Kapitel 3

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Zum ersten mal bekam ich also die Gelegenheit, mich in unserem Gefängnis umzusehen. Allem Anschein nach war es der Keller des Juwelierladens, denn an den Wänden waren Kartons und kleine Schachteln mit Aufschriften wie Bergkristall oder Rhodium aufeinandergestapelt und hie und da erhaschte man einen Blick auf den glänzenden Inhalt. An der Wand vor mir, etwa einen Meter von meinem Stuhl entfernt, stand eine uralte Werkbank inklusive einem verrostetem Schraubstock, doch das Werkzeug auf der Arbeitsfläche sah sogar von hier so verstaubt aus, dass ich deren Benutzung stark anzweifelte. Doch hinter der Bank war etwas, das mein Interesse erheblich ansteigen ließ: Ein Luftschacht. Mein Gehirn begann automatisch, Fluchtpläne zu schmieden. Wenn auch nur ein einziger von uns hier rauskam, konnte er die Polizei verständigen ...

„Leute, es gibt noch Hoffnung", verkündete ich. Keine Antwort. „Hallo?".

Ein Blick zu Nici sagte mir, dass es bei ihr aussichtslos war – sie starrte gebannt auf das Ticket zu ihren Füßen, als ob sie es durch pure Willenskraft auf ihren Schoß fliegen lassen wollte. „Jungs?".

„Ich glaube, er hat ihn ausgeknockt", informierte Harry.

Ich drehte meinen Kopf so weit es ging. Durch den Schlag war Ni die graue Kapuze vom Kopf gerutscht und offenbarte nun strubbliges, blondes Haar. Sein Kopf hing leicht zur Seite und bewegte sich nicht. Ich stieß ihn mit meinem eigenen an. „Hey". Nichts. „Du hast recht".

Na toll. Damit steckten hier unten ein k.o geschlagener Idiot, ein Boyband-versessenes Fangirl und zwei tatenlos herumsitzende Kichererbsen fest. Womit hatte ich das verdient?

Harry begann, mit dem Fuß auf den Stuhl seines Freundes einzutreten. Als ob ihn das aufwecken würde. Als etliche Minuten vergangen waren und Ni noch immer keinerlei Lebenszeichen aufzeigte, platzte mir beinahe der Kragen. Dieses stetige Klopfen machte mich wahnsinnig! „Kannst du BITTE damit aufhören?", fuhr ich Harry scharf an.

„Hast du ne bessere Idee?".

„Alles ist besser, als diese nervtötende Schepperei!".

„Dann schlag was vor".

Ich hätte schreien können. Okay, Allie. Beruhig dich, Kampfgeräte einfahren und benimm dich wie ein zivilisierter Mensch. „Tut mir leid".

Harry grunzte überrascht und trat noch ein letztes mal mit aller Kraft gegen das hintere Stuhlbein von Nialls Stuhl, als dieser plötzlich seinen Kopf mit einem Ruck hochschnellen – und ihn SCHON WIEDER gegen meinen krachen ließ. Stöhnend zog er ihn zurück, wobei er etwas murmelte, das sich nach „Fuck" anhörte.

„Pass doch auf!", herrschte ich ihn an, bevor ich mich zurückhalten konnte. Ich biss mir schuldbewusst auf die Lippe. So ungern ich es zugab – er trug ja schließlich keine Schuld.

Ni hustete und spuckte etwas aus. „Du könntest ruhig ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen!". Seine Stimme klang rauh und erschöpft. „Immerhin hab ich deiner Freundin gerade den Arsch gerettet".

„Tut mir leid", brummte ich ein weiteres mal, diesmal an Ni gerichtet.

„Deine Stimme ...", murmelte Nici, die von ihrer Umgebung offenbar rein gar nichts mitbekommen hatte. Sie starrte noch immer auf das Konzertticket. „Du hörst dich an wie Niall Horan".

Kurze Pause. Zum millionsten mal verfluchte ich diese Räubertypen dafür, dass sie uns auf diese Art aneinandergebunden hatten, denn so konnte ich die Gesichtsausdrücke der Jungs nicht einmal annähernd sehen. Ich war davon überzeugt, dass die beiden hinter unseren Rücken immer wieder schräge Blicke tauschten und sich fragten, mit welchen kranken Zicken sie hier drin gelandet waren.

Aber noch mehr regte mich Nici auf. Wir waren von verrückten Räubern und einem gewalttätigen Riesen gefangen genommen worden, und alles, woran sie denken konnte, war One Direction?

Night Of Captivity (1D-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt