Kapitel 4

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Alles was man hörte, war mein lautes unregelmäßiges Atmen. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich zitterte am ganzen Körper. Ich versuchte mich an sämtliche Verteidigungszauber zu erinnern, doch mir fiel nicht einer ein. Meine Angst schlug in Panik um und ich fing an, noch schneller zu atmen.
Plötzlich flammte Licht auf und ich blickte direkt in diese Augen, die der Grund für meine schlaflose Nacht gewesen waren. Das Gesicht des Jungen, dem sie gehörten, befand sich keine 20cm von meinem entfernt. Mein Puls beschleunigte sich erneut, doch dieses Mal nicht vor Angst. Erneut wurde ich mir bewusst, wie gut er eigentlich aussah. Seine Augen leuchteten golden im Schein des Lichts seines Zauberstabs. Seine Haut war blass und makellos. Und seine Lippen... ich zwang mich zu anderen Gedanken.

"Wer ich bin, wirst du ja inzwischen wissen", sagte er in überheblichem Tonfall. Natürlich wusste ich inzwischen wer er war! Doch mir gefiel seine Überheblichkeit nicht, da konnte er noch so hübsch sein. Ich kniff die Augen zusammen und erwiderte patzig: "Nein, woher sollte ich das denn wissen? Soweit ich mich errinnere, hatte ich bis jetzt noch nicht das Vergnügen." Er knurrte leise und seine Augen glitzerten gefährlich. Ich spürte, wie etwas gegen meine Kehle drückte und erkannte, dass es sein Zauberstab war, ließ mir jedoch nichts anmerken und schaute trotzig zurück. "Hör zu", schnauzte ich ihn an, "es ist mir egal was du alles für Folter-Zaubersprüche kennst. Du kannst doch nicht erwarten, dass du mich nur in einen dunklen Raum schubsen und ein bisschen mit deinem Zauberstab vor meiner Nase rumfuchteln musst und ich tu alles was du willst!"

Erst jetzt merkte ich, was ich da eigentlich gerade getan hatte. Ich war alleine in einem Raum mit dem Typen, vor dem sich die ganze Schule fürchtete und der nebenbei auch den Cruciatus-Fluch beherrschte, was zufälligerweise die schlimmste Foltermethode ist, die es gibt. Und ich schnauzte ihn an. "Super Leonie, das hast du ja mal wieder ganz toll hingekriegt!", schimpfte ich mich innerlich aus und bereitete mich schon auf die Schmerzen des Cruciatus-Fluchs vor.

Doch es passierte nichts. Ich blickte zu Tom und war total verwirrt, als ich sah, wie ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. "Du hast also doch schon von mir gehört", sagte er und ich hörte leichten Spott in seiner Stimme. Dieser arrogante Kotzbrocken! Wie kann man denn nur so eingebildet sein?!
Ich starrte ihn böse an. Er schien zu bemerken, wie sehr ich mich über ihn aufregte, denn sein Lächeln vertiefte sich ein bisschen. "Du weißt also, was ich will. Jeder in dieser Schule unterwirft sich mir, Leonie. Meinst du nicht, dass es klug wäre, dass auch zu tun?" Ich lachte kurz auf und sagte dann höhnisch: "Soll ich dich etwa auch MyLord nennen? Jetzt mal ehrlich, findest du das nicht ein bisschen lächerlich?" Jetzt schien er langsam die Geduld zu verlieren. "Tu was ich dir sage, oder du wirst es bitter bereuen. Du ekelhaftes Schlammblut!"

Bitte?! Hatte ich mich verhört, oder hatte er mich gerade als Schlammblut beleidigt? Jetzt kochte ich vor Wut.
"Was ist eigentlich dein Problem?!", schrie ich. "Glaubst du etwa ich bin weniger Wert als du, nur weil meine Eltern Muggel sind?" "Selbstverständlich", meinte er trocken. Das war zu viel. Ich stürzte mich auf ihn, fest entschlossen ihn in Stücke zu reißen. Doch er war natürlich viel stärker als ich. Er fing meinen Schlag ab, drückte mich an die Wand hinter mir und hielt meine Arme links und rechts von meinem Kopf mit eisernem Griff fest. Ich versuchte mich loszureißen, doch ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen. Er kam so nahe an mich heran, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich konnte seinen kühlen Atem spüren, als er sich noch ein Stück weiter vorbeugte und mit drohender Stimme langsam sagte: "Tu. Das. Nie. Wieder. Hast du mich verstanden?" Ich nickte und er starrte mich noch ein paar weitere Sekunden an, die quälend langsam verstrichen. Dann endlich ließ er mich los, drehte sich um und war verschwunden, bevor ich auch nur wieder Luft holen konnte.

Langsam rutschte ich an der Wand herunter und versuchte mich erst einmal wieder zu beruhigen. So saß ich da, bis Dany mich fand und rief, welche Sorgen sie sich um mich gemacht hätte und was ich denn die ganze Zeit hier gemacht hätte und ob es mir überhaupt gut ginge. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich an dieser Wand gesessen hatte und bekam Danys Monolog nur am Rande mit. Ich erklärte ihr immer wieder, dass es mir gut ginge und fragte sie dann, wie viel Zeit überhaupt vergangen war, seit wir uns getrennt hatten.
"Du warst die ganze Doppelstunde weg! Da wirst du nächste Stunde aber was zu erklären haben. Riddle war auch nicht da. Ich frag mich, wo der schon wieder... warte mal." Langsam dämmerte es ihr. "Leo? Du erzählst mir jetzt sofort was in den letzten zwei Stunden passiert ist!"
"Sag mal, müssen wir nicht zum Unterricht?", wich ich aus. Dany sah mich mit diesem Wenn-Du-Mir-Jetzt-Nicht-Sofort-Erzählst-Was-Passiert-Ist-Blick an und ich sah, dass ich keine Chance hatte. "Schon gut, ich erzähl es dir beim Mittagessen, okay? Ich will nicht auch noch für die nächsten beiden Stunden eine Erklärung finden müssen, warum ich nicht zum Unterricht gekommen bin."
Ich sah Dany an, dass sie nicht ganz zufrieden mit dieser Antwort war. Mit einem tiefen Seufzer gab sie sich jedoch schließlich geschlagen und meinte nur: "Na dann komm."
Ich lächelte sie an und gemeinsam gingen wir zum Kräuterkunde-Unterricht, wobei wir allerdings noch einen Umweg über die Toiletten nahmen, diesmal jedoch zu zweit.

Während mir Dany unterwegs erzählte, was ich alles in Verteidigung gegen die dunklen Künste verpasst hatte, war ich mit meinen Gedanken ganz bei Tom Riddle und dem Moment, als er mich an die Wand drückte und ich ihm so unfassbar nah war. In diesem Moment hätte ich mich mehr fürchten sollen, als in meinem ganzen Leben je zuvor.
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich in diesem Moment jedoch nicht mal einen Anflug von Angst verspürt hatte. Das Gefühl, das mir in diesem Moment einen Schauer über den Rücken laufen ließ und das mich schneller atmen und mein Herz schneller schlagen ließ, war das komplette Gegenteil von Angst gewesen.

Und wenn ich jetzt an diesen Moment dachte, hinterließ er nur ein leichtes Kribbeln, dass sich in meinem ganzen Körper ausbreitete.

Dark Love (Tom Riddle FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt