem Hals, und irgendwie gefällt es mir. Ich spüre, wie alles in diesem schimmernden Traumzustand verschwimmt. Ich lasse meinen Blick – schon halb im Rausch des Alkohols verschwommen – durch den Raum schweifen, und da sehe ich ihn.
Er steht an der Wand, halb im Schatten, seine Augen direkt auf mich gerichtet. Seine Hand lag im Nacken des Typen, den er küsste. Ich spüre, wie mein Magen sich zusammenzieht. Es fühlt sich an, als würde mein Herzschlag durch meinen ganzen Körper hallen. Ich verstehe nicht, warum es mich so packt – warum ich mich auf einmal nicht mehr bewegen kann.
Nikitas Augen sind nach wie vor auf mich gerichtet, selbst während seine Hände den Jungen an sich ziehen, und ich kann mich einfach nicht losreißen. Vielleicht verwechsele ich etwas. Vielleicht sieht er nicht mich an. Vielleicht schaut er nur ins Nirgendwo und ich stehe zufällig in diesem Nirgendwo. Oder ich habe Halluzinationen.
Meine Freunde stehen direkt neben mir, aber ich bin wie in einem anderen Universum gefangen, das nur aus diesem einen Augenblick besteht.
Dann zieht mich Yele zurück auf die Tanzfläche, und das Gefühl lässt ein wenig nach. Der Rest des Abends geht im Nebel von Musik, Lachen und Tanzen unter. Die Lichter verschwimmen, und ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden vergangen sind, bis wir schließlich in ein Taxi steigen und zum Zirkus zurückfahren.
Zurück in meinem Wohnwagen lege ich mich ins Bett, immer noch beschwipst und müde, aber irgendwie auch glücklich. Mein Kopf dröhnt leicht, mein Körper ist erschöpft, und meine Augen fallen fast von selbst zu. Doch der Gedanke an Nikita, an diesen einen Moment, in dem er mich angesehen hat, brennt noch in meinem Kopf. Ich lächle, während ich die Augen schließe, und ein kleines Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus.
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Nikita
Romance„Ich hatte noch nie was mit Nikita." Fast alle tranken ihren Shot. Alle, stellte ich fest, außer mir und meinen Freunden. Nikita wirkte völlig unbeeindruckt, saß da mit seinem typischen, amüsierten Lächeln, als könnte ihm niemand etwas anhaben. „Sol...