|10. Kapitel|

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Nachdem ich ein paar flüchtige, aber dennoch intensive Worte mit Uriha gewechselt hatte, welcher mir auf dem Weg zu den anderen begegnet war, fand ich mich nun am Tisch wieder, an welchem auch Tris saß. Das alles musste sie gerade ziemlich überfordern. Und irgendwie tat sie mir dafür auch Leid. Wahrscheinlich redete Four gerade mit irgendwelchen Anhängern von Evelyn und wo Christina war, wusste ich nicht. Ich konnte mir allerdings gut vorstellen, dass sie sich für einige Zeit von Tris entfernen würde, da ihr die Sache mit Will immer noch zusetzte.

Selbst die Stimmung zwischen mir und Tris war gerade schwierig. Vielleicht lag das ja daran, dass ich Erics Tod verhindert hatte - ich wusste es nicht. Sie stocherte bloß lustlos in ihrem Essen herum, während ich meines ebensowenig anrührte. Bei all den Sachen, an die ich gerade denken musste, war mir der Appetit wirklich vergangen.

"Oh Gott nein! Kommt schnell her!", schrie eine weibliche Stimme.

Tris und ich sprangen beide gleichzeitig auf, weil uns der Schrei schlichtweg aus unseren düsteren Gedanken gerissen hatte. Wir bahnten uns unseren Weg durch die Menge, die sich vor einem Vorsprung versammelt hatte, wo sich Schreckliches abspielte. Christina, Marlene und ein kleiner Junge namens Hector standen auf dem Vorsprung, der eigentlich dazu diente, um Platz für Generatoren zu bieten, welche das Quartier mit Strom versorgten. Doch nun standen die drei dort oben, wirkten völlig abwesend und machten allen Einschein zu springen.

"Die Veräterin Tris Prior muss sofort an die Ken ausgeliefert werden, oder es werden weitere von uns sterben.", sagten sie synchron.

Ich konnte sehen, wie die Kugeln, die die Ferox-Verräter in unsere Haut geschossen hatten rot blinkten und musste nicht lange nachdenken, um zu verstehen, was sie in ihnen auslösten. Tris rannte zum Vorsprung und stieg die Treppen hoch um ihre Freunde zu retten, während Tori dasselbe auf der anderen Seite des Vorsprungs tat und somit gleichzeitig den schwierigeren Weg nahm. Jemand stellte sich neben mich und ich nahm an, dass es Four war, doch ich war viel zu gebannt von der Situation, die sich vor meinen Augen abspielte. Um mich herum wurde schlagartig alles ruhig - jeder bangte um das Leben der drei Sleepwalker. Die drei waren mit jedem Schritt, den sie machten dem Tod näher. Ich konnte mit ansehen, wie Tori den Jungen im letzten Moment vom Vorsprung wegziehen konnte. Ein paar Herzschläge später tauchte Tris auf der anderen Seite auf und stürmte auf Christina zu, die bereits an der Kante angekommen war. Tris streckte ihrem Arm nach Christinas Hand aus und ergriff diese, während Chris nach vorne kippte. Dies führte allerdings dazu, dass Tris beinahe mitgerissen worden wäre, weswegen sie ein Stück nach vorne fiel. Versteift sah ich mit an, wie der Körper von Marlene in die Tiefe stürzte, während das Leben von Christina gerettet wurde. Marlene schwebte beinahe schon elegant auf den Boden zu. Kurz spielte ich mit dem Gadanken sie aufzufangen, doch mir wurde ebenso schnell klar, dass ich wahrscheinlich zu zierlich war, um ihren Aufprall zu verhindern, weswegen ich mich schlussendlich nicht von der Stelle rührte.

Marlene schlug auf dem Boden auf und innerhalb weniger Sekunden bahnte sich eine Blutspur ihren Weg durch den gerissenen Asphalt. Als ich Marlene dort liegen sah, wurde mir bewusst, dass Four es mit ziemlicher Sicherheit geschafft hätte, ihr Leben zu retten. Doch er hatte es nicht getan - er hatte es nicht einmal versucht.
Innerhalb von wenigen Herzschlägen eilten einige bereits zu Marlene, während andere vermutlich einen Moment brauchten, um zu realisieren, was gerade geschehen war. Ich wusste was Marlene umgebracht hatte. Vielleicht war das der Grund dafür, dass ich ihren toten Körper einfach nur anstarren konnte und mich nicht bewegte.

Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, machte sich Tori gleich daran, eine Erklärung für Marlenes Tod zu finden. Während des Wartens war die Stimmung zwischen den Fraktionslosen unerträglich. Immer wieder vielen Sätze, die ich mich zwang zu ignorieren. Ich würde nicht zulassen, dass sie Tris auslieferten - unter keinen Umständen. Schließlich fanden wir uns in einer abgeschiedenen Ecke des Raumes zusammen, verweilten allerdings in Schweigen. Wir dachten ohnehin alle an dasselbe. Zu der Frage, wie sich Evelyn und die Fraktionslosen entscheiden würden, gesellte sich eine andere Begebenheit, die ich nicht ganz verstand. Tori und Evelyn hatten mich nicht um Hilfe gebeten, die Kugel, die Marlene getötet hatte, zu untersuchen. Entweder hatten sie nicht an mich gedacht ... oder sie trauten mir nicht. Dabei war eindeutig, dass die Kugeln, die in der Haut von vielen Candor und Ferox hafteten, etwas ähnliches im Körper auslösen musste, wie das Serum, welches den Ferox am Tag des Abschlusstests verabreicht wurde. Nur so konnten Menschen blind dem Willen der Ken folgen - nur so hatten sie Marlene, Christina und Hector kontrollieren können.
Als Evelyn alle zusammenrief, wurde es zunehmend ruhiger - denn jeder wollte eine Antwort auf die Frage, die in unseren Köpfen schwebte: Wird das gleiche auch mit uns passieren?

SHATTERED REALITY - Insurgent (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt