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Vorwort: Wie es anfing

Im Rückblick könnte ich behaupten, dass es die Schuld meiner Lehrerin war. Andererseits wäre ich wohl irgendwann anders auch dahinter gekommen, daher sagen wir einfach: sie hat die Dinge etwas beschleunigt.

Es war kurz vor den Sommerferien, die Zeit, in der in der Schule eigentlich nicht mehr viel gemacht wird, außer darauf zu warten, dass mal wieder hitzefrei verkündet wird. Meine Klassen- und zugleich auch Deutschlehrerin hatte uns allen eine Runde Wassereis mitgebracht. Nun saßen wir alle auf unseren Plätzen, schlürften an unserem Eis und warteten auf das obligatorische "wies aussieht, haben wir heute früher aus".

Doch dann stand unsere Lehrerin plötzlich auf und sagte: "Ich möchte, dass ihr euch über die Sommerferien ein paar Notizen macht." Gequältes Stöhnen kam zur Antwort aus unseren Mündern. "Nein, keine Sorge", fügte sie hinzu. "das wird euch nicht viel Arbeit machen. Wie ich bereits erwähnt habe, werden wir uns nächstes Schuljahr mit dem Thema Referate und dem Sprechen vor einer Zuhörerschaft auseinandersetzen. Daher möchte ich, dass sich jeder in den Ferien ein paar Notizen über sein liebstes Hobby macht, damit wir diese im neuen Jahr zu einem Referat verarbeiten können."

Nun grinsten alle - alle außer mir. Sofort stieg der Lärmpegel, weil jeder seinem Nachbarn erzählen wollte, welches Hobby er nehmen würde. Ich stand langsam auf, so als wollte ich meine Eisverpackung in den Mülleimer werfen, blieb jedoch vor dem Tisch meiner Lehrerin stehen. Sie sah mich fragend an. "Frau B., ich weiß nicht worüber ich schreiben soll." Bevor sie jedoch etwas erwidern konnte, fügte ich hinzu: "Verstehen sie mich nicht falsch, ich will mich nicht drücken. Es ist nur so... naja... ich... naja ich hab einfach keine Hobbies." Nun war es raus. Erstaunt sah sie mich an. Dann überlegte sie einen Moment, etwas was ich schon immer an ihr gemocht hatte. Sie antwortete nie sofort auf eine unerwartete Frage, sondern versuchte erst einmal das Motiv dahinter zu erkennen und antwortete dann meist sehr zutreffend.

"Ich finde das unglaublich, womit ich nicht sagen will, dass ich deine Worte anzweifle.", begann sie nun langsam. "Du hast mir mal erzählt, dass du sehr viel liest. Und nun denkst du, dass sich Lesen als Hobby vielleicht nicht gut macht und ich muss dir da ein wenig recht geben. Auch ich lese zwar ungemein gern, aber man kann einfach nicht wirklich ein Referat darüber halten, nicht wahr?" Auch das mochte ich an ihr. Immer, wenn sie einem Schüler eine persönliche Antwort gab, spielte so ein leichter Funken von Belustigung um ihre Augen. Als gäbe es in der Antwort einen verborgenen Scherz, den nur sie kannte.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, Frau B. so ist es nicht. Es ist einfach so, dass ich außer Lesen nichts tue, was die Bezeichnung Hobby verdient." Ich blickte ein wenig betreten auf den Boden, denn ich fand diese Reaktion angebracht. Wieder überlegte sie einen Moment, bevor sie sprach: "Nun, dann bekommst du von mir eine andere Aufgabe." Sie lächelte und auch ich tat es. "Du wirst dir einfach die Sommerferien zum Anlass nehmen, dir ein Hobby zu suchen. Und über deine Versuche, ein Hobby zu finden, kannst du dann deine Notizen führen. Wäre das in Ordnung für dich?" Sie stellte die letzte Frage tatsächlich so, als wäre die Antwort wichtig. Ich nickte langsam, dann mit Begeisterung. "Ja, das klingt super. Danke!", antwortete ich schnell und huschte an meinen Platz zurück.

Einführung: Gedanken zum Thema

Gleich am ersten Tag der Sommerferien begann ich mit meinem Projekt. Ich hatte mir in den letzten Schultagen ein paar Gedanken dazu gemacht. Zum einen hatte ich mir die Frage gestellt, was denn ein Hobby nun genau ist, woran man es festmacht, dass es ein Hobby ist und nicht nur eine kurzweilige Beschäftigung. Die Antwort hatte ich gefunden, als ich mir die Hobbies meiner Familie und Freunde ins Gedächtnis gerufen hatte. So unterschiedlich deren Lieblingstätigkeiten waren, sie hatten doch alle etwas gemeinsam: sie waren mit absoluter Leidenschaft dabei. Und hier lag der Schlüssel, um mein eigenes Hobby zu finden: auch wenn ich gern las oder andere Dinge gern tat, bisher hatte ich nichts gefunden, was in mir eine Art Leidenschaft hervorgerufen hätte.

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