«4» the broken soldier

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Song: See Her Out - Francis and the Lights

Joe's P.O.V

Fünfzehn elende Minuten habe ich auf dem Bürgersteig gestanden und Tracys Wagen hinterhergestarrt.
Fünfzehn verdammte Minuten, in denen ich erneut meine Existenz überdenken konnte, nachdem ich das Mädchen, das ich liebe, davonfahren sehen habe.

Sie ist weg. Im fast äußersten Norden des Bundesstaates hinter hohen Mauern eingesperrt.
Und es ist meine Schuld. Dieser Satz spukt immer und immer wieder durch meinen Kopf und ich weiß, dass er die Wahrheit, meine - unsere - Realität widerspiegelt.
Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Ich hätte vorsichtiger sein müssen.

Bis vor knapp fünf Wochen ist es mein Job gewesen, vorsichtig, vorausschauend und strategisch zu sein. Keine Fehler, keine noch so kleinen Fehltritte. Disziplin, Ausdauer. Logik über alles.
Keine Gefühle, keine Emotionen, sondern vorausschauendes, professionelles Handeln, um Menschenleben zu schützen.

Meinen Rauswurf habe ich so was von verdient.
Auch wenn Tracy mir mein schlechtes Gewissen während unserer letzten, viel zu kurzen, gemeinsamen Zeit in der Waldhütte etwas ausreden konnte. Seitdem ich ihre süße Stimme nicht mehr hören kann, gibt es nichts mehr, dass sich ausgleichend auf die harte, dunkle Stimme in meinem Kopf auswirkt.

Ich trug während der gesamten Zeit die Verantwortung und auch wenn Tracy mich die Kontrolle verlieren lassen hat, ich hätte mich in dieser Sonntagnacht nicht in ihr Zimmer schleichen dürfen.
Damit habe ich uns ein viel zu schnelles Ende bereitet.
Denn auch, wenn Tracys Eltern uns nicht für immer auseinanderhalten können und wir so verblieben sind, dass ich mein Mädchen im nächsten Sommer nach ihrem Abschluss wiedersehen darf, steht diese temporäre Trennung für ein Ende.

Das Ende unseres Anfangs, dem ersten, aufregendsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte.
Ich habe ihr gerade erst sagen können, dass ich sie liebe. Gerade erst habe ich diese drei unbeschreiblichen Worte zurück gehört.
Und jetzt? Funkstille.

Die abgelegene Hütte im Nationalpark war wie eine Oase, die uns erlaubt hat, unsere Masken vollständig von unseren Gesichtern zu ziehen, unsere Mauern gänzlich in sich zusammenfallen zu lassen.
Tracy hat mir erlaubt, sie zu sehen und als natürliche Konsequenz habe ich ihr das gleiche Hoheitsrecht eingeräumt.

Wir haben einen solchen Ort gebraucht. Einen Ort, an dem es nur uns gab.
Denn die Welt hier draußen versteht uns nicht. Sie will uns nicht.
Wir konnten uns gehen lassen und sind süchtig nach der Freiheit geworden, die wir zwischen den hohen Bäumen gefunden haben.
Freiheit, die zu einer Droge wurde, und die uns direkt an den Abgrund manövriert hat.

Mit dieser Realisation stand ich neben der Straße und mit ihr im Gepäck bin ich in das kleine Studioapartment zurückgekehrt, das ich außerhalb Lansings gefunden habe.
Seit der Waldhütte konnte ich Tracy nicht mehr so berühren, wie ich wollte, wie ich es brauche.
Ich muss sie spüren, sie halten, ihren Atem auf meiner Haut und ihren Herzschlag gegen meine Lippen pochen spüren, um sicher zu sein, dass es ihr gut geht. Dass sie keine Angst empfindet.

Schon jetzt weiß ich tief in meinem Inneren, in diesem dunklen Teil in mir, der sich bereits Anfang des Sommers von der aufmüpfigen Gouverneurstochter herausgefordert gefühlt hat, dass ich mich nicht so lange von Tracy fernhalten kann.
Während der Gespräche, die wir mit ihren Eltern geführt habe, konnte ich mich kaum in meinem angewiesenen Stuhl halten.

Natürlich haben sie uns so weit auseinander gesetzt, wie es in Mr. Patricks Büro irgend möglich war.
Ich durfte Tracy nicht begrüßen, sie nicht mal umarmen. Ihre grünen Augen waren das Einzige, was mich in den Stunden der schleppenden Unterhaltung über Wasser hielt.
Dieses Mädchen hat die unglaubliche Gabe, mir in solchen Momenten vorzugaukeln, dass es nur uns gibt.

Dass es nur unser Atem ist, den wir hören können, dass es nur unser Geruch ist, der in der Luft liegt und dass es nur uns gibt, auf die wir uns konzentrieren müssen.
Genau das macht den braunhaarigen Wildfang so gefährlich.
Jetzt bin ich übriggebliebenen und kann mir nicht mal mehr in die Augen sehen.

Jeden Abend vor dem Spiegel in meinem winzigen Badezimmer halte ich meinen Blick gesenkt, um die Konfrontation mit dem Antlitz eines Versagers zu vermeiden.
Die Tattoos auf meinen Wangen haben mich nie gestört. Bis jetzt. Jetzt kann ich sie nicht mehr sehen.
Nicht, seitdem ich die Blicke von Tracys Vater bemerkt habe, als wir uns in seinem Büro schräg gegenüber gesessen haben.

Seine kalten Augen haben mein Gesicht gemustert und mir ist nicht entgangen, wie angewidert er seinen Mund verzogen hat, als er an den kleinen Bildern unter meinem Auge und neben meinen Lippen hängengeblieben ist.
Angewidert, dass der Mann, mit dem seine Tochter geschlafen hat, Zeichnungen unter seiner Gesichtshaut hat.

Identifikationsmerkmal der untersten Schicht der Gesellschaft.
Als Personenschützer, der jederzeit sein Leben, für das seiner Tochter geben würde, war ich gerade recht.
Doch nicht als der Mann, der von Tracy aus dem Dreck gehoben wird - mehr noch; der Mann, zu dem sie plötzlich aufblickt, weil sie etwas in ihm gesehen hat, dass unmöglich der Realität entsprechen kann.

Richard hasst mich. Das habe ich mehr als einmal deutlich zu spüren bekommen.
Die Blutergüsse an meinem Arm, nachdem er mich von seiner Tochter gerissen hat, waren Beweis genug.
Ich wünschte, ich könnte Tracys Abwehrhaltung einnehmen und jede Anschuldigung von mir weisen, so wie sie es in den letzten Wochen getan hat.

Sie hat mich verteidigt. Vor jeder Anschuldigung, jeder Beleidigung und jeder Drohung; vor ihren Eltern.
Und auch, wenn ich es nicht zulassen werde, dass Mr. Patricksons Stimme das Narrativ hinter meiner Stirn übernimmt, kann ich nicht jede Anklage von mir weisen.

All die Dinge, die er mir von Vertrauensbruch und Machtmissbrauch an den Kopf geworfen hat, habe ich angenommen, denn es waren Vorwürfe, die ich mir bereits selbst machte, bevor wir aufgeflogen sind.
Doch der mit Abstand schrecklichste Part dieser angespannten Gespräche war der, als Tracy über das wahre Ausmaß ihrer Panikattacken und Rikkys Misshandlungen gesprochen hat.

Ich wollte nicht dabei sein, wenn sie den Namen dieses unwürdigen Hundes in den Mund nahm. Ich habe sie gewarnt, dass ich die Fassung verlieren könnte, aber sie wollte mich dabeihaben.
Und neben einem kaputten Sitzpolster, in das ich meine vor Wut zitternden Finger gebohrt habe, ist nichts passiert.

Es bereitet mir Unbehagen, dass Tracy eine Gesprächstherapie in Glen Arbor beginnen soll.
Auch wenn ich derjenige war, der sie dazu gedrängt hat, reinen Tisch mit ihren Eltern zu machen und eine Therapie anzufangen.
Ich wollte, dass sie sich ohne Zwang eine Person aussuchen kann, mit der sie sich wohlfühlt und zu der sie ein gewisses Vertrauen aufbauen kann.

Stattdessen ist sie nun dem hauseigenen Psychologen des Internats ausgeliefert.
Während unseres letzten Video-Anrufes habe ich ihr angesehen, dass sie dazu nicht bereit ist.
Ich habe den Widerstand und die Verzweiflung aus ihren Augen schreien sehen.
Doch ich konnte nichts machen. Ich war machtlos und habe auf meinem Bett gesessen, genau wie ich es jetzt tue.

Meinem Bett, in dem ich nicht schlafen kann.
Ich weiß noch nicht wie, aber ich weiß, dass ich sie wiedersehen muss. Bald.

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Ahhhhh, endlich wieder Joooeee :)
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe ihn vermisst, hrhr

Meine Süßes, ich will versuchen noch den Schluss der EMAs mitzubekommen, also bis morgennnn <3

All my Love,
Lisa xoxo

Safeguarded [a spicy Romance🔥]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt