Nora
Ich hielt mich hinter dem Felsen versteckt, bis Finn's Schatten verschwunden war. Dann schoss ich pfeilschnell aus meinem Versteck hervor und machte mich auf den Weg nach Tanà. Dort lebte ich seit meiner Geburt, doch ich war nur selten dort. Sobald ich den magischen Schutzwall überwunden hatte, strahlten mir die wunderbaren Lichter und das Leuten der bunten Häuser entgegen. Tanà war tief verborgen im Meer und vor Menschenblicken gut geschützt. Unsere Heimat hat viele Namen. Einige davon sind: Liras, Ladrana, Tanà und der bekannteste ist Atlantis, doch Tanà stammt aus unserer alten Sprache und heißt 'Heimat'.
Ich schwamm zu einem mit bunten Korallen besetztem Haus. Dort wohnte meine beste Freundin Elena, bei der ich bleiben durfte, bis ich ein eigenes Haus hatte. Die Häuser in Tanà waren nicht wie die der Menschen. Sie bestanden aus riesigen, mit Magie gezüchtete Muscheln oder Korallenriffen. Ich ließ mich mit der Strömung durch die Öffnung gleiten und sogleich wehte mir der Duft von gebratenen Korallenmuscheln entgegen. „Hey Nora! Komm in die Küche. Ich habe dir dein Lieblingsessen gemacht, denn ich wusste ja das du kommst." Ich musste bei Elenas Worten an meine Lehrstunde mit Ingiron denken. Er hatte mir alles über Tanà und seine Bewohner erzählt und mich mit den Regeln bekannt gemacht. Jede Meerjungfrau entwickelte eine spezielle Gabe, wenn sie alt genug war. Elena bekam Visionen aus der Zukunft, doch sie konnte sie nicht kontrollieren. Sie lebte seit 200 Jahre und das war für Meereswesen nicht sehr alt. Der Rat des Rechtes bestand aus den Ältesten von Tanà und war der Königin treu ergeben. Sie waren so alt, dass sie aufgehört hatten zu zählen. Manche sagten, dass sie schon seit dem Anbeginn der Zeit existierten und die unglaublichsten Fähigkeiten entwickelt hatten. Niath, unsere Königin, konnte unter anderem das Wahrnehmungsvermögen von anderen Wesen beeinflussen. Dadurch sind wir vor dem Blicken der Menschen geschützt. Aus derselben Magie besteht auch unser magischer Schutzwall, den sie Tag und Nacht aufrechterhält. Zum Rat gehören die mächtigsten und furchteinflößendsten Meermännern und Frauen von ganz Tanà. Sie waren diejenigen, vor denen Finn und ich uns in Acht nehmen mussten, denn sie hatten die unglaubliche Fähigkeiten. Michaela war die schönste unter ihnen und konnte sowohl Menschen-, als auch Meermänner in einen magischen Bann ziehen. Nesar war der stärkste und konnte alles zertrümmern und verformen. Ein weiterer, nennenswerter Meermann war Shisu. Er war der beste Schwertkämpfer und bewegte sich mit einer so präzisen Schnelligkeit, dass seine Konturen oft verschwammen und er schwer zu sehen war. Dies war auch seine Gabe. Wenn er sich genug konzentrierte, konnte er sich und eine weitere Person unsichtbar machen. Doch das besonderste Mitglied des Rates war Mahel. Er war ein Mensch und doch hatte er sich seinen Platz in Tanà verdient. Vor hunderten von Jahren hatte Mahel ein Mittel gefunden, um unter Wasser atmen zu können. Als er schließlich unsere Stadt entdeckt hatte, bewunderten ihn die Tanàianer so sehr, dass sie ihn in ihre Reihen aufnahmen und ihm die Unsterblichkeit schenkten. Mahel war der klügsten unter ihnen und wusste auf jede Frage eine Antwort. Jedes Jahr, wenn der der dritte Vollmond auf dem höchsten Stand war, versammelten sich alle Meereswesen und der Rat hielt eine Versammlung. Dort wurde entschieden, was verändert oder verbessert werden musste und wer das neue Oberhaupt werden sollte. Niath war schon seit über 100 Jahren die Königin von Tanà. Nach der Versammlung kam der Rat auf einen großen Platz und half dem Volk. Sie schlichteten Streit, beantworteten Fragen und gaben die neu getroffenen Entscheidungen bekannt. Das Volk liebte sie, doch gleichzeitig waren sie gefürchtet. Bei Verbrechen aller Art urteilten sie gnadenlos. Eine Kameradin von Elena hatte einem Menschen unsere Welt gezeigt und ihn in unsere tiefsten Geheimnisse eingeweiht. Als sie wieder nach Tanà kam, hat der Rat sie aus der Stadt verstoßen und ihr das Erylon verwehrt. Erylon war eine silberscheinende Flüssigkeit. Ohne das Erylon starben Meeresbewohner schon nach kürzester Zeit. Man konnte es mit dem Bedürfnis zu Trinken bei Menschen gleichstellen. Die Herstellung des Erylon war streng geheim und nur der derzeitig Regierende hatte die Möglichkeit dazu. Wenn ich an die Oberfläche ging, brauchte ich jedoch nichts zu nehmen, denn mein Vater war ein Mensch. Alle Tanàianer waren vollkommene Meereswesen und hatten deshalb keinen Kontakt mehr mit der Menschenwelt. Da ich ewig lebte, starben die Menschen, die ich liebte, vor mir. Die Gedanke daran, dass ich meine Familie und Finn nie wieder sehen würde. Meine Mutter...Sie hatte dasselbe wie Elenas Freundin getan, nur kannte sie den Rat und kam nicht mehr nach Tanà zurück. Sie blieb bei ihrem Mann, meinem Vater, den sie über alles liebte. Bei Menschen würde man so etwas Seelengefährten nennen, doch bei Meeresbewohnern ist es noch viel ausgeprägter. Die Seele findet das passende Gegenstück und will auf ewig mit ihm verbunden sein. Meine Mutter hatte dies in meinem Vater gefunden und alles für ihn aufgegeben. Da sie eine vollblütige Meeresbewohnerin war, hatte sie sich einer langwierigen und schmerzhaften Prozedur unterzogen, um von dem Erylonentzug nicht zu sterben. All dies hatte sie tat sie für Josh, meinen Vater, und auch er hätte es für sie getan, doch nun war er tot. Ein irrer Typ hatte sein Leben nur für das Geld in seiner Brieftasche beendet. Nun lebte meine Mutter allein, unfähig jemals wieder nach Tanà zurückzukehren. Deshalb waren Hybriden wie ich nicht gern gesehen. „Dir geht heute aber viel durch den Kopf, cheri!" Erschrocken zuckte ich zusammen. „Oh tut mir leid, ich wusste nicht, dass du so versunken warst." Lächelnd winkte ich ab. „Ach ist schon gut. War nur ein langer Tag." „Na dann lass es dir schmeckten", sagte sie hörbar erleichtert und tat mir eine große Portion drauf. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, doch weit mehr unangenehm war, was sie als nächstes sagte. „Ähm. Wie geht's denn Finn? '' Ertappt erstarrte ich während des Essens. „Du kennst doch meine Gabe. Also tu nicht so überrascht, Kleine. Du liebst ihn. So ist es doch. Und du hast dich wieder mit ihm getroffen." Ich hörte auf zu Essen, blickte jedoch nicht auf. „Du weißt, dass es mit jedem Mal gefährlicher wird, oder?" Ich warf die Gabel auf den Tisch und vergrub mein Gesicht in den Händen. „Ich weiß! Ich will ihm ja aus dem Weg gehen, aber er findet mich immer wieder! Ich weiß, dass ich ihn niemals mehr sehen darf, aber ich kann ihn nicht verlassen. Ich glaube es ist schon zu spät.", sagte ich leise und schwamm schnell aus dem Haus. Ich ignorierte die Rufe von Elena und näherte mich der Oberfläche. Ich wollte weg, wollte Abstand von allen im Meer. An der Oberfläche angekommen, schwamm ich schnell Richtung Strand. Ich verwandelte mich zu einem Menschen und lief in den Wald, denn ich wollte nachdenken. Das konnte man am besten auf dem Felsen auf der Spitze des Berges. Eine Stunde lang lief ich durch den Wald und kletterte grade den letzten Felsen empor, da hörte ich ein Geräusch. Vorsichtig spähte ich über den Felsenrand und sah Finn. Er spielte grade mit seiner Lieblingsgitarre. Ich kannte sie nur zu gut. Während der Pausen in der Schule hatten wir immer Lieder gesungen. Ich liebte den Klang dieses Instrumentes. Es kam dem, der Rindós sehr nahe. Rindós waren vergleichbar mit Gitarren. Sie wurden aus den feinsten Korallenbögen hergestellt und die Seiten bestanden aus sehr seltenem Seegras. Vor ein paar Jahren hatte ich die Ehre bei einem Konzert beizuwohnen. Der Klang der Rindós hüllte mich ein und die Musik schwebte fast greifbar im Raum. Finn hatte geschickte Finger und konnte wunderbar spielen. Ich beobachtete ihn sicher aus meinem Versteck und genoss diese Musik. Die Sonne ging langsam unter und bald würde sie die Wasseroberfläche berühren. Ich beschloss hinunterzugehen, bevor er mich sehen könnte. Langsam zog ich mich zurück, vergaß aber die rutschigen Steine unter meinen Füßen. Mein rechter Fuß rutschte unter mir weg und ich stieß gegen die harte Felswand. Außerstande mich zu bremsen fiel ich Richtung Erde. Mein Kopf schlug auf etwas Hartem auf. Mir wurde schwarz vor Augen und bevor ich das Bewusstsein verlor spürte ich noch, wie ich von Finn hochgehoben wurde. Das mit dem Fernhalten hatte ich ja großartig hinbekommen.
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Königin des Meeres
Viễn tưởngDer 18 jährige Finn Kostev hat sich in die bildhübsche Nora verliebt. Problem? Sie ist eine Meerjungfrau und nicht nur irgendeine, sondern eine ganz besondere. Bei dem Urlaub auf der Insel seiner reichen Eltern erfährt Finn, wie besonders sie ist...