Kapitel 5 - Der Startschuss
„Du willst – was?“, fragte James verwundert und sah mich recht fassungslos an. Er schien genau das auszusprechen was Jamie sich seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen dachte. Ich seufzte. „Ich weiß es klingt verrückt“, sagte ich ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust, „Aber ich will Antworten. Ich brauche Antworten. Ich habe zehn Jahre lang im Unwissen gelebt, geglaubt meine Familie wäre tot. Und die Einzigen, die mir diese Antworten geben können, sind die Bleekers!“ „Damit ich das richtig verstehe“, sagte James und hörte kurz mit seinem im Raum herumgehen auf, „Du willst dich quasi inkognito ins Revier der Bleekers begeben und...“ „Antworten suchen“, vervollständigte Luke, „Wir spielen 007 und lassen uns in den Clan eingliedern“. „Und was wenn ihr auffliegt?“, fragte Claire, die auf Jamies Schoß auf einem der Stühle um den Tisch in James’ Wohnzimmer saß. „Werden wir nicht, wenn wir es gut anstellen“, antwortete ich. „Und Cole ist ein blauäugiger Alpha, das entspricht bei euch einem Silbernen“, Luke warf einen Blick zu Jamie, dann wieder zu James, „Ich glaube nicht, dass sie einen haben.“ „Was wenn sie dich als Tiger sehen wollen?“, fragte James, „Da werden normale Kontaktlinsen nicht halten“ „Diesbezüglich muss ich noch mit Logan reden“. „Seine Fellfarbe verrät ihn ja nicht“, gab Luke zu denken, „Bei uns Tigern ist es üblich, dass hin und wieder weiße Tiger vorkommen, vor allem im Norden. Aber die haben meist braune Augen, sind also ganz normal Untergeordnete“. „Was, wenn es zu einem Kampf kommt?“, fragte James weiter, „Zwei gegen eine ganze Armee?“ „Wir müssen das Risiko eingehen“, sagte ich, „Unterstützt du uns?“ James seufzte und sah zwischen uns beiden hin und her. „Kein Angriff James“, sagte Luke, „Aber was würdest du tun, wenn es um deinen Clan ginge? Würdest du nicht auch Antworten wollen? Cole hat gegenüber seinem Clan genau dieselbe Verantwortung wie du für deinen. Er ist der Alpha, du bist ein Alpha“. James fuhr sich durch die Haare. „Er hat Recht“, gab Sam zu denken und sah zu ihrem Gefährten auf, „Du würdest dasselbe tun“. James sah zu ihr herunter. „Du hast Recht“, er sah uns wieder an, „Ihr habt Recht. Aber ich habe eine Bedingung“ Ich hob die Augenbrauen. „Wir kommen mit“ „Ins Tiger Reservat?“, fragte Luke. „Bisschen auffällig“, murmelte ich. „Nicht ins Tiger Reservat. Wir warten draußen irgendwo und wenn irgendwas ist sind wir sofort da. Wir sind zwar Leoparden, kleiner als ihr, aber wir können kämpfen“. „Meinetwegen“, sagte ich, „Und wo wollt ihr campieren?“ „Hey, ich hab da eine Idee“, sagte Sam und alle sahen sie an, „Im Landesinneren, also ungefähr anderthalb Stunden vom Bleeker-Reservat gibt es einen kleinen Leoparden-Clan. Die sind recht friedlich, das heißt sie werden uns im Kampf zwar nicht unterstützen, aber sie werden uns wohl eine Zeit lang aufnehmen“. „Warum sollten sie das tun?“, fragte Jamie. „Erstens, Solidarität“, antwortete Sam, „Zweitens kenne ich ihren Alpha recht gut“. „Ach ja?“, fragte James misstrauisch. „Kein Grund eifersüchtig zu werden“, Sam lachte, „Sie ist eine Freundin von mir. Es gibt auch weibliche Alphas“. James knurrte irgendwas. „Was ist jetzt?“, fragte ich. „Wie’s aussieht habe ich keine andere Wahl. Du weißt, dass wir dich bei allem unterstützen, Cole. Das hast du auch für uns getan, wir sind eine Familie und wenn du meinst, dass das funktioniert, dann... vertraue ich dir“, James rieb sich den Nacken, „Rede mit Logan und dann stellen wir eine Formation zusammen. Ach ja, Sam ruf deine Bekannte an“. Sam nickte und nahm ihr Handy heraus. „Na dann“, ich grinste Luke an, „Auf zu Logan“. „Mission Inkognito hat gerade den Startschuss bekommen“, sagte er enthusiastisch und folgte mir aus dem Haus.
Eine halbe Stunde später fanden wir Logan mit Diego in der Überwachungszentrale des Reservats. Einen Raum, der sämtliche Zentralen der CIA neidisch werden ließ. Meiner Meinung nach, ich war noch nie bei der CIA. Luke und ich erzählten Logan unseren Plan, der um einiges enthusiastischer reagierte als James. „Wie cool ist das denn?“, fragte Logan als wir fertig waren, „Und James hat das erlaubt? Boah, wieso kann ich nicht mitkommen?“ Ich lachte und Luke grinste. „Nur weil ich gefleckt bin?“, fragte Logan gespielt beleidigt, „Das ist Rassismus!“ „Tut mir leid, Logan“, sagte ich und sah ihn an, „Aber wir brauchen deine Hilfe“. „Jaja, immer wenn du was brauchst kommst du zu mir“, er machte eine dramatische Geste und wurde dann ernst, „Also du brauchst was, dass deine großen blauen Augen bedeckt auch wenn du dich verwandelst?“ „Kontaktlinsen?“, schlug Diego vor ohne von seinem Computerbildschirm auf dem gerade irgendein Programm lief aufzusehen. Ich hatte schon total vergessen, dass er da war. Wie gesagt, Diego und ich waren nicht unbedingt befreundet. „Das ist das Problem“, sagte ich, „Wenn ich mich verwandle sind die Kontaktlinsen zu klein“ Logan sah mich nachdenklich an und sagte eine Weile lang nichts. „Ich glaube ich hab da was“, sagte er schließlich. „Ja?“, ich runzelte die Stirn als er in den zahllosen Laden und Fächern in der Zentrale zu suchen begann. „Deswegen sage ich dir immer, du sollst deinen Arbeitsbereich aufräumen“, sagte Diego trocken, aber Logan ignorierte ihn. „Da“, er schien endlich zu finden wonach er gesucht hatte und tauchte unter dem Tisch auf. Er stellte eine kleine Dose auf den Tisch. „Ich sagte doch, Kontaktlinsen werden zu klein“, murmelte ich. „Halt die Klappe und lass mich ausreden!“, sagte Logan und öffnete die kleine Dose, „Das sind spezielle Kontaktlinsen. Sie decken nicht nur deine Augenfarbe komplett ab sondern sie sind elastisch“. Ich sah die Linsen misstrauisch an. „Wirklich?“ „Ja wirklich. Meine Erfindung“, verkündete Logan stolz. Das war auch noch so eine Eigenart an Logan. Er erfand immer irgendein Zeugs, egal ob es jetzt brauchbar war oder nicht. Genauso wie der Toaster, der gleichzeitig ein Wecker und eine Taschenlampe war – beim ersten Versuch hatte das Ding allerdings angefangen zu brennen. Aber er hatte den Defekt behoben, jetzt funktionierte der „Weckleuchttoaster“. „Fantastisch!“, rief Luke. „Das wird nicht das einzige sein, das ihr braucht“, sagte Logan und sah zum ersten Mal von seinem Bildschirm auf um uns einen Blick zuzuwerfen. „Die werden euch nicht einfach so in ihren Clan lassen. Ihr braucht Fake-IDs und eine Akte in der Gestaltwandler-Datenbank. Bevor die euch eingliedern, werden die einen rundum Background-Check machen“. Daran hatte ich auch schon gedacht. Mit der Gestaltwandler-Datenbank meinte er eine Liste aller in Amerika lebenden Gestaltwandler. Irgendein kluger Kopf war mal auf die Idee gekommen eine Online-Datenbank zu erstellen, was den Überblick über die einzelnen Clans leichter machte. Es hatten immer nur die Alphas Zugriff darauf. „Öh“, machte ich nur. „Ich hacke mich da mal rein“, murmelte Diego und öffnete auf einem der anderen Bildschirme ein anderes Programm. „Derweil mache ich euch neue Ausweise“, sagte Logan, „Ach ja, ihr braucht noch ein anderes Kennzeichen“ Er beugte sich zu einer anderen Lade und begann diese zu durchsuchen. „Also wir hätten hier Kalifornien, Nevada, Ohio, Pennsylvania...“ „Logan warum und woher hast du das Zeug?!“, fragte ich überrascht. „Für Notfälle“, sagte er, „Also das aus Ohio ist von Sams Auto“. „Ihr braucht irgendwas aus dem Norden... Hey, wie wär’s mit Michigan?“. „Klingt gut“ „Okay“, Logan gab mir die Kennzeichen, „Hey Diego, wenn du da was einträgst, sie sind aus Michigan“. „Habs mitbekommen“, sagte dieser offensichtlich beschäftigt sich ins System zu hacken. „Okay, schätzungsweise sind wir hier beschäftigt“, sagte Logan, „Kommt in zwei Stunden wieder, dann sollten wir fertig sein. „Danke!“, sagten Luke und ich fast unisono und machten uns auf den Weg bevor Logan uns aus der Überwachungszentrale scheuchen konnte.
„Das wird was werden“, murmelte Luke als ich gerade dabei war mein neues Kennzeichen vorne an meinen Beatle zu stecken. „Meinst du?“, fragte ich grinsend und drehte mich zu ihm um, „Könnte doch lustig werden“. „Haha“, meinte Luke sarkastisch, „Ich muss mich echt zusammenreißen, dass ich ihrem Alpha nicht den Kopf abreiße“. „Behalte immer unsere Mission im Auge, so schlimm wird es schon nicht werden“. „Denkst du?“ „Weiß ich?“ „Hey Jungs“, Sams Stimme ließ uns zusammenfahren und wir drehten uns um. „Michigan, huh?“, sie deutete auf mein Kennzeichen, „Da hab ich auch mal gewohnt“. „Wo hast du bitte nicht gewohnt?“, fragte ich ohne eine Antwort zu warten. „Uh, Texas“, sie schüttelte sich gespielt, „Irgendwie hatte ich da immer Angst jemand würde mit einer Kettensäge vor meiner Tür stehen“. „Klischee“, sagte Luke grinsend, „Die sind doch nett. Ihr Dialekt ist witzig“. „Warst du dort?“, fragte ich neugierig. Ich hatte Luke noch nicht fragen können, was er die letzten zehn Jahre gemacht hatte. Irgendwie war ich von der Geschichte mit den Überlebenden meines Clans abgelenkt wurde. „Fast drei Jahre nach der Attacke“, antwortete mir Luke, „Ich wollte einfach weg, aber in Texas hat mich die Polizei aufgegriffen und mich in ein Waisenhaus gesteckt nachdem ich keine Papiere oder Familie hatte“. „Du bist im Waisenhaus aufgewachsen?“, fragte ich. „Nur bis ich 18 war. Dann hab ich mich allein durchgeschlagen“. Da hab’s ich ja noch recht gut erwischt. Ich seufzte und brachte auch das andere Nummernschild hinten an meinem Wagen an. „So“, ich warf einen Blick zu Sam, „Schon Neuigkeiten?“ „Was? Ach ja, deswegen bin ich eigentlich hier“, sie strich sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn, „Ich hab mit Taylor geredet. Sie hat nichts dagegen, dass wir eine Weile bei ihr im Reservat campieren solange wir ihren Clan nicht in den Konflikt reinziehen“. „Was sagt James dazu?“ „Er plant schon wen er mitnimmt“, antwortete Sam, „Jamie und Claire wollen auch unbedingt mit, also ja. Was deine Streitmacht betrifft stehen wir ganz gut da. Natürlich hoffe ich, dass es nicht soweit kommt“. „Natürlich nicht“, ich schüttelte den Kopf, „Das will ich doch auch nicht“. Nichts gegen die Leoparden. Ich wusste dass die kämpfen konnten, ich musste am Training teilnehmen wie jeder andere. Es war nur so, dass Tiger in der Regel recht stark waren. Und dann noch mehrere auf einmal... Nein, der Kampf musste vermieden werden. Punkt. „Am besten du redest nochmal mit ihm“, sagte sie, „Aber ich glaube morgen sind sie aufbruchsbereit“. „Morgen schon“, sagte Luke und rieb sich die Hände, „Ist es ironisch, dass ich mich irgendwie freue?“. Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. „Hey, wer wollte nicht schon mal 007 spielen? Los gehen wir mal zu James“. Mission Inkognito kann beginnen.
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Blue Eyes
Roman d'amour"Ich hatte es nie für möglich gehalten. Aber die sardonische Eigenart des Unmöglichen ist doch, dass niemand seine Überraschung ahnt, oder? Er stand mir gegenüber. Seine Augen waren so unglaublich blau. Blau wie das Meer. Er kam mir bekannt vor und...