Kapitel 1

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Spitzensportler ist ein rarer Beruf. Nicht nur, weil man mit größtmöglichsten körperlichen Aufwand einen Sport betreibt, sondern, weil man sich auch jederzeit verletzen kann und dann ist es aus mit der Karriere. Ein Tritt in den Oberschenkel reicht aus, um die Karriere eines Profifußballers zu beenden. Du setzt einen winzigen Schritt falsch und der Traum schneller als Usain Bolt zu laufen ist zerplatzt. Im Reitsport ist es genauso. Ein klitzekleiner Fehler und du könntest dich in Lebensgefahr begeben auf dem Rücken eines sechshundert Kilo schweren Tieres. Der Weg zu einem erfolgreichen Reiter ist hart. Man muss eins mit seinem Pferd sein, damit es Pirouetten dreht, über Häuser springt und Kutschen zieht. Das ist ein Sport, wo Vertrauen der Weg zum Erfolg und Angst keine Option ist. Wenn du die Angst fühlst, kann sich diese innerhalb weniger Sekunden auf das Pferd übertragen. Dann ist der Traum von Olympia vorbei, das ist garantiert. Reiten beinhaltet Risiko, ein großes Risiko. Jedoch halten viele den Weg zum Erfolg nicht durch und brechen zusammen, bevor sie das Ende des Weges erreicht haben. Manche bekommen Angst, andere gehen im Druck unter und wieder anderen wird es einfach zu viel, denn sie wollen einfach ein ganz normales Leben leben.

"Liv", eine freundliche Männerstimme ertönte neben dem Mädchen, das auf dem muskulösen Schimmelpony saß. Sie wandte ihren Blick. Dabei fiel ihr eine blonde Strähne in ihr Gesicht. Sie strich sie sich hinter das Ohr und sah dann wieder zu dem dunkelhaarigen Mann.

Sie kannte ihn ganz genau. Peter war schon seit Jahren ihr Trainer und mittlerweile war er für sie, wie ein Familienmitglied. Ihr Vater hatte ihre Mutter und sie verlassen, als sie noch ziemlich klein gewesen war und ihre Mutter war schon immer nicht die Mutter gewesen, die sich das Mädchen gerne gewünscht hatte, denn sie war sehr auf ihren Erfolg bedacht. Eigentlich nur auf ihren Erfolg. Somit war Peter so etwas ähnliches, wie ein Vater für sie. Neben den Pferden war er ihr einziger Freund.

"An der Dreifachen musst du aufpassen, dass Dino nicht zu schnell hineinkommt. Reite konzentriert, aber dennoch entschlossen vorwärts und lass ihn nicht so vorwärts schießen", erklärte der Trainer seinem Schützling. Demo's Dino wollte immer auf dem schnellsten Weg zum Ziel, somit zog das Schimmelpony vor den Sprüngen entsprechend an. Er war ein ziemlich erfahrenes Pferd, aber auch so eines konnte Fehler machen und heute sollte man es lieber nicht riskieren.

Liv sah in den Parcours. Noch sieben Starter, bis sie und ihr Hengst an der Reihe wären. In der Ponyszene gehörte sie schon längst zu den besten Reitern Europas und auch mit den Großpferden hatte sie sich mittlerweile einen Namen gemacht. Dennoch fühlte sie sich im Sattel ihres Ponys Dino am wohlsten. Mit ihm war sie bereits durch dick und dünn gegangen und die größten Erfolge gefeiert. Dem Connemara Pony lag das Springen einfach im Blut und man merkte, wie viel Freude es ihm bereitete.

Im Parcours war gerade ein Mädchen auf einem hochbeinigen Fuchs. Eine Britin. Die Briten waren diese Saison generell sehr stark und es wäre schwer sie zu schlagen, aber für Liv und ihren Schimmel war das keine wirklich große Herausforderung. Sie waren ein eingespieltes Team und harmonierten perfekt miteinander. Wenn es wirklich dieses eine besondere Pferd bei einem Reiter gab, dann wäre es bei Liv eindeutig Dino. Der Hengst war nun seit fünf Jahren, also seit ihrem zehnten Lebensjahr, bei ihr. Mit ihm hatte sie ihre Ponykarriere gestartet und würde sie nächstes Jahr auch mit ihm beenden, dass hatte sie sich geschworen.

Viel schwerer würde der Abschied danach werden, denn die ganzen schönen Momente, die sie zusammen verbracht hatten, konnte sie einfach nicht vergessen und das würde sie mit Sicherheit auch niemals. Dieses Pony war etwas ganz Besonderes. Das wusste Liv, das wusste auch Peter und die ganzen anderen Reiter auch. Im Grunde genommen, wusste das jeder, der etwas im internationalen Ponysport zu schaffen hatte, denn Lilliana Langhoff und Demo's Dino kannte so gut wie jeder. Zu viele Titel hatten sie errungen. Bayrischer Meister, Deutscher Meister, Europameister im Einzel und mit der Mannschaft. Man könnte sagen, im Leben dieses Mädchens könnte es nicht besser laufen.

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