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"Ist er das?"

Carter zuckte nur mit den Schultern, während ich Rob in die Wohnung ließ. Er trug einen schwarzen Aktenkoffer bei sich, und einen anderen, größeren Koffer. Sein Hemd war schmutzig, ebenso wie seine Arme, was wahrscheinlich von seiner Arbeit in der Werkstatt her rührte. Den schwarzen Bart trug er immer noch gleich, und sein Bauch hatte sich noch etwas mehr nach außen gewölbt. Alles in allem hatte er sich nicht verändert, genau wie Carter.

Mit dem Handrücken fuhr Rob sich über die Stirn, dann wischte er sich den Schweiß an der Hose ab.

"Wo soll der hin?", wandte er sich an Carter, und deutete auf den Koffer. Mich ignorierte er einfach.

"Die Treppe runter, aus der Tür und dann rechts.", lächelte ich ihm gekünstelt zu und erntete ein missbilligendes Schnauben seinerseits. Ich konnte ihn noch nie ausstehen, das beruhte jedoch auf Gegenseitigkeit.

Rob stellte den Aktenkoffer auf der Küchentheke ab, dann hiefte er den großen Koffer in Richtung Schlafzimmer.

"Hey!", rief ich ihm nach, als ich mich aus meiner Starre erholt hatte.

"Raus hier, das ist meine Wohnung!"

"Geteilte Freude ist doppelte Freude, weißt du noch? Außerdem habe ich ja auch Miete gezahlt."

Irgendwann, einmal und nur die Hälfte.

"Natürlich."

Ich atmete tief durch.

Schnell fing ich mich wieder und lächelte zuckersüß.

"Mir wäre es eine riesige Freude, dich und deine billige Oliver Hardy Imitation aus der Wohnung zu werfen."

Verwirrt legte er den Kopf schief, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, und den Mund einen Spalt breit offen. Wie immer wenn er in einer Blase der Ratlosigkeit gefangen war.

"Der Schnarchsack da drüben."

Ich nickte in die Richtung, in die Robert gerade verschwunden war und er schien zu begreifen. Halleluja.

"Ach Mar, könnt ihr die Vergangenheit nicht einfach ruhen lassen?"

Der Schnarchsack kam aus dem Schlafzimmer geschlurft, seine Füße scherrten dabei über den Boden - anscheinend war er zu faul sie zu heben - und hinterließen dabei eine Dreckspur auf dem Küchenboden, da sich der Gnädigste natürlich nicht die Zeit genommen hatte, seine Schuhe auszuziehen. Wenn Blicke töten könnten, gliche diese Wohnung ziemlich sicher einem Friedhof. Oder noch besser, einem Massengrab.

"Raus."

Ich öffnete die Tür abermals und gestikulierte mit einer Hand nach draußen. Sollte ich ihnen vielleicht noch erzählen, dass das Treppenhaus ein viel besserer Ort ist?

Robert war der Erste, der sich an diesem 'besseren Ort' wiederfand. Carter ermutigte ich auch dazu, indem ich ihn einfach aus der Tür drängte.

Es dauerte nicht lange bis es wieder Klopfte, wenn man es so nennen konnte. Es war mehr ein Hämmern, fast Eintreten der Tür, und ich konnte nur hoffen dass das Holz ihren Fäusten stand hielt.

"Mar, mach jetzt die verdammte Türe auf!", rief Carter. Ich tat wie geheißen, jedoch nicht ohne mich vorher mit dem Honigbrot zu bewaffnen, und die Tür wieder mit der Türkette zu sichern.

Wie erwartet versuchte Carter, durch den Spalt einen Blick in die Wohnung zu erhaschen, doch ein ins Gesicht geklatschtes Honigbrot machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er schmiss das Brot irgendwo ins Treppenhaus, doch der Honig klebte immer noch in seinem Gesicht.

"Steht dir. Solltest du dir öfter machen lassen.", meinte ich lachend, während er versuchte den Honig mit seinem Shirt wegzuwischen. Nach nicht all zu langer Zeit gab er auf, ließ das Shirt sinken, das daraufhin an seinem Bauch festklebte und einen gut sichtbaren, dunklen Fleck zeigte. Carter blinzelte ein paar mal, und versuchte die winzigen, goldenen Tropfen aus den Wimpern zu bekommen, indem er sich mit beiden Händen über die Augen fuhr. Das Grinsen war nun vollkommen aus seinem Gesicht verschwunden.

Schließlich straffte er die Schultern und baute sich ein letztes mal vor der Türe auf, bevor er mit einem melodramatischen 'Robert, wir gehen' seinen Rückzug verkündete. Ich lächelte scheinheilig und ließ die Tür betont langsam ins Schloss fallen.

Ich überlegte kurz, dann ging ich ins Schlafzimmer, wo Carters Koffer mein Bett blockierte. Daraufhin gab ich dem Koffer einen leichten Schubs, mit ein wenig zu viel Schwung krachte er auf der anderen Seite des Bettes zu Boden. Ich lief zum Fenster und öffnete es. Als ich nach unten sah, entdeckte ich Carter und Rob, die aus dem Stiegenhaus des Wohnungsblocks traten. Schnell hiefte ich den Koffer mit einem ungewollten Schnauben aufs Fensterbrett. Der Gehsteig unterhalb des Fensters war menschenleer, bis auf Carter und Robert.

"Hey!", rief ich, wartete nur noch darauf, dass die beiden sich wie erwartet umdrehten, und stieß den Koffer im zweiten Stock aus dem Fenster.

Mit einem Geräusch, das mehr Klatschen als Krachen war, endete die kurze Flugreise des Koffers. Dieser platzte an der Stelle des Reißverschlusses auf, und Carters Besitztümer verteilten sich in der Fußgängerzone.

Während er damit beschäftigt war, alles wieder einzusammeln, schloss ich das Fenster und zog die Gardinen vor.

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