(13) Sturzflug

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Ich bin gefangen. Ich weiß es. Schmerzhaft schneiden die Fesseln in meine Haut und die Dunkelheit, die mich täglich umgibt, lässt meine Gedanken stumpf werden. Irgendwer hält mich fest und ich wüsste gern, wer das ist, denn ich bin mir sicher, er tut es zu Unrecht. Manchmal versuche ich mich daran zu erinnern, wie die Farben aussahen, oder wie es war, frische Luft zu atmen, doch meistens kann ich nicht mal unterscheiden, ob ich wach bin oder schlafe. Wahrscheinlich bin ich sowieso schon tot.

Und doch ist plötzlich etwas anders. Ich kann nicht beschreiben, was ich sehe, fühle oder schmecke, denn zu lange schon habe ich meine Sinne nicht mehr benutzt. Zuerst ist es ein unangenehmes Gefühl, ich möchte mich davor verschließen, reiße die Hände vors Gesicht - und merke, dass sie nicht mehr angebunden sind. Langsam öffne ich meine Augen... Und werde geblendet von der Helligkeit, die auf mich einströmt. Die Sonne liebkost meine unbedeckte Haut, ein frischer Wind fährt in meinen Körper und zwingt mich zum Atmen.

Dazu fällt mir nur ein sehr altes Wort ein:

Auferstehung.

Langsam gewöhnen sich meine Augen wieder an ihre Aufgabe und ich blicke mich um. Mein nackter Körper steht auf dem Gipfel eines Berges, meine Füße versinken Knöcheltief im Schnee, doch ich spüre nur Wärme von allen Seiten. Die Welt um mich herum liegt unter einer dichten Wolkendecke, wie ein weißes Meer schweben sie auf und ab.

Vielleicht ist das gar nicht die Auferstehung? Vielleicht ist es das Paradies?

Ein Schrei lässt mich zusammenzucken. Ich schaue mich um und da sehe ich ihn. Ein schwarzer Vogel stürmt auf mich zu, hinter ihm tauchen noch weitere auf - ein ganzer Schwarm. Dem Schrei nach sind es Raben. Die blanken Schnäbel glitzern in der Höhensonne und ihre Augen funkeln gefährlich. Ich lasse sie auf mich zu kommen, was soll ich auch tun? Vielleicht nehmen sie mich ein Stück mit? Als mich der erste Rabe erreicht, stehe ich ganz still.

Mit einer einzigen, ruckartigen Bewegung verpasst er mir einen tiefen Schnitt quer übers Gesicht. Schmerz explodiert auf meiner Haut und mit einem Mal spüre ich wieder die Fesseln an meinen Handgelenken, während der ganze Schwarm mit messerscharfen Schnäbeln über mich herfällt und mein Blut den klaren Schnee und die Wolken tränkt.


SHB1240 - 24.04.1265 - 12:05

Unausgeschlafen, aber mit bester Laune verließ Simon das Wächtergebäude und steuerte auf seinen Wagen zu. Das Monatsmeeting war sehr erfolgreich gewesen, Simon war offiziell der Mitarbeiter mit der höchsten Aufklärungsquote. Als Belohnung hatte er den Abend frei bekommen. Kein spontaner Auftrag, keine Kontrollmeldungen, nichts würde heute dazwischen kommen. Und ich weiß schon genau, wie ich diese Zeit verbringen werde...

Bis dahin hatte er allerdings noch einen größeren Auftrag zu erledigen, für den er sich vorbereiten musste. Zwei Verhaftungen, allerdings mitten in der Stadt und im Trubel der Mittagszeit.

Gemütlich schlenderte Simon durch die belebten Straßen. Er war so gut gelaunt, dass er fast ein Lied gesummt hätte. Für ihn war die Stadt heute perfekt, er sah keinen alten Beton, keine grauen Wände, keinen rostigen Stahl. Simon sah nur das Leuchten der unzähligen Masken um ihn herum und die dazugehörenden Menschen, die ihm als Wächter eilig Platz machten. Wenn mich jetzt Eric sehen würde! Er würde mich nicht wieder erkennen.

Auf einer Bank in der Nähe des Zielortes machte er kurz Halt, um die Personenortung zu starten. Seit dem letzten Update seiner Maske, das ihn ein kleines Vermögen gekostet hatte, konnte er den Standort jeder beliebigen Person verfolgen und zusätzlich sämtliche Überwachungskameras in dem Bereich zu Hilfe ziehen.

Die Stadt der MaskenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt