~1~ Pfirsichfarbene Ballkleider und widerwillige Baronessen

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"Mom", quengelte ich. "Lass mich los!"

"Nein!" Sie hielt mich mit ihrem Schraubstock-Griff weiterhin fest am Arm gepackt. "Du ziehst jetzt dieses Kleid an." Vorwurfsvoll hielt sie mir mit der freien Hand das pfirsichfarbene, wadenlange Kleid hin.

Ich starrte es wütend an. Es war das Symbol für meinen Untergang. Trotzig schüttelte ich den Kopf, so dass meine blonden Haare meiner Mutter nur so um die Ohren flogen. Wenigstens lockerte sie dadurch ihren Griff ein wenig.

"Sei nicht so störrisch. Du wirst entzückend darin aussehen! Dem Prinzen wird es sicher auch gefallen!"

Oh mein Gott, nicht diese Leier schon wieder. "Mom, ich gehe nicht zu dieser Feier und lasse mich vom alten Adel beglotzen und am Ende an irgendeinen preußischen Prinzen verkaufen."

"Herrgott noch mal, Mariella!" Meine Mutter kniff wütend die Augen zusammen und schüttelte mich. "Zum hundertsten Mal: Du wirst auf dieser Party nur, wie alle anderen adligen Mädchen im heiratsfähigen Alter auch, dem Kronprinzen von Preußen vorgestellt. Und er ist nicht irgendein Prinz, er ist der Enkel des letzten deutschen Kaisers und besitzt Milliarden!" Sie riss die Augen auf. Doch dann, bevor ich etwas darauf erwidern konnte, nahm sie mich plötzlich in die Arme.

Okay, das war neu... Meine Mutter, die Herzogin von Bayern, war nicht gerade für ihre Gefühlsausbrüche bekannt.

Als Mom erneut zu sprechen begann, klang ihre Stimme rau und belegt. "Ich will doch nur, dass du eine gesicherte Zukunft vor dir hast. Du bist jetzt 21 Jahre alt und kannst nicht mehr jeden Tag mit deinen kleinen Geschwistern im Garten herumalbern und dich schmutzig machen."

"Warum nicht?", wollte ich fragen, verkniff es mir aber.

Mom seufzte und hielt mich dann eine Armeslänge entfernt von sich weg. "Du wirst dich jetzt zusammenreißen, dieses Kleid anziehen und endlich mal einen jungen Mann kennenlernen. Hast du mich verstanden?"

Allerdings, das hatte ich auch schon vor zwei Stunden. Nur tun wollte ich es nicht. "Mom, bitte lass mich noch eine kleine Weile Kind sein. Nur noch ein Jahr!", bettelte ich.

"Mariella, du bist schon lange kein Kind mehr, und es wird Zeit, dass auch du das endlich einsiehst." Sie schwieg, doch ich wusste genau, was sie dachte.

Bevor mein Vater vor zwei Jahren gestorben war, ging es unserer Familie noch blendend. Wir hatten ein glückliches Leben in Wohlstand und Liebe geführt, doch seit Dads Tod war alles anders. Meine Mutter war verbissen und kalt geworden. Plötzlich war es ihr wichtig, was andere über uns dachten, und sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, mich mit einem hochrangigen Adeligen zu verheiraten, damit wir wieder zu Ansehen und in alle Klatschspalten der Tageszeitungen kamen. Ich seufzte, denn ich wusste, dass sie gewonnen hatte. Wie sollte ich mich auch gegen dieses Argument wehren? Also gab ich meinen Widerstand auf.

Kaum hatte ich mich widerwillig in das pfirsichfarbene Tüllmonster gequetscht, klatschte meine Mutter begeistert in die Hände. "Du siehst umwerfend aus. Es ist perfekt für den Empfang morgen Nachmittag. Für den Ball nehmen wir noch ein langes Kleid mit."

Na super. Sie hatte also schon alles minutiös durchgeplant. Wirklich spitzenklasse! Ich verdrehte die Augen und ließ mich rückwärts auf mein Himmelbett fallen. Meine Mutter hatte vor, mich wie ein Pferd meistbietend an den preußischen Prinzen zu verschachern.

Als wir am nächsten Tag in die Limousine stiegen, warf ich einen sehnsüchtigen Blick in Richtung unserer alten Pferdeställe. Sie standen verlassen wie trauernde Steinriesen am Rande unseres Anwesens. Seit dem tödlichen Reitunfall meines Vaters vor zwei Jahren hatte Mom uns verboten zu reiten und alle unsere Pferde verkauft. Ich vermisste meine braune Stute Hazel immer noch sehr. Dieses Pferd hatte ich wirklich abgöttisch geliebt. Doch ich hatte keine Zeit mehr, um Hazel zu trauern, denn unser Butler und Fahrer Harry schloss in diesem Augenblick die Tür unserer Stretch-Limousine und fuhr los.

Mom, die mir gegenübersaß, drückte mir meine kleine Schwester Clementina in den Arm, die trotz ihrer zwei Jahre immer noch fast kein Wort sprach. Mom wühlte derweil in Klatschmagazinen, die sie überall um sich herum verteilt hatte.

"Die Zeitungen sind voll von der Brautschau des Kronprinzen, aber nirgendwo ist ein Foto des Prinzen abgebildet. Er liebt die Presse wohl nicht besonders." Mom seufzte.

Im Gegensatz zu meiner Mutter interessierte mich die Klatschpresse einen feuchten Hühnerfurz. Während sie weiter vor sich hin plapperte, wie schade es doch sei, dass wir kein Foto von Prinz Karl hatten, wippte ich Clementina auf meinem Schoß hin und her.

Auf den Sitzen neben mir lachten die Zwillinge, meine siebenjährigen Schwestern Luisa und Sophie, über die Grimassen, die Clementina zog.

Ich grinste. Meine blonden Schwestern waren einfach allesamt zuckersüß und sahen heute in ihren schicken, pastellfarbenen Kleidchen ganz bezaubernd aus.

Mein Bruder Christian hatte da weniger Glück gehabt. Moms eisigem Willen war es zu verdanken, dass er in einen Anzug mit Krawatte gesteckt worden war, an der er dauernd herumzog. Mit seinen 13 Jahren hatte er bisher nur ein einziges Mal einen Anzug tragen müssen, und das war bei der Beerdigung unseres Vaters gewesen.

Bei diesem Gedanken schnürte sich auch bei mir die Kehle zu. Ich zog an den Trägern meines pfirsichfarbenen Tüllkleids, doch das half nicht besonders, das Gefühl zu vertreiben.

Zum Glück war da auf Mom Verlass. Gerade hielt sie mir ein Foto von einem Mann hin, der wie ein bulliger Schlägertyp aussah.
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