10. Sam

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Wie mechanisch und voller Vorfreude laufe ich in Richtung der letzten Häuser der Stadt. Dorthin wo der Trubel aufhört und man sich unweigerlich wie Zuhause fühlt. Die Häuser in dem Teil der Stadt habe ich schon immer geliebt, sie sind klein, gemütlich und verkörpern ein heiles Familienleben was es für mich seit Ewigkeiten schon nicht mehr gibt. Hier war irgendwie jeder für jeden da, nicht so wie bei uns wo jeder besser sein wollte. Hier scheint das Leben nicht ein einziger Kampf zu sein. Zudem sind die Häuser hier direkt am Strand gebaut, ich hab mir schon immer gewünscht hier zu wohnen. Aber all diese Tatsachen werden unwichtig wenn ich daran denke, dass Joana hier wohnt. Vor ein paar Tagen habe ich rausgefunden, dass sie bei der Frau wohnt deren Haus mich von kleinauf am meisten begeistert hat. Jeden Abend wenn ich joggen ging saß sie auf der Terrasse und blickte auf das Meer, sie schien immer in Gedanken versunken . Jetzt, nach all den Jahren ergibt alles plötzlich einen Zusammenhang, es hieß sie lies ihre Familie in England zurück und kam hier her zurück. Als ich näher komme sehe ich, dass sie auch an diesem Abend wieder mit einem Glas Wein im Bastsessel auf ihrer Terasse sitzt, doch heute liegt ein lächeln auf ihren vollen Lippen. Ich komme langsam näher und als ich in ihrem Sichtfeld auftauche richtet sie ihren Blick auf mich. " Sam. " sagt sie freundlich und lächelt mich an.

Ich bin verwundert darüber dass sie noch immer meinen Namen kennt. Ich hab sie oft gesehn aber wir haben uns nur einmal kurz unterhalten. Ich lächle zurück und komme gleich auf den Punkt. " Ich wollte fragen ob Joana Zuhause ist. " ihr lächeln wird breiter und ich bin beunruhigt da sie nicht antwortet. " Ich wollte nur ähm vielleicht mit ihr ... " setzte ich erneut an weil ich das Schweigen nicht ertrage, doch sie unterbricht mich: " Sie ist vor einigen Stunden zum Strand gegangen. " ein kurzer, unbewusster Strom von Glück durchzieht mich, ist sie zum Strand gegangen um auf mich zu warten? Hat sie in den letzten Tagen vielleicht auch an mich gedacht? Ich schüttel innerlich den Kopf und verwerfe den Gedanken, als ob. Doch da war noch etwas. Der Weg wie ihre Mutter mich mustert und anlächelt. Ich räusper mich, denn die Situation ist mir gerade verdammt unangenehm, " Danke, ich werd dann mal wieder gehen. " ein letztes Mal lächle ich sie unsicher an bevor ich mich zum gehen umdrehe.
" Sie ist deinetwegen dort. " Noch bevor dieser Satz in meinen Bewusstsein durchdringt drehe ich mich erneut zu Joanas Mutter und sehe sie an, diesmal bricht sie das Schweigen und spricht weiter.
" Ich weiß ich sollte mich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen, vor allem jetzt noch nicht. Nach all der Zeit haben Joana und ich noch nicht das beste Verhältnis, auch wenn es besser wird. Aber ich habe das Gefühl dass ich das gerade tun muss. Sam, was immer du mit meiner Tochter gemacht hast, Danke. Ich musste meine Familie, und damit sie, damals verlassen als sie noch klein war. Ich habe ihr nie die Wahrheit gesagt. " Ein trauriger Blick legt sich über ihr Gesicht. " Zwei jahre bevor ich ging diagnostizierten die Ärtze Leukemie bei mir und ich fand mich damit ab. Doch es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Ich sah meine kleine Tochter aufwachsen, sah die ungebändigte Lebensfreude die in ihr tobte. Sie erkundete alles und begenete der Welt mit offenen Augen. Ich kam nach Italien zurück weil sich durch das Klima bessere Heilungschancen ergaben und... ich wollte nicht , dass meine kleine Joana jeden Tag ihre kranke, leidene Mutter sah mit der Gewissheit sie würde bald nicht mehr da sein. Ich konnte nicht zulassen, dass ich ihr mit jeden Tag an dem es mir schlechter geht die Lebensfreude nehme, sie sollte glücklich und unbeschwert Leben. Sie sollte ihr Leben leben und nicht in ständiger Sorge um mich aufwachsen. Lieber sollte sie mich für das hassen was ich getan hatte. Ich habe sie im Stich gelassen, und es war unglaublich schwer für mich denn dieses Kind ist mein Leben, alles was ich habe und brauche, sie ist mein ganzer Stolz und ich war bereit sie in die Hände ihres wundervollen Vaters zu geben. Ich war bereit ihren ganzen, berechtigten Hass auf mich zu ziehen anstatt ihr dieses schreckliche Gefühl von Verlust zu geben. Der Verlust eines Menschen den man liebt und der aus dem Leben gerissen wird und man rein gar nichts machen kann. Ich wollte es ihr ersparen. Und es hat geklappt. "

mittlerweile sitze ich nehmen ihr, ein grenzenlos trauriger Blick liegt auf ihren Gesicht .

" Als ihr Vater sie aufgrund einer Dienstreise hierher brachte, da der Krebs vorerst überwunden ist und er mir meine verlorene Tochter wieder bringen wollte brachte sie den ganzen Hass der sich über all die Jahre angestaut hatte gegen mich auf. Und ich verstehe sie, so sehr. Ich verstehe diesen Hass in ihr. Aber seitdem sie dich kennengelernt hat, als ihr euch am Strand getroffen habt war sie ein anderer Mensch. Sie kann mir noch immer nicht so ganz verzeihen und ich verstehe sie, sowas braucht Zeit. Aber seit es dich für sie gibt geht sie auf mich zu, sie ist interessiert und  steht sich nicht selbst im Weg, es ist wie als würde durch dich das Leben wieder in sie zurück kehren und sie genießt das Leben Seitdem sie hier ist hat sie nicht ein einziges Mal gelächelt. " Sie macht eine kurze Pause und sieht mir tief in die Augen,
" Bis du da warst Sam. Ich weiß nicht was du mit ihr vor hast oder was du für sie empfindest aber ich habe das Gefühl, dass du nicht die selben Fehler machen wirst wie die anderen Idioten hier. Sie ist mein ganzer Stolz und mein größter Schatz. "
Sie spricht nicht weiter, keiner sagt was, allein das rauschen der Wellen im Hintergrund ist zu hören. Mein Herz schlägt gegen meine Brust und ich versuche zu verarbeiten was sie gerade eben zu  mir gesagt hatte. Eine Gänsehaut überzieht meinen ganzen Körper und ein Gefühl der Wärme breitet sich in mir aus.
" Weißt du, " spricht sie leise weiter. " In manchen Nächten habe ich gehört wie sie im Schlaf deinen Namen gemurmelt hat und wenn sie mit mir gesprochen hat dann hat sie mich verlegen nach dir gefragt. " Carla sieht mich nicht an aber sie lächelt, es scheint als würde sie sich an ihre Jugendliebe erinnern. Ihre Worte haben einen Feuersturm in mir ausgelöst und ich genieße es. Sie dreht ihren Kopf zu mir so dass wir uns ansehen. " Danke. " sage ich in die Dunkelheit, es ist leise und aufrichtig. Carla nickt:  " Auch wenn ich das Gefühl habe dass du nicht so bist wie die anderen Jungs, pass bitte auf sie auf. Sie bedeut mir mehr als mein eigenes Leben und ich will nicht dass sie verletzt wird. Ich habe sie bereits zu oft verletzt. "

***

Nach dem Gespräch mit Carla bin ich auf dem Weg zum Strand, ich kann das immer noch nicht glauben, das ist der Hammer! Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, mein Kopf schwirrt vor Glück, sie ist die ganze Zeit in meinem Kopf, und das Gespräch mit ihrer Mutter, so viele Dinge gehen mir durch den Kopf!
Als ich an der kleinen Feuerstelle ankomme die damals bei einer Strandparty mit Freunden entstanden ist, ist sie nicht da. Ich hatte gehofft sie würde da sein und ein kurzer Anflug von traurigkeit legt sich über mich, dieser verschwindet jedoch schnell wieder als mir klar wird was Carla vor knapp einer Stunde zu mir gesagt hat. Wie so oft lasse ich mich in meinen geliebten Sand fallen, schließe meine Augen und atme einfach nur tief durch. Denn gerade habe ich das Leben hautnahe gespürt. Ich kann nicht anders als glücklich zu sein, dieses Mädchen raubt mir den Verstand denke ich und ein breites lächeln liegt auf meinem Gesicht. 

Summer of my lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt