Ich wurde von dem Schreien vergnügter Kinder geweckt.
Warum sind Kinder bloß immer laut? Seid doch leise...
Ich wollte die Hand heben, um mir den Kopf zu massieren, erst nachdem er schon in der Luft war, fiel mir auch, dass er das eigentlich gar nicht sein dürfte. Eigentlich sollte mich eine unsichtbare Macht an den Felsen binden.
Ach ja... Ich bin ja wieder bei meiner Familie! Yay...
Das merkwürdige Wesen hatte mich ja betäubt, um mich zu ihnen zurückbringen zu können.
Ich sollte zu ihnen. Sie machen sich sicher Sorgen.
Langsam schlug ich die Augen auf, nur um sie geblendet sofort wieder zu schließen. Genervt schlug ich sie trotzdem gleich wieder auf. Ich hatte genug vom unfreiwillig Augen schließen. Unter immenser Anstrengung setzte ich mich auf, und rieb mir die schmerzende Hüfte und das brennende Handgelenk. Mein Bikini war zwar immer noch gerissen, doch die Verletzungen und sogar die blauen Flecken waren verschwunden. Ich besah mir meine Umgebung. Hoffentlich hatte mich das Wesen wo abgelegt, wo ich mich auskannte, und wieder zu meiner Familie zurückfinden würde. Ich lag versteckt zwischen zwei recht großen Felsen, einer mit Flechten bewachsen, der andere voller Möwenscheiße.
Sehr glorreicher Aufwachort, für die Nächste, die an der Auswahl, was auch immer das wieder ist, teilnimmt.
Ich sollte aufhören so verbitterte Gedanken zu haben, aber im Moment war mir sogar egal, was die Auswahl war. Ich wollte nur nach Hause. Nicht unsere Ferienwohnung, sondern unsere richtige Wohnung. Ich wollte in mein Bett, mit meinem Keep Calm and Read Books Polster, und zu meiner wundervollen Musikanlage deretwegen die Nachbarn schon einmal eine Beschwerde an meine Eltern gerichtet hatten. Nicht weil ich feige war, oder weil es mich nicht interessierte, sondern weil ich einfach gerade keine Lust hatte mich mit irgentetwas außer meinem Buch und guter Musik auseinanderzusetzen, und weil das in den Ferien kurz gesagt unmöglich ist. Normalerweise nur wegen meiner Familie, jetzt auch noch wegen irgendwelcher schrägen Wesen, die mich für irgendeine Auswahl wollten oder brauchten. Ich weiß nicht wie lange ich so saß. Meinen Kopf in meinen Händen, die auf die Knie gestützt, zwischen Felsen und Sand und Algen, und nur versuchte mich darauf vorzubereiten, was mich heute Abend vermutlich erwarten würde.
Irgendwann beschloss ich, dass es jetzt Zeit war meine Familie zu suchen, und ihnen zu sagen, dass ich schlicht und ergreifend die Zeit übersehen hatte. Als ich aufstand, um über die beiden Felsen seheh zu können, bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit direkt neben dem Strand gewesen war. Ich war nicht einmal weit entfernt von meinem Schattenplatz unter der Trauerweide. Trotzdem suchte ich meine Familie, und fand sie nicht. Das Wasser spielte leise um meine Füße als ich am Rest des Strandes nach ihnen Ausschau hielt. Doch der komplette Strand war leer. Einsam und kalt lag er nun da. Erst da fiel mir auf, dass auch die Sonne schon weg war. Es wurde schon Abend! Aber das konnte unmöglich sein! Meine Familie wäre niemals ohne mich gegangen...Oder?
Sag niemals nie...
Da war wieder die unangenehme Stimme in meinem Hinterkopf. Trotzig schob ich den absurden Gedanken beiseite. Noch immer stand ich zwischen den beiden Felsen, mit der Flut, die immer weiter meine Beine hochkroch. Wenn sie mich wirklich vergessen hatten, würde ich eben alleine nach Hause gehen. Die würden was zu hören bekommen. Zitternd hievte ich mich auf den Flechtenfelsen, sprang auf der anderen Seite wieder herunter, und versuchte mich daran zu erinnern, wie wir hierher gekommen waren. Nach einigem Suchen fand ich den einzigen Weg, der von dem kleinen Strand wegführte, und steuerte zielstrebig darauf zu. Erst als ich halb bei dem Kiesweg angelangt war, fiel mir auf was mich schon die ganze Zeit gestört hatte. Es war ein unbestimmtes, dumpfes Gefühl gewesen, wie wenn man weiß, dass man etwas vergessen hatte, sich aber nicht erinnern konnte, was. Der ganze Strand war komplett leer. Es war zwar kein sehr großer Strand, also war die Wahrscheinlichkeit größer, dass niemand hier war, dennoch konnte es noch nicht sehr spät sein, und man konnte ehemalige Feuerstellen im Sand erkennen, also waren hier vermutlich öfter Leute recht lang. Außerdem schienen die Häuser, die man in einiger Entfernung erkennen konnte, dunkler zu sein, sie schienen verlangsamt. Als würde eine unsichtbare Wand mich und den Rest der Welt voneinander trennen.
Vielleicht hat das ja mit den Wesen zu tun...
Ich schüttelte über mich selbst verärgert den Kopf.
Jetzt mach dich doch nicht verrückt deswegen!
Genervt von mir selbst schüttelte ich den Kopf. Das hatte bestimmt nichts zu bedeuten. Nur Einbildung sonst nichts. Ich musste jetzt nur den kleinen Weg entlang gehen, dann die schmale Straße zwei Blocks weit, dann wäre ich auch schon da. Zu Hause würde ich meiner Familie erst mal was husten, weil sie mich einfach so sitzen gelassen hatten. Trotzdem musste ich erst einmal dorthin kommen...
Gerade als ich den ersten Fuß auf den Kiesweg setzen wollte, vernahm ich hinter mir ein leises Räspern. Es war nur ein leises äh-hum, doch auf dem leeren Strand klang es als hätte die Person, die es von sich gegeben hatte, mich angeschrien. Obwohl ich schon vermutete, dass ich das bald bereuen würde, drehte ich mich um. Vor mir auf einem kniehohen Stein saß eine wunderschöne Frau. Ihre langen Haare waren vermutlich rot (wegen der Dämmerung konnte ich das nicht genau sagen), und wellten sich geschmeidig bis zu ihrer Wespentaille. Geziert wurde ihr Haupt von einem funkelnden Diadem, das in der Mitte ihrer Stirn zu einem merkwürdigen Symbol zusammen lief. Ich trat einen Schritt näher an sie heran, um es besser betrachten zu können. Es schien geradezu unglaubliche Macht auszustrahlen, die mich anzog. Bei näherem Hinsehen erinnerte das Symbol an eine filigrane Blume, deren Blätter aus dem Mondzyklus bestanden. Jedes Blütenblatt war ein bisschen voller, bis die Nabe in der Mitte schließlich der Vollmond war. Ich blickte weiter an der Frau herab, die auch mich voller Neugier musterte, und sich nicht daran zu stören schien, das ich selbiges bei ihr tat. Bei jeder kleinen Bewegung die sie machte schmiegte sich ihr smaragdgrünes Kleid eng an ihren perfekten Körper. Wieviel hätte ich doch gegeben, um sie zu sein? Der bodenlange Rock war gewagt geschlitzt und ließ den Blick auf ein unglaublich fein gearbeitetes Unterkleid erahnen, das mit zarten, goldenen Stickereien bedeckt war. Ich wollte noch näher treten, um die Näharbeit auf ihrem Rock betrachten zu können, da kam ich ihr wohl auf einmal zu nah, denn sie stand so abrupt auf, dass ich vor Schreck zwei Schritte zurück trat. Ich wollte sie gerade fragen, wieso sie mich denn auf sich aufmerksam gemacht hatte, da öffnete sie den Mund und ihre engelsgleiche Stimme raubte mir wortwörtlich den Atem. "Wie heißt du?" Verwirrt, dass jemand so übernatürliches etwas so banales fragte, musste ich die Frage erst einmal verarbeiten. Vermutlich wirkte ich nicht sehr intelligent, wie ich da so stand und versuchte zu begreifen. In dem Moment war mir das aber herzlich egal. "Ava. Ich heiße Ava Bohlke. Wieso wollen sie das wissen?" Langsam fing ich mich wieder. Die Frau ignorierte meine Frage vollkommen, und sprach stattdessen mit der Dunkelheit hinter ihr. "Sie ist es. Komm!" Ich trat vorsichtshalber noch einen Schritt zurück. Auf einmal fielen mir die vielen Horrorgeschichte von meiner besten Freundin wieder ein. Von Mädchen und Frauen die zuerst betäubt und dann vergewaltigt oder entführt wurden. Ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken. Wer sollte da überhaupt herkommen? Ich drehte mich seitlich, schon bereit zum Wegrennen, hatte den Blick aber immer noch neugierig nach hinten gerichtet. Diese Neugier sollte mir zum Verhängnis werden. Immer noch abgelenkt von abstrusen Gedanken, was da aus der Dunkelheit kommen könnte, bemerkte ich die Person nicht, die sich mir von hinten näherte. Ein Luftzug fuhr über meinen Nacken. Ich schauderte und drehte mich um. Nur um einen kurzen Blick auf einen Mann zu erhaschen, der aussah wie aus Stein gemeißelt. Verwundert gab ich ein leises oh von mir, bevor er mir etwas gegen Mund und Nase presste und ich ohnmächtig in seine Arme sank.
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Die Unendlichen
FantasyAva entdeckt durch Zufall, dass es noch Elfen gibt. Sie wird in eine merkwürdige Prüfung verstrickt, die den wahren Elfenkönig herausfinden soll, so wie es alle 100 Jahre wiederholt wird.