Mitternachtssnack

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Auf dem Heimweg war ich so aufgedreht wie noch nie. Mit einem Dauergrinsen im Gesicht lief ich neben Amira her und erzählte ihr von unserem Gespräch. Nicht aber von dem Kuss, das behielt ich erstmal für mich. 

Ich: Und dann hat er gesagt, wir sollten uns mal treffen. Aber nicht alleine, das kommt bisschen doof oder? Wollen wir uns morgen mit ihm treffen?Also nur, wenn du Lust hast..Hast du Lust?

Ich stellte so viele Fragen auf einmal und machte soviel Fässer auf, dass Amira gar nicht hinterher kam und einfach gar keine Frage beantwortete. Sie schien den ganzen Weg über bedrückt. Vielleicht hatte ich sie vernachlässigt. Klar, wir haben uns das ganze Jahr über nicht gesehen und ich renn als erstes zu Hicham. Um ihr eine kleine Freunde zu bereiten, backte ich mit meiner kleinen Cousine, mein kleines Krümmelmonster, ein paar Muffins. Ich füllte eine Kanne Tee und bat Amira mir aufs Dach zu folgen. Teil 2 meiner Wiedergutmachungsaktion : die ganze Nacht durchquatschen. Und welches Thema bietet sich da am besten an?Ganz offensichtlich.

Ich: Und?Gibts was neues?Oder wen neues? 

Sie lachte verlegen. Konnte erstmal nichts sagen, sondern nickte nur. Ganz schlecht, jetzt würde ich sie erst Recht mit nervigen Fragen löchern.

Amira: Ich hab dir doch mal von einem Mohamed erzählt. Letztes Jahr, kurz bevor ihr gegangen seid.

Ich: Mohamed..?

Ich musste eine Weile überlegen, da Mohamed kein seltener Name war und Amira bestimmt schon hundert Mohameds erzählt hatte. Aber dann kam die Erleuchtung.

Ich: Mohamed, dein Lehrer?? Dein Mathelehrer?

Ich musste ich echt zusammenreißen, nicht plötzlich loszulachen, das war ja wirklich so absurd. Aber in Marokko würde es mich nicht wundern, wenn so eine Beziehung zwischen Schüler und Lehrer legal wäre. Sie begann also zu erzählen, dass sie seit letztem Jahr Kontakt über Facebook hatten, was ich selbst damals mitbekommen habe, allerdings als eine Nichtigkeit abtat. Jetzt war die ganze Sache ernst, er hätte schon mit ihrem Vater geredet und würde bald kommen, um um ihre Hand anzuhalten. 

Ich: Krass, ich dachte nicht, dass es wirklich so schnell geht. Und dass du dich endlich für einen entscheidest zwischen den ganzen Walids, Mohameds, Kamals, Jamals.

Ich fing an zu lachen und musste prompt auch den ersten Box in die Seite einstecken. Wir unterhielten uns noch lange über die Vor- und Nachteile eines Mathe Lehrers als Ehemann und es wurde mal wieder viel gelacht.  Irgendwann kam Siham dazu. Sie musste natürlich auch von ihrem neuen "Er ist DER eine" Macker erzählen, sodass es nur noch lustiger wird. Wenn Siham anfing über die wahre Liebe zu reden...

Spät abends im Bett fiel mir dann die Idee ein, um Amira nicht gegen ihren Willen zu den Verabredungen mit Hicham schleppen zu müssen. Sie war schon halb am schlafen, aber dann doch irgendwie halb am Telefon mit Mohamed. 

Ich: Psst, Amira...Frag mal Mohamed, ob er morgen Zeit hat. 

Übermüdet und verwirrt sah sie mich an, fragte dann aber trotzdem.

Amira: Er hat Zeit. Wieso?

Ich: Dann soll er morgen mitkommen, wenn ich, also wenn wir uns mit Hicham treffen..Er wird doch nichts dagegen haben, ich meine, ihr seid so gut wie verlobt. 

Amira sah mich entsetzt an und schob das Telefon aus ihrer Reichweite.

Amira: Spinnst du?Das ist total unangenehm. Hicham ist immer noch mein Onkel. Ich weiß nicht mal, ob er von Mohamed weiß. 

Ich: Dein Vater wird seine Tochter verheiraten, die erste, und das soll er seinem Bruder nicht erzählt haben?Bitteee..für mich.

Sie flüsterte ein paar Sätze ins Telefon und legte dann auf. Da Mohamed nur arabisch sprach, konnte ich kein Wort verstehen.

Ich: Ja, was ist jetzt?Kommt er mit?Kommst du mit?Gehen wir morgen?

Amira: Jajaja!

Ich klang wie ein nerviges Kind, das unbedingt die Süßigkeiten an der Kasse haben wollte. Amira war schon weggedöst, aber ich konnte einfach keinen Schlaf finde. Irgendwas hielt mich davon ab. War es Aufregung? Nein, wovor sollte ich denn aufgeregt sein. Ich freute mich eigentlich auf Hicham. Endlich mal wieder ungezwungen etwas unternehmen, ohne dass ich die ganze Zeit an den ganzen Stress und Souad denken musste. Dann keine Aufregung.. vielleicht Hunger? Ich überlegte, was ich den ganzen Tag gegessen hatte, aber mir fiel nur der Muffin von eben gerade ein. Mein Magen knurrte, also stand ich doch wieder auf und schlich in die Küche. Zu meinem Verwundern sah ich das Licht dort noch brennen. Ich konnte aber niemanden hören. Das war einer dieser Momente, in denen ich mich wie in einem Horrorfilm fühlte. Und ich war das Opfer. Ich schob voll die Filme und malte mir aus, dass das Licht von selbst angegangen sei und dass irgendein Jinn auf mich in der Küche warten würde. Aber wen ich dann dort antraf, verwunderte mich noch.

Ich: Hicham?!

Er hörte auf im Schrank zu kramen und drehte sich zu mir. Dann lächelte er.

Hicham: Du siehst schon richtig. Wen hast du hier erwartet? Jinns, die mit dir Tee trinken wollen. 

Er kam auf mich zu und reichte mir die Hand. Händeschütteln zur Begrüßung?Naja, besser als der "freundschaftliche" Kuss.

Ich: Was suchst du denn hier? Es ist mitten in der Nacht.

Hicham: Ehmm, klingt jetzt total bescheuert, aber ich brauch so ein Zeug. So ein Pulver, was Najat mal hier gelassen hat, als sie ausgezogen ist. In so einer blauen Dose mit weißer Schrift.

Ich konnte so eine Dose vom weiten sehen und zeigte auf den Schrank daneben. 

Hicham: Oh, danke!Du hast mich gerettet. Ich schulde dir was.

Ich: Kann ich das jetzt einlösen? Ich hätte gern ein Spiegelei.

Er sah mich einen Moment lang an, nicht sicher, ob ich es Ernst meinte. Dann lachte er und holte eine Pfanne raus. Wir stellten uns in den "Kochraum" und schlossen hinter uns ab, um nicht so viel Lärm zu veranstalten.

Hicham: Soso, die Welt von heute. Der Mann kocht und die Frau schaut zu. 

Ich aß das Ei, oder zumindest das, was ich abbekam und nicht auf dem Boden oder in Hichams Mund landete, mit einer Gabel aus der Pfanne. Dann gingen wir wieder in die Küche.

Ich: Soll ich Tee machen?

Er sah nervös zur Tür und dann auf seine Uhr.

Ich: Die schlafen doch alle. Wer soll denn jetzt noch in die Küche kommen. 

Hicham: Kleine, verfressene Salmas, die unbedingt um halb 3 Spiegelei wollen?

Ich: Hey, du hast die Hälfte gegessen!

Hicham: Haha jaaa und es war mit Abstand das beste Spiegelei, das ich je gegessen hab. Aber ehmm...Er starrte wieder nervös auf die Uhr...Ich muss jetzt wirklich gehen, ich bin schon viel zu spät, Souad wird mich umbringen. 

Ich: Wieso?Du kommst sonst immer, wann du willst.

Hicham: Nein aber ich muss..sie wartet. Sie brauch das hier.

Er schnappte sich die Dose und war auch dann schon mit einem Bein aus dem Haus. 

Ich: Warte, wer bringt mich zum Schlafzimmer? Wenn die Jinns nicht in der Küche waren, dann bestimmt im Flur.

Dämliche Ausrede, aber ich tat alles, damit er noch eine Minute länger blieb. Er begleitete mich also an die Schlafzimmertür und nahm dann den anderen Ausgang. Aus dem Balkon winkte ich ihm noch zu. ,,Schlaf gut, Angsthase" rief er leise zu mir hoch.


Sommer à la HichamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt