EINS

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Oh, Mist! Es geht schon wieder los! „Mum?!" Keighley polterte durchs Haus, zum Zimmer ihrer Mutter. Diese sah von ihrem Wäschestapel auf. „Oh, Süße!" sagte sie und betrachtete Keighleys steife, ausgestreckte Arme. „Warte, ich hole deine Tabletten, dann wird das schon wieder..." „Nein Mum!", ihre Mutter zuckte leicht zusammen doch Keighley war es egal. „Ich gehe unter diesen Tabletten unter! Und was habe ich davon? Nichts! Es hört für zwei Tage auf, danach geht es wieder los! Ich will das nicht mehr!" Sie hoffte ihre Mutter würde antworten aber diese senkte den Kopf und schwieg, also fuhr Keighley fort: „Was ist das? Du weißt es, also sag es mir doch einfach!" Keighley wurde schlecht vor Wut und sie wollte immer weiter reden, doch als sie ihre Mutter musterte tat es ihr plötzlich leid. Sie sah erschöpft aus, und so alt. Sie hatte dunkle Augenringe und ihre Augen waren feucht. Ich muss hart bleiben, dachte sich Keighley, sonst bekomme ich nie Antworten! Also starrte sie ihr kühl in die Augen. Nach einer Weile seufzte ihre Mutter, legte den Wäschestapel beiseite und ging zur Tür. „Ich geh mit deinem Vater sprechen", war das letzte und einzige, was sie sagte und bevor Keighley antworten konnte hatte sie die Tür hinter sich geschlossen. Schuldgefühle stiegen in Keighley und ließen sich nicht runterschlucken. Ich habe ein Recht darauf zu erfahren was mit mir passiert! , machte sie sich klar. Sie wollte ihrer Mutter nachlaufen, doch die Tür war geschlossen. Sie versuchte verzweifelt, die Tür zu öffnen, doch ihre Arme waren immer noch erhoben und unbeweglich. Ihr kam der Gedanke, ihre Mutter habe die Tür mit Absicht geschlossen, doch das war nur ein weiterer Grund, warum sie unbedingt raus wollte. Sie versuchte es erst mit einer Hand, unmöglich. Danach mit dem Mund, lächerlich. Schließlich hob sie ihren Fuß und drehte mit aller Kraft den Türknauf. Still triumphierend schlich sie in Richtung Küche, von der aus sie deutlich die Stimmen ihrer Eltern hören konnte: „...aber Amy, sie ist 15! Anscheinend kann man es nicht aufhalten..." Keighleys Mutter schnitt ihrem Vater das Wort ab: „Du weißt genau was mir Sorgen bereitet, Marvin! Hast du diese Veränderung etwa schon mal bei einer der 15 Laminas gesehen?" Sie brach ab und es herrschte Stille. Keighley hatte Angst, gleich würde die Tür aufspringen, und wollte sich schon zurückziehen, als ihr Vater wieder zu reden begann: „Amy, ich weiß, dass du dir Sorgen machst und auch ich habe meine Bedenken, aber ich glaube trotzdem wir sollten es tun. Es ist besser so!" „Vielleicht hast du Recht, ich gebe Keigh jetzt erstmal ihre Tabletten und werde dann Mi anrufen."

Dann Stille. Schnell schlich Keighley zu ihrem Zimmer und war froh, als die Tür offen stand. Sie schlüpfte hinein und stieß die Tür mit ihrem Fuß zu. Gedankenversunken ließ sie sich aufs Bett fallen. Laminas...Mi...es tun...WAS tun? Da klopfte es auch schon und die Tür ging auf. „Keigh?" Ihre Mutter betrat das Zimmer, in der Hand die orangene Dose mit den runden weißen Tabletten, die Keighley nur zu gut kannte. „Ich weiß du hast keine Lust mehr, diese Tabletten zu nehmen, aber es ist das Beste für dich. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann ist es vorbei. Dein Vater und ich haben eine Lösung gefunden und nach einigen Telefonaten werde ich dir genaueres erzählen können. Versuch bitte bis dahin dich auszuruhen und bitte, nimm deine Tabletten!" Ohne auf eine Reaktion zu warten verlies ihre Mutter den Raum. Keighley verdrehte die Augen und schleckte mit der Zunge die zwei Tabletten vom Tisch, die ihre Mutter ihr dagelassen hatte. Sofort ließ die Verspannung nach und sie konnte ihre Arme langsam wieder bewegen. Da fielen ihr auch schon die Augen zu.

Schritte auf dem Flur. Leises Gemurmel. Keighley wachte gerade auf, da ging auch schon die Tür auf. „Keigh kann ich kurz..., oh!" ihr Vater bemerkte gerade erst, dass sie noch halb am schlafen war, als es schon zu spät war. „Schon gut, Dad", sagte sie und gähnte „ich bin wach." „Ähm okay Keigh...ich muss mit dir reden wegen, du weißt schon, der Sache da. Jedenfalls, deine Mutter und ich haben einen Entschluss gefasst. Wir haben eine Schule gefunden, beziehungsweise wir kenne eine Schule, die halt... besonders ist. Ach Gott warum muss ich das eigentlich machen, deine Mutter kann sowas viel besser! Okay machen wir's kurz: Keighley du bist eine gute Schülerin, deshalb bist du für dieses Internat..." „Warte, was?! Internat?! Seid ihr wahnsinnig?! Ihr reißt mich raus aus meinem ganzen Leben, von all meinen Freunden und sogar meinem zu Hause?!" „Keighley, bitte, es hört sich schlimmer an als es ist..." „Nein Dad, ich geh da nicht hin!" „Tja, Keigh...ich glaube du hast gar keine Wahl. Es ist schon alles geklärt und...am Sonntag fängst du schon an." Keighley starrte ihn entsetzt, wütend und traurig zugleich an. Seine knappen Worte taten weh. Sie hatte anscheinend in ihrem Leben nicht mitzureden. Ihr Vater bemerkte, wie sie das getroffen hatte. Schnell wurde seine Stimme sanft und Leise: „Es tut mir leid Liebling, aber glaube mir es ist das Beste für dich. Pack jetzt bitte deine Sachen, damit wir morgen früh rechtzeitig losfahren können." Er wandte sich rasch ab und wollte zur Tür gehen, drehte sich aber noch kurz um. „Ach ja, Infos über die Schule", sagte er und legte ihr einen Briefumschlag aufs Bett. Dann verlies er den Raum. Keighley saß eine Zeit lang nur da und starrte verdattert den Brief an. Eigentlich nahm sie es ihrem Vater nicht übel, sie wusste, dass er das nicht gern getan hat. Nun war sie doch neugierig. Sie nahm den Brief und begutachtete ihn. Er sah aus wie eine Hochzeitseinladung, darauf, in feiner Handschrift, stand "Ymedaca". Was für ein eigenartiger Name, dachte Keighley sich. Im Umschlag war nur ein einziges Blatt. Ganz oben stand das Übliche:

Sehr geehrte Miss McClare,

wir freuen uns herzlich, sie auf unserer Schule aufnehmen zu dürfen

Blah, Blah, Blah...

Darunter eine ungefähre Fahranweisung und das war's, mehr nicht. Jeder normale Mensch würde sich jetzt wiedersetzten, einfach so zu gehorchen und sein Leben zu ändern, aber Keighley wusste, es würde nichts bringen, sie kannte ja ihre Eltern. Also packte sie still schweigend ihre Sachen und verschickte eine SMS an ihre beste Freundin Kim.

Lamina - Born (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt