5000$ || Noch 13 Tage

54 5 0
                                    

In der Nacht hatte ich schlecht geschlafen. Ständig hatte ich an den nächsten Tag denken müssen, an die Reaktionen auf meinen neuen Kleidungsstil, aber auch an Thomas.

Bisher hatte ich ihn nur kurz auf dem Schulhof gesehen oder in der Zeitung. Thomas war recht groß, aber schmal gebaut, hatte blondes lockiges Haar, rosane Lippen und braune, große Augen.
Damit fiel er in den unteren Durchschnitt an gutaussehenden Typen an unserer Schule.

Aber er hatte Geld. Und das schoss ihn in die Top 5 der heißesten Typen unserer Schule.
Was Geld aus einem Menschen machen konnte .. Im positiven Sinne.

Vor dem Spiegel machte ich mir eine eine-Minute-Flechtfrisur, die ich irgendeiner Youtuberin angeschaut hatte und zog meine neue Kunstlederhose, die schwarzen Stiefel mit hohem Absatz und ein dunkelrotes bauchfreies Oberteil an.
Das war ich nicht.
Dann malte ich mir die Lippen noch dunkelrot an und verwandelte meine Augen in etwas in die Richtung: »Smokey Eyes.«

Niemals wollte ich eines dieser Mädchen sein, die sich für einen Jungen komplett veränderten. Für mich war es immer wichtig gewesen, dass ich mir treu blieb. Und jetzt hatte ich mich so verunstaltet, nur um einen Jungen zu gefallen, den ich nicht mal mochte.
Und das Geld. Dafür tat ich es doch.

Nicht, dass Geld mir nicht wichtig war. Mit Geld stand einem die ganze Welt offen. Wir hatten nicht wenig Geld, es reichte immer für einen Urlaub und ich bekam auch gutes Taschengeld.

Nur konnte ich mit zehn Dollarn die Woche nichts gegen die 5000$ ausrichten, die ich Rivus schuldete.

Ich packte meinen Rucksack, warf ihn mir über die Schulter und ging nach oben, ins Esszimmer.

Anke saß am Esszimmertisch und rührte lustlos in ihrem Müsli. Selbst als ich ihr einen guten Morgen wünschte, sah sie nicht auf. Ein typischer Fall vor morgendlicher Depression.

Lisa tanzte in der Küche zu "Hips don't lie" von Shakira. Sie hatte sogar so gute Laune, dass sie sich nicht mal beschwerte, als ich ihr ein Brötchen mit Salami klaute.

Am Esszimmertisch ließ ich mich gegenüber von Anke fallen. "Okay. Wieso hast du so schlechte Laune? Und wieso sieht Lisa so aus, als könnte sie die ganze Welt umarmen?"

"Heute werde ich Joe sehen. Und Mila", knurrte Anke und drückte mit ihrem Löffel so fest in das Porzellan, dass die Schale einriss und Milch auf den Fußboden tropfte.
"Lisa hat gerade erfahren, dass Bob von der Kryptologie-AG in ihren Literaturkreis wechselt".
"Und er ist so heiß", Lisa setzte sich neben mich und sah mich lange an.

"Wen willst du beeindrucken, dass du aussiehst wie eine abgestürzte Crack-Teeniemutter?"
"Niemanden", ich zuckte mit den Schultern und nahm einen Bissen von meinem Salamibrot. "Mir war nach einer Veränderung."

"Aber natürlich", meinte Lisa und tauschte einen langen Blick mit Anke aus.
"Egal", sagte Anke aber dann: "Hauptsache er sieht gut aus."
Beinahe hätte ich ihr das zerkaute Salamibrot ins Gesicht gespuckt.

John nahm mich immer auf seinem Motorrad zur Schule mit und auch diesen Morgen wartete ich darauf, dass er um die Ecke bog.
"Oh mein Gott", beinahe fiel ihm der Kaugummi aus dem Mund:"Ist das dein Ernst?"

Nicht, dass ich eine andere Reaktion erwartet hätte. Aber übertreiben musste John es auch nicht. Ich setzte mich wie gewohnt hinter ihn aufs Motorrad und klammerte mich an seiner Lederjacke fest.
"Nathalie?"
"Was ist? Wir kommen zu spät zur Schule", genervt verdrehte ich die Augen. Jetzt kein Kommentar über die Kleider, die Frisur oder das Make-Up..

Bad CinderellaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt