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  In meiner Stadt öffnete vor kurzem ein neues Restaurant: Das Feast. Ein kleines Lokal, welches sich schnell als Geheimtipp für die herrlichsten Kostbarkeiten herumsprach.

Ich wohne in einer ruhigen Kleinstadt. Ein idyllisches Plätzchen an einem See, etwas weiter von größeren Städten, Autobahnen und der allgemein herrschenden Hektik entfernt. Trotz der florierenden Tourismusbranche ist hier nicht allzu viel Chaos. Selbst wenn, vor allem im Sommer, Touristen kommen, um ein paar warme Tage am See zu verbringen und beim Bummeln durch die Stadt die Seele baumeln zu lassen. Oder um sich einfach mal in Ruhe um nichts kümmern zu brauchen und sich in den Hotels und Restaurant bedienen zu lassen.

Ich bin früher auch häufig in die vielen Restaurants und in die guten, etwas hochwertigeren Pommes-Buden gegangen. Wenn man nicht so viele Freunde hat, mit denen man ins Kino, zu Konzerten oder gar zum Sport gehen kann, dann geht man eben etwas essen. Vor allem, wenn man ein Feinschmecker ist und etwas von Essen versteht, so wie ich. Ich hatte jedes Restaurant der Stadt besucht, Listen meiner Lieblingsgerichte und Lieblingslokale aufgestellt, hatte Amateurrezensionen auf Yelp verfasst und berichtete in einem Blog über meine neusten Entdeckungen. Bis das Feast eröffnete. Es gab eine kleine Einweihungsveranstaltung und selbst in der Zeitung wurde es verkündet. Das Restaurant schien ein relativ bekanntes und erfolgreiches Etablissement zu sein, denn es hatte fünf Sterne und offenbar mehrere Filialen in größeren Städten, obwohl noch nie vorher jemand davon gehört hatte.

Als ich davon hörte, stand für mich sofort fest, dass ich diesem Restaurant einen Besuch abstatten musste. So schnell wie möglich! Am nächsten Wochenende wollte ich das Feast besuchen. Ich sparte sogar etwas Geld dafür, da es teuer werden würde. Es war schließlich ein fünf Sterne Lokal mit diversen Auszeichnungen. Am Samstagabend war es dann endlich so weit. Ich zog mir einen Anzug an, richtete meine Frisur, benutzte etwas Eau de Toilette und hob mir etwas Geld ab...150$ um genau zu sein. Es mochte vielleicht etwas irrsinnig sein, an einem Samstagabend, ohne Reservierung, ein neueröffnetes Spitzenrestaurant zu besuchen, aber ich ging am liebsten samstags essen. Man konnte sich besser entspannen und das Essen genießen. Ich stand nicht unter Zeitdruck und die Chancen jemanden aus meiner Klasse zu treffen waren gering, da meine Altersgenossen lieber in überfüllte Diskotheken oder auf laute Parties gingen. Als ich fertig war, verabschiedete ich mich von meinen Eltern und lief zu Fuß, um den Kreislauf etwas in Gang zu bringen und den Hunger zu steigern, zum Feast.

Schon von draußen sah das Feast faszinierend aus: Aus den kunstvoll verzierten Fenstern drang Kerzenschein, die fünf goldenen Sterne, die entlang der penibel gestrichenen Fassade hingen, waren aufpoliert und wurden von kleinen Scheinwerfern angeleuchtet und über den Mahagonitüren, die den Eingang zierten, hing in einer schnörkelhaften, vornehmen Schrift der Name des Restaurants: Feast. Der Oberkellner, der mich am Anfang des Roten Teppichs empfing, musterte mich mit einer Mischung aus Geringschätzigkeit und Erstaunen. „Einen Tisch für eine Person bitte", sagte ich freundlich, seinen unhöflichen Gesichtsausdruck ignorierend. Er sagte nichts, sondern nahm einen Telefonhörer ab und drückte auf eine gelbe Taste auf dem Telefon, das auf dem Empfangstresen stand. Erst dann wandte er sich mir zu: „Einen Moment bitte." Kurze Zeit später kam ein Mann im Anzug herein. Er sah weder aus wie ein Kellner, noch wie ein Koch, jedoch empfing er mich sehr viel freundlicher, als der erste Mann. Sofort entschuldigte er sich für die Wartezeit: „Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten, Sir", begann er. Er hatte eine sehr charmante und höfliche Art. Noch nie hatte man mich Sir genannt. Ich war schließlich erst 19 und sah nicht wie ein Erwachsener mit einem Job aus. Er fuhr fort: „Ich bin hier der Geschäftsführer. Wissen Sie, das Feast gehört zu den bestrenommierten Restaurants des Landes. Unserer Speisen müssen einen gewissen Standard erreichen und das ist sehr kostspielig. Wir haben die Befürchtung, dass wir Ihnen leider nichts bieten können." Es schien ihm wirklich Leid zu tun. „Schon gut", erwiderte ich freundlich, „das macht nichts. Ich habe genug Geld bei mir." Der Herr im Anzug blickte mich zweifelnd an: „Ich fürchte Sie verstehen nicht, Sir. Das billigste Gericht ist der Antipastiteller und der liegt bei 250$..." „Oh, das kann ich wirklich nicht bezahlen", entfuhr es mir und ich ließ traurig den Kopf hängen. „Nunja, zurück zu den einfachen Restaurants", dachte ich. Und im selben Moment, als hätte er meine Gedanken gelesen, rief der Geschäftsführer wohlwollend: „Ach! Wir haben neueröffnet, es läuft gut, ich mache Ihnen ein Angebot: Sie dürfen sich ein Gericht aus der Karte aussuchen und bezahlen das, was sie haben. Der Rest geht aufs Haus." Noch nie hatte man mich so freundlich, höflich und gut behandelt. Eifrig stimmte ich zu. Der Oberkellner entschuldigte sich für sein Verhalten und brachte mich an einen schönen Tisch.

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