ELF

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"Zum Glück ist das Seminar gleich vorbei. Ich bin so hungrig!", raunte mir Sabrina, meine Kommilitonin, zu und begann schon mal ihre Unterlagen einzupacken. Der Dozent musste ein Einsehen mit uns gehabt haben, denn er beendete das Seminar zur Abwechslung eine Viertelstunde früher. Schnell warf auch ich meine Sachen in die Tasche und wir schlenderten nach draußen.

"Meinst du wir sollen in die Mensa? Oder lieber in der Stadt was essen gehen?", fragte ich Sabrina und hoffte, sie war nicht für die Mensa. Das Gedränge mit Massen von Studenten konnte ich mir an diesem Tag getrost sparen. "Da wir ja zwei Stunden frei haben bin ich wohl eher für die Stadt.", antwortete mir Sabrina lächelnd und halte sich bei mir ein.

Sie war der Typ Mensch,der immer gute Laune hat und offenbar noch nie etwas Schlechtes erleben musste. Anders konnte ich mir Ihre Unbeschwertheit nicht erklären. Sie kam immer viel zu knapp zu allen Seminaren, machte sich nie Sorgen eine Bahn zu verpassen oder an bestimmten Plätzen Menschen zu sehen, die man auf keinen Fall sehen wollte. Manchmal wäre ich auch gerne so entspannt und unbeschwert gewesen, aber so etwas war nicht jedem gegönnt.

"Pasta geht doch wirklich immer!", stellte Sabrina fröhlich fest, nachdem sie mir alles über ihre letzte Beziehung berichtet hat. Man kam bei ihr selten zu Wort, aber sie konnte mit ihrer Laune ansteckend sein. "Das stimmt. Schmeckt vorallem besser als in der Uni.", gab ich zurück und überlegte, in welcher Uni besser war. "Weißt du was wir, also mein Mitbewohner und ich, am Wochenende vorhaben? Wir gehen endlich mal wieder ins Stadion.", erklärte sie glücklich und strahlte noch mehr, während mein Herz schneller schlug.

"Hört sich toll an!", brachte ich mit Mühe und Not hervor und fragte mich, warum mich dauernd etwas an Marco erinnerte. Entnervt schüttelte ich den Kopf.

"Wir waren das letzte Mal im Oktober zusammen dort. Auf jeden Fall freue ich mich so!"
"Hmm..", gab ich zurück.
"Stehst du auf Fußball? Ich schon, aber eigentlich mehr auf die Spieler!" Lächelnd warf Sabrina ihre dunklen Haare nach hinten und blickte verträumt in den Raum.
"In Mainz war ich mal im Stadion.", antworte ich und hoffte irgendwie auf ein anderes Thema zu kommen. Sabrina nickte meine Antwort nur ab und widmete sich wieder ihren Nudeln.

Beim Rausgehen war Sabrina schon wieder oder immer noch beim Thema Fußball. Speziell bei den Spielern. Meine Gedanken waren bei Marco und unserem Kuss, den ich immer mal wieder Revue passieren ließ. Es hatte sich richtig angefühlt und sogar fast eine Woche danach spürte ich noch die Wärme, die ich in diesem Moment empfunden habe.

"Können wir noch kurz in den Supermarkt? Ich brauche noch was Süßes für die Vorlesung!"
"Ja, unbedingt! Anders halten wir es da ja unmöglich aus.", kicherte Sabrina und mir ging es genauso. Anders hielt man die Vorlesung tatsächlich nicht aus. Außer mit Schlaf.

"Ich liebe Lebkuchen!", erklärte Sabrina und packte gleich noch eine Packung Spekulatius ein. "Eigentlich liebe ich alles im Dezember. Weihnachten ist total mein Ding!" Gerade als wir nach rechts abbogen kam die Spirituosenabteilung und wir bleiben vor dem Sekt stehen. "Was machst du später?", fragte Sabrina auch gleich. "Nichts ehrlich gesagt. Sollen wir was machen? Emma ist später auch zu Hause, wir können einen Mädelsabend machen, oder?", fragte ich und freute mich gleichzeitig darauf. Solche Abende Taten immer gut.

"Mila?!", unterbrach uns eine Stimme und ich hatte ein Deja Vu. "Hi Robin.", erwiderte ich und drehte mich um und stellte zu meiner Erleichterung fest,dass er offensichtlich alleine da war. Schon hatte er mich in seine Arme geschlossen und freute sich anscheinend ehrlich mich zu sehen. "Fast wie bei unserem Kennenlernen.", zwinkerte er mir zu und stellte sich auch gleich Sabrina vor, die irgendwie erschrocken wirkte.

"Soll ich wieder den Sekt runterholen?", fragte Robin und wir mussten beide lachen. "Wir brauchen heute definitiv was Härteres.", kam es von rechts und Sabrina hatte anscheinend ihre Stimme wieder gefunden. "Bin gleich wieder da.", erklärte sie kurz angebunden und war schon zwei Gänge weiter.

"Alles gut bei dir? Nach Weihnachten müssen wir mal wieder was unternehmen. Im Dezember ist alles immer so stressig.", sagte Robin und traf den Nagel damit nur halb auf den Kopf. Ich möchte Weihnachten und alles was damit verbunden war, mein Stress lag eher in meinen Sorgen verborgen. "Ja, bei mir ist alles gut. Dienstag fahre ich zu meiner Familie. Du hast deine ja hier, hm?", gab ich zurück und war ein bisschen wehmütig, dass meine Eltern nicht 20 Minuten entfernt wohnten.

Robin druckste ein wenig rum und ich fragte mich, wann denn Sabrina wieder auftauchte. So überstürzt ist sie noch nie davongestürzt. "Noch was anderes, bevor ich los muss. Hast du jemand kennengelernt?" "Nein.", gab ich leise zurück. "Na, dann wird sich...", Robin unterbrach den Satz und ich blickte ihn fragend an. "Schon gut. Ich muss los. Aber ich rufe dich sowieso vor Heiligabend nochmal an.", lächelte er.

"Wo warst du denn so lange?", fragte ich Sabrina, die kurz nachdem Robin gegangen war plötzlich wieder auftauchte. "Robin kennt doch Marco. Also den Fußballer, du kennst dich da ja nicht so aus. Das weiß ich von meinem Mitbewohner, weil der wiederum jemanden kennt, der einen Freund von Robin kennt.", erklärte Sabrina und ich malte in Gedanken einen Stammbaum, wer wen kannte. "Meinst du wir können irgendwie Marco kennenlernen?", fragte sie weiter und ich verdrehte die Augen. Wie konnte man so gutgläubig sein.
"Nein.", gab ich also zurück.
"Warum nicht?"
"Weil ich ihn schon kenne."

Marcos Sicht:
"Dreimal darfst du raten, wen ich beim Einkaufen getroffen habe?", verkündete Robin grinsend und ich fragte mich, was er überhaupt eingekauft hat. Kochen war nicht seine Stärke. "Den Papst?", gab ich gelangweilt zurück und erntete ein Augenrollen.
"Ganz kalt, mein Freund. Ganz kalt."
"Sag doch einfach wen. Kann ja nicht so spannend gewesen sein."
"Naja, spannend ist relativ. Ich habe mich auf jeden Fall gefreut."
Mir war es schon fast egal geworden, wen Robin zwischen Salatköpfen und Knäckebrot getroffen hat, als er stolz und feierlich "Mila!" verkündete.

"Auf einmal interessiert es dich doch, hm?", sagten grinsend und ich bereute es so selten einkaufen zu gehen. "Ja.", gab ich zu. "Erzähl mal. Wie sah sie aus und noch viel wichtiger, mit wem war Mila da?", fragte ich neugierig und Robin musste schmunzeln.
"Lass mich nachdenken. Das hellste waren die blonden Haare. Schwarze Hose, schwarze Boots, schwarzes Shirt und schwarzer Mantel. Aber sie sah schön aus. Als ich sie vor dem Regal gesehen habe, habe ich gesehen wie jeder zu ihr geguckt hat."
"Ich weiß, dass sie schön ist, Robin. Hat sie was erzählt?" Nicht nur ihre Haare oder ihr Aussehen war schön. Sie war auch schön, wenn sie lachte und von Dingen, die ihr wichtig waren, sprach. Wie an dem Abend, an dem ich sie nach Hause gebracht habe. Und schön war es auch Zeit mit ihr zu verbringen und so zu küssen. Trotzdem war sie wie vom Erdboden verschluckt. Zumindest für mich.

"Sei doch nicht so ungeduldig. Alles der Reihe nach. Sie sah traurig aus, als sei etwas Schlimmes passiert. Aber ich habe gefragt, ob sie jemanden kennengelernt hat." Traurig also. Ich wollte nicht, dass es ihr schlecht ging. Aber erreichen und helfen konnte ich sie auch nicht. "Stop mal. Du hast sie das nicht wirklich gefragt, oder?", gab ich kopfschüttelnd zurück. "Klar. Mila und ich sind Freunde. Was man von dir und ihr allerdings nicht behaupten kann..", kam auch gleich zurück und ich wollte trotzdem die Antwort auf Robins überflüssige Frage hören.

"Das liegt aber nicht an mir.", gab ich zurück, während sich in meinem Kopf die Frage bildete, ob es nicht vielleicht doch am mir lag. "Vielleicht schon. Du hast ewig gebraucht ein Date mit ihr zu bekommen und dann küsst du sie gleich. Passt irgendwie nicht zusammen. Aber gut.", sagte Robin trocken und machte mich damit rasend. "Wir haben uns geküsst, nicht miteinander geschlafen. Außerdem warst du doch garnicht dabei!" "So wie du dich aufregst ist sie dir alles andere als egal.", grinste Robin und mir wurde klar, dass er seine vorherigen Sätze nicht ernst gemeint hat.

"Habe ich auch nie behauptet!" Mit verschränkten Armen lehnte ich mich zurück auf die Couch. "Aber zugegeben hast du es auch nie."

Die Liebe braucht Zeit. (Marco Reus FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt