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An dem Abend der 31. Oktobers war ich bereits tot. Damals wusste ich es nur noch nicht, genauso wenig, wie ich wusste, dass Tate tot war. Er fragte mich, ob wir ausgehen wollen, natürlich stimmte ich zu. Ich konnte an diesem Abend das Haus ganz normal verlassen, wie zu der Zeit, als ich gelebt habe, es gab keinen Unterschied. Das Tor am Garten stellte keine Barriere dar.

Wir saßen in der Dunkelheit am Strand und redeten, ich hatte keine Ahnung von all dem was an diesem Abend noch passieren würde.

Dass die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November eine Geisternacht ist, in der die Tore von der Geisterwelt in die Welt der Lebenden geöffnet sind und sich alle Geister frei bewegen können, hatte man ja schon oft gehört, aber diesen Erzählungen schenkt man vor Allem in meinem Alter keine Beachtung und keinen Glauben mehr.

Wie wir dort am Strand saßen, glücklich darüber, diese Nacht miteinander teilen zu können, kamen ein paar Jugendliche, sie sahen aus wie Zombies, ich hielt es für eine gelungene Verkleidung. Sie kamen direkt auf uns zu, behaupteten, Tate wäre der Junge, der sie getötet hatte. Dieser Auftritt an Halloween konnte ich nicht ernst nehmen, ein paar Jugendliche, die sich den Scherz erlaubten uns etwas zu erschrecken, die den Strand doch nur für sich haben wollten. Doch sie hörten nicht auf. Sie wurden immer bedrohlicher, komischerweise mit jedem Wort, das sie sagten glaubwürdiger. Sie hatten es geschafft mir Angst einzujagen, jedoch eine andere Art Angst als die, die ich verspürte wegen dem, was Tate damals in meinem Keller angestellt hatte, dass das Mädchen aus meiner Schule mich in Ruhe lässt.

Also standen wir auf, überließen ihnen den Strand und gingen nach Hause. Doch sie wollten nicht den Strand. Sie wollten Tate, liefen uns nach, drohten ihn umzubringen, genau wie er sie umgebracht hatte, genauso kaltblütig, ohne Rücksicht.

Tate stritt all ihre Anschuldigungen ab.

Daraufhin begann ich im Internet zu suchen, nach Tate, nach den Jugendlichen. Und natürlich wurde ich fündig.

Die Jugendlichen, sie waren die Studenten, die Tate bei seinem Amoklauf erschossen hatte. Sie hatten nicht gelogen.

Und mir sind jetzt auch einige Dinge klar geworden. All diese Gerüchte um Geister und Halloween, sie alle sind wahr! An Halloween laufen die Toten in dieser Welt herum.

Kapitel 6:

Die Stille frisst mich von innen heraus auf. Seit Tagen sitze ich auf dem kalten Boden im Keller, in einem der hinteren, dunkelsten Räume, in eine Ecke gedrängt. Ich kann nicht sagen, ob ich erst wenige Stunden hier sitze, ob es bereits Tage oder Wochen sind, oder bereits Monate, vielleicht auch schon Jahre, ich kann nicht sagen, ob es draußen Tag oder Nacht ist, ich habe jedes Zeitgefühl verloren.

Ab und an höre ich verzerrte Stimmen von oben, die Worte verstehe ich nicht.

Manchmal höre ich, wie die Kellertür geöffnet und daraufhin wieder geschlossen wird, daraufhin die Tür des Labors, nicht weit von mir. Dann ist Ethan ganz in meiner Nähe, ich spüre seine Anwesenheit hier unten, höre seinen Herzschlag und seinen Atem, doch er sieht mich nicht, hört mich nicht, ich sehe ihn nicht.

Seit ich hier unten bin habe ich keinen einzigen Schritt aus dem Raum heraus gewagt, ich habe mich eigentlich nicht ein einziges Mal bewegt.

Die Einsamkeit und Stille hier unten gefällt mir mit jeder Sekunde besser und zerfrisst mich zugleich mit jeder Sekunde ein klein wenig mehr.

Plötzlich wird die Tür in den Keller ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit geöffnet, irgendetwas sagt mir, dass es noch dieselbe Stunde ist wie zuvor. Ethan hat das Labor auch noch nicht verlassen, das hätte ich gehört. Die Kellertür fällt ins Schloss und kurz darauf öffnet jemand die Tür zum Labor. Die Welle Neugierde, die durch mich hindurch schießt lässt mich aufmerksam auf jedes entstehende Geräusch hören.

Die letzten Toten im Mörderhaus (AHS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt