SIEBEN

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„Hey Keighley! Was ist passiert? Was bist du? Hat es wehgetan? Wie..." „Alyson! Es ist schon 22 Uhr, ich wurde gerade gefoltert und es hat sich noch nicht mal gelohnt, ich würde jetzt gerne in Ruhe auf mein Zimmer gehen!" blaffte Keighley Alyson an und lief an ihr vorbei zur Treppe. „Ist alles okay?" fragte Alyson, nun ruhig und sachte: „Warum schaust du mich nicht an?" „Allie ich habe noch kein Ergebnis erhalten. Joshua hat mich weggeschickt, anscheinend ist etwas Seltsames passiert oder so, das einzige was sich an mir verändert hat sind meine Augen." Antwortete Keighley, welche nun auch ruhig geworden ist und drehte sich zu ihrer Freundin um. „Ach Gottchen! Das sieht ja beängstigend aus...beziehungsweise...schwarz!" sagte diese mit großen Augen. „Vielen Dank...", Keighley drehte sich weg und stieg die Treppe hinauf. „Ach Keighley! Das meinte ich doch nicht böse!", rief Alyson ihr nach. „Ich bin dir auch nicht wirklich sauer oder so, ich möchte einfach nur auf mein Zimmer.", Keighley drehte sich noch einmal um: „Das ist immer noch mein erster Tag, versteh doch, ich bin total kaputt." „Okay...wenn du willst hol ich dich morgen zum Frühstück ab!", sagte ihre Freundin zum Abschied, doch Keighley ging weiter ohne darauf zu reagieren.

Sie schloss die Tür. Ihr fiel auf, dass sie eigentlich jetzt erst Zeit hatte, sich an ihr neues Zuhause zu gewöhnen. Bisher hatte sie sich in diesem Zimmer noch nicht wirklich fühlen können, sie hatte lediglich ihren Koffer ausgepackt. Das kleine Doppelbett war frisch bezogen, mit makelloser weißer Bettwäsche. Sie zog ihre Uniform aus und einen der Schlafanzüge mit Ymedaca-Aufschrift an. Dann entfernte sie das mintgrüne Haargummi und kämmte ihre Haare mit dem einzigen Stück Heimat, was sie noch benutzte: ihrer Haarbürste. Mehr war von ihrer Vergangenheit in Bedford nicht übrig, auf das Handy wollte sie nicht schauen, die Beats nicht benutzen. Sie war plötzlich hundemüde, abschminken würde sie sich morgen. Doch obwohl sie sich nach dem Bett sehnte, wollte sie den Tag nicht beenden. Also krallte sie sich den, auf dem Schreibtisch zurückgelassenen, Ordner mit dem ganzen Schulkram. Sie checkte noch einmal die Regeln, die auf der ersten Seite standen. Sie hatte soweit sie denken konnte gegen keine verstoßen. Jedenfalls noch nicht heute. Da viel ihr Regel Nummer 3 ins Auge: Im Mutatio sind nur verwandelte Laminas gestattet. Sie musste schmunzeln. Diese Regel hätte sie fast gebrochen. Dann sah sie noch einmal nach den Esszeiten. Sie wollte wissen, wie sie ihren Wecker für das Frühstück stellen musste. Nun tat sich ihr aber die Frage auf: Ist morgen ein schulischer Tag (7 Uhr Frühstück) oder ein nichtschulischer (von 7-10 Uhr Frühstück). Eigentlich hatte es ein nichtschulischer zu sein. Es war zwar ein Montag, doch es waren noch Ferien. Die Sommerferien gingen noch genau eine Woche. Doch ungerne wollte sie zu spät kommen und gegen eine Regel verstoßen. Keighley sah auf die Uhr. Sie hatte noch 15 Minuten Zeit, bevor sie auf ihrem Zimmer zu sein hatte. Sie huschte rasch in den Flur und bog nach rechts um bei dem Zimmer neben ihr zu klopfen. Doch kurz bevor ihre Faust auf die Tür traf hielt sie inne. Nicht Alyson. Sie wollte zwar nur eine kurze Frage stellen, doch Alyson wusste schon, dass etwas nicht stimmte. Keighley wollte sich in keine Gespräche verwickeln lassen, also musste sie zu jemandem gehen, der nichts von ihrer Trainingsstunde mit Joshua wusste. Nathalie. Also machte sie kehrt und ging zum Pack 8, der genau neben ihrem lag. Nathalie war quasi auch ihre Zimmernachbarin, nur war zwischen ihnen ein Gang. Sie klopfte ohne weiteres Zögern an. „Es ist offen.", erklang eine beschäftigt wirkende Stimme von innen. Keighley öffnete die Tür einen Spalt und steckte den Kopf ins Zimmer. Nathalie saß auf ihrem Bett in einem Zimmer, welches genauso eingerichtet war wie Keighleys. Sie hatte ihre dunkel braunen Haare nicht mehr offen, wie beim Abendessen, sondern zu einem Dutt hochgesteckt. Als sie Keighley sah hellte sich ihre Miene auf. „Hey! Was machst du denn so spät noch auf dem Gang." Fragte sie freundlich. „Das hört sich jetzt vielleicht total bescheuert an aber ich will eigentlich nur fragen wann wir morgen frühstücken, ich bin mir nicht sicher." Sagte sie und lächelte verlegen. „Achso ja ich verstehe das Problem." Antwortete die Freundin. „In den Ferien gelten auch in der Woche die nichtschulischen Zeiten. Du sollst dich ja auch ein bisschen erholen." „Okay danke." „Kein Problem, kann ich sonst noch was für dich tun? Außer dir zu sagen dass du in sechs Minuten in deinem Zimmer sein musst weil ich dich sonst verpfeifen werde?" sagte Nathalie ironisch. Keighley musste lachen. „Nein Mama jetzt ist alles in Ordnung, eine wunderschöne Nacht wünschte ich dir." Entgegnete Keighley in verstellter Stimme. Lachend wünschte Nathalie ihr ebenfalls eine gute Nacht und Keighley zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie nahm den Ordner vom Bett und packte ihn in die zweite Nachttischschublade zurück, aus der sie ihn genommen hatte. Sie streckte sich auf dem Bett aus und löschte das Licht. Die Geschehnisse des Tages spielten sich noch einmal vor ihrem Kopf ab. Der Fahrweg durch die Bäume, die wunderschöne Außenanlage, die Leute aus Alysons Clique, von denen Keighley jedenfalls sie und Nathalie zu ihren neugewonnenen Freunden zählen konnten. Auch mit den anderen werde sie sich noch anfreunden, davon war Keighley überzeugt. Und dann dachte sie wieder an den jungen mit den grauen Augen. Und an das, was Nathalie auf dem Weg zum Schlaftrakt über ihn gesagt hat. Dass er normaler Weise nicht so mit Neuen umging. Ohne es zu wollen kribbelte ihr Bauch. Und ich hab meinen Namen vergessen, er wird bereut haben jemals eine Neue angesprochen zu haben, dachte sie gedemütigt. Dann gingen ihre Gedanken über zu den drei Zicken, welche sie Keighley-WAD genannt hatten. Dann viel ihr wieder ein wie alle im Speisesaal gemurmelt hatten, da ihr Lamina nicht bekannt war. Super Start. Doch plötzlich war Keighley ziemlich stolz auf sich, dass sie so einen kühlen Kopf bewahrt hatte, nach allem was sie heute herausgefunden hatte. Über sie, über ihre Eltern, über die Schule. Andere würden durchdrehen... bemerkte sie. Doch sowas konnte sie schon immer gut. Dinge aufnehmen und verarbeiten, ohne Irre zu werden. Genau so war es ja auch, als sie hier hin geschickt wurde. Keinerlei Wiederstand. Keighley war gar nicht aufgefallen, dass ihre Augen wieder normal waren. Musste wohl schon eine Weile so sein, Nathalie hatte jedenfalls nichts bemerkt. Egal wie sie jetzt aussahen, nun konnte sie eh keiner mehr sehen, da sie sie schloss und einschlief.

Dieses Mal war die Kulisse eine Wolke. Keighley konnte darauf stehen und laufen. Sie ging in die Knie und strich mit ihrer Hand über die weiße, unfühlbare Masse. Wie Zuckerwatte, die man nicht fühlen konnte. Durch die man einfach hindurchgriff. Da erschien Keighleys Begleitung. Fast konnte man die weiße Gestallt in der gleichfarbigen Wolke nicht sehen, doch die Farbe der Wolke war zu transparent, um das Fell des Tieres zu überdecken. Das Häschen, was Keighley in jeden ihrer Träume begegnete seit sie denken konnte, hüpfte auf sie zu. Keighley ließ sich in die Wolken nieder und legte sich auf den Rücken. Das Tierchen sprang auf ihren Bauch, doch sie spürte keine Last. Keighley streichelte das Tier, bis beide Zeitgleich einschliefen.

Lamina - Born (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt