Es ist dunkel und ich kann mich nicht bewegen. Nach über 3 Stunden in dieser Zelle sind das die Erkenntnisse, zu denen ich gekommen bin. Woher ich weiß, dass es drei Stunden sind? Keine Ahnung. Ich weiß es einfach. Seit dem Vorfall in Miles Wohnung verändert sich etwas in mir. Meine Sinne sind geschärfter und mein Zeitgefühl auch. Obwohl es wirklich komplett dunkel ist, kann ich genau sagen, dass meine Zelle etwa 3x3 Meter groß ist und außer mir und einem weiteren Stuhl niemand hier ist. Und ich weiß, dass ich in der Mitte des Raumes sitze. Und ich werde allmählich verrückt. Nachdem ich die erste Stunde damit verbracht habe, alles zusammen zu schreien, bin ich nun dazu über gegangen, noch einmal über die Ereignisse der letzten Tage und auch über mein gesamtes Leben nachzudenken.
Tatsächlich gab es immer wieder Unstimmigkeiten. Die Art und Weise, wie Miles und Dad miteinander reden. Dass ich immer schon körperlich fit war, ohne auch nur den kleinen Finger zu rühren. Mein heimliches Interesse an Waffen und Kampfsport aller Art. Die vielen Momente, in denen ich mich beobachtet gefühlt habe. Und die Angst, die ich jedes Jahr zu meinem Geburtstag in den Augen meines Vaters und auch von Miles gesehen habe.
So viele Dinge, die ich einfach ignoriert habe. Weil ich gar nicht wissen wollte, was da los ist. Warum das alles so ist, wie es nun mal ist.
„Miles hatte Recht!", entfährt es mir auf einmal. Als ich jedoch merke, dass ich das gerade laut ausgesprochen habe, versuche ich, mir die Hand vor den Mund zu halten, um die Worte daran zu hindern, nach draußen zu gelangen. Aber ich bin ja gefesselt. Und es ist ohnehin zu spät. In diesem Moment öffnet sich die Tür und es erscheint die Silhouette eines Körpers, den ich gut zu kennen gedacht habe.
„Womit hat Miles hat recht?", fragt Shane mich mit einer Stimme, die irgendwie nicht ganz seine ist.
„Damit, dass Bananen am besten mit Schokolade schmecken. Versteh mich nicht falsch. Bananen sind super lecker. Aber mit genug Schokolade...."
„HALT DIE KLAPPE!", schreit er mich an und gibt mir eine schallende Backpfeiffe. Ich versuche, mich zusammen zu reißen, um nicht zu weinen, so sehr brennt es. Aber ich schaffe es nicht. Ich merke, wie sich erst eine und dann noch eine Träne den Weg über meine rote Wange bahnt. Ich sehe ihn an und kurz meine ich, den echten Shane zu sehen. Den Shane, der mich noch vor ein paar Stunden getröstet hat.
Doch schon im selben Moment, ist er auch schon wieder verschwunden.
„Zurück zu meiner Frage. Womit hat Miles recht?", fordernd guckt er mich an. Ich traue mich nicht, etwas zu sagen. Seine gesamte Körperhaltung ist falsch. Das hier ist nicht Shane.
„Das du ein Nephilim bist, weiß ich ja schon. Aber es scheint, dass deine Kräfte blockiert wurden. Ich frage mich, wieso."
„Ich weiß nicht", sage ich leise.
„Doch. Das weißt du ganz sicher", sagt er ruhig. „Und ich weiß es auch. Immerhin hast du es meinem anderen Ich erzählt. Du bist die Nephilim-Prinzessin." Er sieht mich an. Seinem anderen ich. Also scheint mein Shane irgendwo da drin zu sein. Ich habe also noch eine Chance.
„Es ist schon wirklich interessant, dass ihr beiden euch begegnet sein. Man könnte meinen, es ist Schicksal. Immerhin ist unser beider Erwachen am Selben Tag."
„Die Prüfung", entfährt es mir. Seinem Grinsen nach zu urteilen habe ich recht.
„Ganz recht. Die Prüfung. Es ist schon ein wenig ärgerlich, dass Er dir so viel erzählt hat. Aber das ist jetzt, wo du hier bist auch egal."
Er macht mir Angst. Panische Angst. Die Art und Weise, wie er das sagt, bedeutet nichts gutes. Ich versuche zu schreien, aber es kommt kein Ton heraus. Ich kann nicht mehr sprechen. Panisch schaue ich mich um und schließlich landet mein Blick auf einen lachenden Shane.
„Du kannst erst wieder sprechen, wenn ich es will. Siehst du die Runen um dich herum? Die hindern dich am Sprechen. Ich habe sie gerade aktiviert", gehässig läuft er um mich herum. Auch ich schaue auf den Boden. Jetzt, wo etwas Licht in dieses Gefängnis kommt, kann ich erkennen, wovon er spricht.
In Roter Farbe sind um mich herum merkwürdige Zeichen auf den Boden gemalt worden. Das sind Runen, sagt eine Stimme in meinem Kopf.
„Jedenfalls brauche ich ein Opfer für die Zeremonie. Ich weiß allerdings noch nicht so ganz, ob ich dich oder deinen Möchtegern Beschützer nehmen soll. Er hat sich zwar bereist angeboten, aber du wärst perfekt für die Aufgabe."
Ich versuche, ihn zu fragen, was genau das bedeutet. Was ich machen muss, aber das geht ja nicht. „Du möchtest doch bestimmt wissen, was du dafür machen musst. Weißt du was? Ich verrate es dir. Es ist auch ganz einfach. Das wirst sogar du hinbekommen. Das einzige, was du tun musst, ist sterben."
Ruhe. Was darauf folgt, ist absolute Ruhe. Selbst wenn ich reden könnte, wüsste ich nicht, was ich sagen soll. Soll ich weinen? Soll ich schreien? Doch tatsächlich ist mein erster Impuls ein anderer. Du musst kämpfen, sagt die Stimme in meinem Kopf. Kämpfen? Ich? Ich habe doch keine Ahnung davon. Panisch schaue ich Shane an. Doch dieser fängt nur an zu lachen und holt ein Messer aus seinem Hosenbund. Das ist eigentlich der Augenblick, indem ich panisch werden sollte. Doch dem ist nicht so. Adrenalin schießt durch meinen Körper. Ich bin bereit, zu kämpfen. Etwas verändert sich in mir. Ich bekomme wieder Kopfschmerzen, doch dieses Mal fühlen sie sich anders an. Der Schmerz breitet sich aus. Erst den Rücken herunter, dann in die Glieder. Als er schließlich in meinen Zehenspitzen gelangt, schreie ich auf. Shane zuckt zusammen. Nein. Das stimmt nicht. Er wird gegen die Wand geschleudert.
„Du widerliche Schlampe. So ein Mist. Derek! Komm sofort her!", ruft er aus der Tür heraus. Sofort erscheint ein Mann mit schwarzen Augen im Türrahmen. All das nehme ich nur aus den Augenwinkeln war.
Die Handfesseln. Entferne sie. Sagt die Stimme wieder. Ich schaue sie an und zerre daran. Überrascht stelle ich fest, dass sie ganz leicht abgehen. Und auch die restlichen Fesseln sind schnell Geschichte.
Aber was soll ich jetzt machen? Derek und Shane gucken mich an. Sehe ich da etwa leichte Panik in deren Augen? Ich muss mich irren. Beide schauen in meine Richtung. Vorsichtig mache ich einen Schritt nach vorne. Als nichts passiert, werde ich Selbstbewusster. Ich verlasse den Runenkreis und mache noch einen weiteren Schritt in Richtung Shane.
Als Miles den Raum betritt steht Jamie mitten im Raum. Sie leuchtet wie es sonst nur Erzengel tun. Alle Dämonen in diesem Haus sind tot. Sie hat sie alle vernichtet. Er geht sofort in die Knie um ihr seinen Respekt zu zeigen. Sie ist eine Prinzessin. Ohne jeden Zweifel ist sie der Prophezeite Nephilim auf den sie alle gewartete hatten. Hinter ihm stehen Gabriel und Amy. Sie waren ins Haus eingebrochen, um die beiden zu retten. Scheinbar hatte Michael ebenfalls von dem Desaster gehört und die beiden gefunden. Er hatte Jamies Blockade vollständig gelöst. Eine andere Möglichkeit, ihr Leben zu retten, hatten sie nicht gesehen. Michael war damit ein großes Risiko eingegangen. Eine Blockade vor der Volljährigkeit zu lösen, kann den Körper schweren Schaden zufügen, wenn er die Verwandlung nicht verkraftet. Doch Jamie hat die Verwandlung perfekt abgeschlossen.
Erst in dieser Sekunde bemerkt Miles, dass Shane noch immer im Raum steht. Doch er scheint sich nicht bewegen zu können.
„Ich sage es nur noch einmal. Wie kann ich dich töten ohne ihn zu töten?", keift sie ihn an. Sie hatte nicht mal bemerkt, dass Miles und die anderen ebenfalls anwesend waren. Nein. Sie hatte sie sicher bemerkt. Nur ignorierte sie sie.
„Ich sage es DIR noch einmal. Ich. Verrate. Es. Dir. Niemals! Verabschiede dich schon mal von ihm. Denn ich werde die Prüfung auch ohne dich bestehen und er wird sterben!" Plötzlich gab es einen großen Knall und er war verschwunden.
„Scheiße. Wo is-" Schnell steht Miles auf, um Jamie aufzufangen. Sie fällt in seine Arme.
„Wir bringen sie nach Hause. Dort kann sie sich erholen", sagt Gabe und die drei machen sich auf den Weg zum Portal.
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Nephilim - Die Prinzessin
FantasyDie 17 Jährige Jamie ist schwer damit beschäftigt, ihre Geburtstagsfeier vorzubereiten. Leider sind ihr bester Freund Miles und ihr Vater ihr da keine große Hilfe. Tatsächlich benehmen sich die beiden immer merkwürdiger, je näher dieser Tag kommt...