Kapitel 7

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Nora

Ich hing in den Ketten, die aus reinem Stahl geschmiedet zu sein schienen. Aufgeben? Nein. So etwas kam für mich nicht in Frage. Aber ich musste meine Kraft auch nicht unnötig ausgeben. Dieser Gedanke brachte mich zu meiner Mutter zurück. An das Land...an ihre Trauer... „NEIN!" Ich riss mich aus den Gedanken und schüttelte den Kopf. „Nicht meine Mutter. Ich will nicht an sie denken!" Doch der Gedanke ließ sich nun nicht mehr aufhalten. Wie eine Sintflut brachen alle Erinnerungen über mich herein....

...Meine Mutter an ihrem Lieblingsplatz am Rande des Meeres. Die Luft riecht salzig und ist warm. Der laue Wind umspielt sie und lässt ihren langen Rock leicht wehen. Sie hat sich einen Stuhl und einen Tisch mitgenommen und liest ein Buch. Ich, grade einmal 7 Jahre, spiele im Sand. Ich lache, baue kleine Flüsse und Staudämme, während meine Mutter still ist. „Nora mein Kind. Ich muss dir etwas sagen, was ganz wichtig für dich, kleine Meerjungfrau, ist. Hörst du mir zu mein Kind?" Ich schaute sie an und hörte mit dem Spielen auf. Langsam ging ich zu ihr, sie hob mich hoch und setzte mich auf ihren Schoß. „Du, meine süße Nora, wirst eines Tages sehr mächtig werden. Deshalb haben die anderen Meereswesen Angst vor dir. Das weißt du ja?" Mein Lockenkopf nickte. „Gut. Du musst sehr stark sein mein Kind. Und wenn du dich richtig konzentrierst und deine Kräfte klug und weise einsetzt, wirst du eines Tages vielleicht sogar Königin." Sie lächelte. Bis heute wusste ich nicht, was sie lächeln ließ. Schon damals war für mich klar, dass Königin sein gefährlich und anstrengend war. Man musste viel Verantwortung tragen. „Ja Mama"....

Der Rest ging nur im Schnelldurchlauf an mir vorbei. Meine Mutter, wie sie mir beibrachte meine Kräfte zu sammeln und Wasser zu leiten.

Durch einen Schrei wurde ich in die Wirklichkeit zurückgerissen. Mein Körper bewegte sich schnell und präzise, so wie ich ihn noch nie hatte arbeiten sehen. Ich beugte mich in den Ketten weiter vor, um zu sehen, was der Parasit in meinem Körper vorhatte. Vor mir stand Finn. Die Augen vor Schreck geweitet und unfähig sich zu bewegen. In meiner Hand einen Dolch, der sich rasend schnell auf seinen Hals zubewegte. Der Parasit wollte Finn töten. „NEIN!" Durch meinen Körper raste eine große Wut, die mir unglaubliche Kräfte gab. Ich selber leuchtete in einem strahlenden Weiß und die Ketten um mich schmolzen wie Eis in der Sonne. Ich übernahm sofort die Kontrolle über meinen Körper und hielt das Messer an. Finn bewegte sich nicht, aber ich hatte ihn gerettet. Langsam wich meine Wut wieder der Freude und das Licht um mich wurde matter. Plötzlich schlangen sich wieder Ketten um mich und versuchten mir die Kontrolle zu entreißen. Mit aller Kraft wehrte ich mich dagegen und versuchte gleichzeitig meine Wut zu schüren, doch sie war fast verflogen. Da zog Finn mit einer Bewegung wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Er nahm die Hände herunter und sah mich an. Bei seiner Angst in den Augen traten mir die Tränen in die Augen. ,,Es tut mir leid", sagte ich, während mir die Tränen aus den Augen liefen. Schon wollte er auf mich zukommen, doch das war zu gefährlich. ,,Nein! Ich kann das Wesen nicht länger kontrollieren. Lauf Finn!" Ich wandte meine Konzentration wieder auf den Parasiten. Der kämpfte mit aller Kraft gegen mich und versuchte die Kontrolle wiederzuerlangen... Und er war stark. Ich wusste. Gleich würde ich ihn nicht mehr halten können. Gleich würde er Finn fangen und töten. ,,Keine Sorge mein Kind. Ich habe Finn geholfen und werde es wieder tun. Er braucht dich. Was aber wichtiger ist. Du brauchst ihn. Ihm wird nichts geschehen" Ich erkannte die Stimme und sofort ging es mir besser. ,,Danke Xavina." Dieser kleiner Hoffnungsschimmer ließ mich die Kontrolle verlieren. Die Ketten zogen mich wieder in die Schwärze und der Parasit fuhr zu Finn herum. Dieser stand an den Klippen und schaute mich nocheinmal über die Schulter an. Als der Parasit auf ihn zurannte, sprang er von der Klippe und verschwand im Meer. Meine ur-ur-uroma hatte den Rand der Klippe mit einem Bann belegt, sodass keiner Finn folgen konnte. Ich atmete erleichtert aus, was ein Fehler war, denn der Parasit wütete und nun richtete sich seine Aufmerksamkeit auf mich. ,,DU!" Die Ketten schlangen sich enger um mich und drückten mir die Luft ab. ,,DU LÄSTIGES BIEST" Die Stimme donnerte durch mich hindurch und die Macht, die darin enthalten war, setzte mich unter Strom. Ich unterdrückte den Drang zu schreien. Diese Genugtuung wollte ich ihr nicht geben. ,,Schrei für mich, kleiner Wurm. Schrei für mich oder ich zwinge dich dazu" Die Ketten würgten mich weiter und brachen mir bereits die Rippen, doch immernoch gab ich keinen Laut von mir. Langsam wurde die eiskalte und ruhige Wut, des Parasiten zu einer wilden Raserei. Tausend Nadelstiche prasselten auf mich ein und der Schmerz ließ mich ohnmächtig werden. Das letzte woran ich dachte war, dass ich zu meiner Schadenfreude keinen Mucks von mir gegeben hatte.

Königin des MeeresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt