Kapitel 3: James

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Immer noch reglos starrte ich ihn an. Seine Haare, seine Augen, sein Mund und seine Hautfarbe. Ich könnte unzählige Dinge noch sagen, die andeuteten, dass wir Geschwister sein könnten. Aber dennoch schockierte mich dieser Gedanke.


Ich hatte einen Bruder, von dem ich jetzt seit 16 Jahren nicht wusste, dass er existiert.


Langsam bemerkte er, dass ich erstarrt bin. Er setzte sich gegenüber dem Tisch und erst jetzt erkannte ich, dass er mich mit dem selben Blick anschaute, wie ich ihn vorhin angesehen habe.


Die Situation war einfach komplett absurd.


Er sah ein wenig älter aus. Ich schätzte ihn auf 23. Wahrscheinlich Student oder so.

,, Du bist Elena. Eindeutig. Deine grünen Augen würde ich aus tausenden Leuten heraus erkennen", sagte er nach einer Weile.

 ,, Woher..? Ich kann mich an meiner Kindheit kaum erinnern. Und es verwirrt mich, dass mein Onkel mir nie davon erzählt hatte, dass ich einen Bruder habe." Meine Stimme klang zweifelnd.

Er guckte mich mit einem intensiven Blick an, den ich nicht ganz deuten konnte. Sein Unter Kiefer spannte sich an und seine Augenbrauen verengten sich. Er sah definitiv wütend aus.

,, Unser Onkel hat dir nichts erzählt?!", schrie er.

 Er schloss kurz seine Augen, vermutlich um sich ein wenig zu beruhigen.

,, Ja... er hatte es nie erwähnt", antwortete ich.

Er sagte nichts.

,, James..? Woher weißt du eigentlich, dass wir Geschwister sind? Es könnte ja auch ein Zufall sein", entgegnete ich sanft.


 Eigentlich kannte ich die Antwort. Jedenfalls hat Sawyer ihn so gefunden, indem er im Internet recherichert hatte und ein alten Zeitungsartikel fand. Darauf wurde der Unfall von meinen verstorbenen Eltern dokumentiert und es gab ein Bild von mir und einem Jungen, der etwas älter war. Und so kam die Vermutung von Sawyer, dass der Junge, der im Bild neben mir stand ein Bruder von mir sein könnte. Zudem stand im Zeitungsartikel, dass der Junge James MecKardne hieß, also den selben Nachnamen den ich auch trug.

James öffnete seine Augen und starrte mich wieder an. Diesmal etwas sanfter.

,, Weil ich damals 6 Jahre alt war, als das Ganze passierte. Ich wurde direkt in eine Klinik reingebracht, da ich den Tod von unseren Eltern nicht verarbeiten konnte", sprach er ruhig.

,, Und als ich ein Jahr später raus kam, wurde mir nur gesagt, dass unser Onkel mit dir ausgezogen ist."


,, Hast du je nach mir gesucht?", fragte ich zittrig.


Es hatte mich definitiv interessiert, was danach passiert war. All die Jahre bin ich ohne ihn aufgewachsen. Wieso mussten wir getrennte Wege gehen? 

,, Klar habe ich dich gesucht! Und ich war sogar einmal bei euch. Nur warst du zu der Zeit nicht Zuhause. Ich wollte auf dich warten, doch Onkel Fred hatte mich nicht gelassen und meinte noch, dass du keinen Kontakt mit mir haben wolltest." James sah besorgt aus.

In dem Moment wurde mir klar, dass es die beste Entscheidung war, als ich damals auszog. Ich wurde angelogen. Man hat mir meinen leiblichen Bruder weggenommen. Ein Teil aus meinem Leben. Einen Menschen, der aus dem selben Fleisch und Blut bestand wie ich.


Wut. Ja es war Wut, die in mir hoch kam.


,, All die Jahre sind jetzt vergangen... Ich weiß gar nicht mehr , was ich dazu sagen soll James."

,, Die Zeit können wir nicht zurück drehen. Aber ich hoffe wir werden ab jetzt regelmäßigen Kontakt haben", sagte er und ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen.

Ich Lächelte zurück. Wieder kamen mir tausende Fragen im Kopf. Wo wohnt er? Geht er noch zur Schule? Ist er mit seinem Leben überhaupt glücklich?

,, Ja, das hoffe ich auch", entgegnete ich. 

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