Kapitel 2 - unerwarteter Besuch

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"Ach ich weiß nicht. Denk doch mal an den ganzen Zickenkrieg, den es da gibt. Darauf kann ich gut verzichten.", beim Gedanken an das unnötige und sehr peinliche gezicke rümpfte ich die Nase.
"Das ist doch nur gestellt, Madison. Dadurch wird das alles spannender. Außerdem wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt.", Lassie lächelte und schob ihren Rollstuhl einmal durch das Wohnzimmer zu dem großen Regal. Sie nahm ein Bild heraus und kam wieder zu mir:" Du hast dich gerade von dem Schachkopf getrennt. Da brauchst du auch kein schlechtes Gewissen mehr haben."
"Die Trennung ist erst zwei Wochen her! Da werde ich doch nicht direkt an einer Single Castingshow teilnehmen.", ich nahm ihr das Bild aus der Hand und ließ es in einen Mülleimer gleiten.
"Aber was ist wenn du dich in Dayton Edison verliebst?", fragte Lassie mich und lächelte scheinheilig.
"Klar, dann heiraten wir und ich heiße Madison Edison? Nie im Leben!"
Meine beste Freundin prustete los:" Ja, das ist wirklich ein Problem."
Jetzt musste auch ich breit grinsen.
"Aber dieses Problem kann man durchaus vermeiden. Dayton Shepherd würde nämlich auch passen. Also müsste er nur deinen Namen annehmen."
Nervös strich ich mir durch meine kurzen braunen Haare. Tatsächlich schaffte es Lassie mehr und mehr mich zu überzeugen.
Sie sah es mir natürlich sofort an:" Also? Nimmst du Teil?"
Bevor ich ihr antwortete atmete ich einige Male tief durch:" Ja, einen Versuch ist es wert. Und wenn ich nicht genommen werde ist es ja auch nicht schlimm.", murmelte ich und setzte mich auf den Ohrensessel. Geschickt stahl ich ihr den Laptop vom Schoß und legte ihn auf meine Beine.
"Dann wollen wir mal.", sagte ich und versuchte mich so weiter zu motivieren.
Leider wurden alle Angaben, die Lassie schon eingegeben hatte gelöscht.
"Name: Madison Shepherd. Alter: 19, Beruf: Studentin..." Nach einigen Minuten hatte ich gerade mal die Hälfte der Fragen beantwortet:" Gott, die wollen ja wirklich alles wissen. Von Blutgruppe über Grundschule... Sollte man nicht Dayton überlassen alle Kandidaten besser kennen zu lernen?"
Ohne eine Antwort zu geben riss mir meine Freundin den Laptop aus der Hand und gab die Fragen für mich ein. "Los, Los. Jetzt geh zur Uni. Wegen mir musst du nicht alle Lesungen verpassen.", sie lächelte mich an und ich nickte:" Es wäre kein Problem. Wenn du mich brauchst dann ruf mich einfach an."
Lassie nickte und schob mich aus dem Wohnzimmer:" Jetzt mach schon!"
Lachend verabschiedete ich mich von ihr und griff meine Tasche wieder auf. Den gleichen Weg, wie ich ihn heute schon zwei mal gegangen war nahm ich wieder.

Die Wochen zogen ins Land und langsam vergaß ich, dass ich mich für diese Show beworben hatte. Der Winter kam und ging. Meine Bewerbung war nun schon zwei Monate her und auch Lassie schien das alles vergessen zu haben. Sie hatte andere Probleme. Laut den Ärzten hatte sie noch Ca. 10 Monate zu leben und sie strukturierte unsere Tage so, dass wir maximal viel Zeit miteinander verbringen konnten.
An Abend, an dem sie mich für die Castingshow angemeldet hatte, hatte ich ihr gesagt, dass ich es nicht will, weil sie nicht mehr so viel Zeit hat. Doch Lassie sagte nur, dass sie schon immer wusste, das sie kein allzu langes Leben führen würde und dass sie es nicht gedacht hätte ihren 20. Geburtstag mitzuerleben. "Das ist deine Chance zum Glück, Madie. Du solltest sowas nicht wegen mir aufgeben, eines Tages wirst du eine Freundin finden, die du noch viel mehr lieben wirst als mich und dann kannst du mich endlich vergessen", sie lächelte mit Tränen in den Augen und ich versprach ihr, dass ich sie niemals vermissen werde. Dann fielen wir uns weinend in die Arme.
Doch dieser Abend schien nun schon so lange her, die Anmeldung und die gesamte Castingshow war in den Hintergrund gerückt.
Bis es eines Abends, während wir gerade Pizza in uns hineinstopften und irgendeinen Horrorfilm sahen, an unserer Tür klopfte.
Lassie und ich schrieen gleichzeitig auf und lachten dann. Kurz schaute ich auf die Uhr: 22:47 Uhr.
Ich stand auf und ging, noch mit einem Pizzastück in der Hand, zur Tür und öffnete sie. Normalerweise bekamen wir abends keinen Besuch mehr, nicht, dass wir generell oft Besuch bekamen. Schlicht und einfach ging ich davon aus, dass es Jared, Lassies Bruder war. Doch als ich die Tür öffnete und mit vollem Mund:" Komm rein, Jared, wir haben noch Pizza für dich.", murmelte erkannte ich einen Mann im Anzug.
"Guten Abend. Spreche ich mit Ms. Madison Shepherd? Ich komme von Mr. Peeta Edison und soll sie abholen."
Fast hätte ich ihm die Pizza auf den Anzug gespuckt, so erschrocken war ich.
"Von Edison? Wegen dieser komischen Show?", fragte ich, nachdem ich die Pizza runtergeschluckt und den Rest hinter meinem Rücken versteckt hatte.
"Ja, ich komme von dieser 'komischen' Show. Haben sie denn unseren Brief nicht erhalten?"
Einen Brief? Nö, Lassie und ich bekommen grundsätzlich kaum Post.
"Nein.", sagte ich gedehnt.
"Okay, dass erklärt einiges. Vielleicht sollten wir uns irgendwo hinsetzen und alles in Ruhe besprechen.", sagte der Mann und ging, ohne hinein Gebeten worden zu sein an mir vorbei in den Flur.
Er zog seinen Anorak aus und hängte ihn auf:" Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin Mr. Johnson, der Assistent von Mr. Edison."
Der Anzug des Mannes sah sehr teuer aus und als ich an mir herab blickte sag ich nur ein ausgewaschenes Shirt, dass sich am Bauch spannt.
In den letzten Monaten hatte ich etwas zugenommen, doch bis jetzt hatte mich es nicht gestört. Schützend hielt ich meine Arme davor verschränkt, damit der Mann nichts dazu sagen könnte. Doch da reichte er mir eine Hand.
"Madison Shepherd.", sagte ich höflich und nahm seine Hand.
Dann führte ich ihn in unser Wohnzimmer und schämte mich direkt noch einmal.
Dort herrschte, wie immer, ein gemütliches Chaos. Ein Stapel Zeitung und Zeitschriften lagen auf dem kleinen Wohnzimmertisch und verdeckten ihn so komplett.
An unserer Kommode hing ein Zettel mit Dingen die ich einkaufen musste. Außerdem ein Plan mit meinen Kursen. Die Blumen auf unserer Fensterbank ließen der Reihe nach die Köpfe hängen und die Kuscheldecke, die ich mir vorher über die Beine gelegt hatte, lag zerknüddelt auf dem Boden.
Mr. Johnson ging wie ein Storch im Salat zwischen den ganzen Klamotten und Taschen durch zu dem Esstisch, auf dem die halb aufgegessene Pizza lag. Peinlich berührt sammelte ich die Klamotten auf und warf sie auf einen großen Haufen.
Lassie wendet verwirrt den Blick vom Fernseher ab und schaut erst den Mann und dann mich an.
"Wir haben Besuch, Lassie.", verkündigte ich völlig unnötigerweise.
Erschrocken dreht sich der Mann um und starrt Lassie an. Starrt auf ihren Rollstuhl.
"Ja, also das ist Lassie, meine Mitbewohnerin.", stellte ich sie vor und stellte mich zwischen die beiden.
"Hallo.", sagte meine Freundin in einer viel zu hohen und piepsigen Stimme.
"Guten Abend. Tut mir leid, dass ich sie so spät noch stören muss."
"Kein Problem.", lächelte meine Freundin und schob ihren Rollstuhl zum Tisch. Auch Mr. Johnson setzte sich auf einen der bunt zusammen gewürfelten Stühle, gegenüber von meiner Freundin.
Ich nahm Platz, allerdings neben dem Rollstuhlplatz.
"Also, ich bin hier, weil ich Sie, Ms. Shepherd, abholen wollte. Sie sind nämlich dabei, bei 'Lovebattle'", er sagte das mit einer so übertrieben feierlichen Stimme, dass ich mich schwer zusammenreißen musste, um nicht los zu prusten.
Mit einem Seitenblick zu Lassie wollte ich sichergehen, dass es ihr auch so geht, doch sie war ganz hingerissen. Mit großen, fast ehrfürchtigen Augen starrte sie den Mann an:" Wirklich? Madie ist wirklich dabei und darf Dayton Edison treffen?", fragt sie mit ihrer neuen, piepsigen Stimme.
Wohlwollend nickt der Mann und lächelt:" Das wird sie. Vielleicht lernen sie ihn ja auch mal kennen."
Ein leises Seufzen entfuhr ihr und ich schaute sie entsetzt an. Scheinbar hatte ihre Schwärmerei für Dayton Edison ein neues Level erreicht.
"Aber... Ich bin doch gar nicht vorbereitet. Ich wusste das alles ja gar nicht.",sagte ich und schaute den Mann an.
"Ja, dass ist wirklich ein Problem. Deshalb werde ich kurz mit Mr. Edison telefonieren müssen."
Synchron nickten Lassie und ich, und der Mann verließ den Raum.

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