Dreiunddreißig.

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Ich war froh, dass wir Freitag hatten und ich das Wochenende nicht arbeiten brauchte, denn ich hatte schwerwiegende Probleme einzuschlafen. Ich wälzte mich diverse Stunden in meinem Bett umher. Doch meine Gedanken ließen mich nicht richtig zur Ruhe kommen.
Ich wusste nicht wirklich, was ich fühlen sollte. Sollte ich glücklich sein? Ich meine, das ist man doch normalerweise, wenn man von jemanden geküsst wird, in den man sich verliebt hat. Erwiderte Liebe ist doch das Schönste, was auf diesem Planeten zu finden ist. Aber gilt dies auch, wenn besagte Liebe zwei kleine Kinder inklusive Familie ermordet hat? Wenn diese bereits im Knast und in psychiatrischer Behandlung gesessen hatte? Ich wusste es nicht. Das Einzige, was mir durchaus klar war, war das wir Beide - Thaddeus und ich - alles andere als normal waren. Ob es so toll war, in diesem Maße vom Standard abzuweichen, war für mich ebenfalls fraglich.

Mir war klar, dass ich zu keinem Ergebnis kommen würde und meinen Schlaf somit an den Nagel hängen konnte. Also schwang ich mich aus dem Doppelbett, das viel zu groß für mich allein war und ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Wenn ich schon nicht schlafen konnte, dann könnte ich wenigstens mal wieder ein gutes Buch lesen, für das mir in den letzten Monaten die Zeit gefehlt hatte. Ein entspannter Leseabend konnte mir vielleicht auch dabei helfen, meine Gedanken endlich mal abzustellen. 

Als ich mich für ein Buch entschieden hatte und mich wieder in meine Decke einkuschelte, war es bereits weit nach Mitternacht. Doch allzu weit sollte ich mich nicht ins Buch vertiefen können, denn kurze Zeit später klopfte es an meiner Tür. Meine Nachbarn hatten öfter mal das Bedürfnis nachts Kuchen zu backen. Vielleicht brauchten sie Zucker oder so etwas in der Art. Da ich immer auf eine gute Nachbarschaft aus war, wollte ich sie natürlich nicht vor verschlossener Tür stehen lassen, also stampfte ich in den Flur und drückte die Klinke hinunter.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich meine Nachbarn erwartet hatte und wenn nicht wen sonst, aber das hatte ich ganz sicher nicht in Gedanken gehabt.
"Thaddeus? Was zum Teufel machst du denn hier?", fragte ich, offensichtlich hin und her gerissen zwischen Überraschung und Verwirrung.

"Ich...", setzte er zur Erklärung an, kam aber nicht weit, da er wohl nicht wusste was er zu sagen hatte.

"Geht es... geht es dir gut?" Okay, das war wohl die dümmste Frage, die ich je in meinem Leben gestellt hatte. Er sah schrecklich aus. Wirklich schrecklich. Wenn ich dachte, dass er die letzten Tage schon schlimm und kränklich ausgesehen hatte, dann wurde ich spätestens jetzt eines besseren belehrt.

Er schüttelte den Kopf, als fehle ihm die Kraft zum sprechen. Seine Haare fielen ihm glanz - und kraftlos ins Gesicht. Meine Güte, er sah tatsächlich aus, als wäre er gerade aus einem mehrjährigen Koma erwacht!

"Komm erstmal rein", meinte ich zögerlich und trat aus dem Türrahmen, damit er Platz hatte. Er schien nichts weiter dabei zu haben, außer einem relativ kleinen Rucksack. Ich lotste ihn ins Wohnzimmer, um endlich Klarheit darüber zu bekommen, was um alles in der Welt er mitten in der Nacht vor meiner Haustür macht.

Thaddeus setzte sich auf die Couch, ich mich auf den Sessel ihm gegenüber. Die ganze Situation erinnerte mich paradoxerweise ziemlich stark an unsere Gespräche im Gefängnis. Nur dass er damals eindeutig bedrohlicher ausgesehen hatte.

"Also, jetzt einmal ganz in Ruhe. Erzähl mir, warum du hier bist."

Er starrte auf seine Finger, die er in seinem Schoß verschränkt hatte. "Ich..ich kann das nicht mehr. Ich dachte, ich würde das durchhalten. Aber...aber es geht nicht. Es macht mich kaputt, Evelyn! Die ganzen weniger guten Horrorfilme haben Recht. Wirst du in die Klapse eingewiesen, obwohl du nicht verrückt bist, dann zerstört es dich. Ich.. ich pack das nicht mehr. Ich...bitte... hilf mir."

Sein letzter Satz war nur noch ein ersterbendes Flüstern, dass den Tränen nah klang. Ich wusste, dass er Recht hatte. Es war ihm mehr als nur klar anzusehen. Ich wollte ihm helfen. Ich konnte nicht dabei zu sehen, wie er von innen zerstört wurde. Es würde mich kaputt machen.

Also überlegte ich fieberhaft nach einer geeigneten Lösung. "Ich..ich werde sehen, was sich morgen tun lässt. Ich geb' mein Bestes, versprochen. Hast du einen Platz, wo du schlafen kannst?"

Er schüttelte nur mit dem Kopf.

"Ardy?"

Wieder ein Kopfschütteln. "Ist über's Wochenende bei seinen Eltern."

"Uhhm und Dana?"

Er lachte schwach, aber ohne Freude. "Ich hab dich heute geküsst und jetzt denkst du ich geh' zu meiner Ex-Freundin?"

So doof es in dieser Situation auch klang, aber sein letztes Wort freute mich schon innerlich.

"Nun gut, doofe Frage. Dann wird dir vermutlich nichts anderes übrig bleiben, als heute auf meiner Couch zu übernachten. Ist das okay für dich?"

Endlich ein Nicken. "Klingt wie der Himmel, im Gegensatz zur Klapse."

Ich glaubte ihm aufs Wort. Ich gab ihm die zweite Bettwäsche, die eins Tom gehört hatte, aus meinem Bett und zeigte ihm das Badezimmer. "Brauchst du sonst noch irgendwas?"

"Nein. Du hast schon so viel für mich getan. Ich bin dir so unendlich dankbar!"

"Okay, dann gute Nacht, Thaddeus!"

"Schlaf gut, Evelyn!", flüsterte er.

Das Gespräch hatte mich ermüdet, dennoch schlief ich in dieser Nacht nicht mal zwei Stunden.


~~~

Dam Dam Dam Plot Twist (⋋▂⋌)

Ok, ich hab heute meine erste Note in diesem Jahr bekommen. 14 Punkte in Französisch und das obwohl ich gefühlt, gerade mal sagen kann, wie ich heiße :')

Wie läuft's bei euch so?

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Machts gut!
Lali

The Psychopath || Taddl||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt