[ Newt ]

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Für: @xx_sarah :)

× × ×

Die Wände: weiß.
Die Fliesen: weiß.
Die Kleidung: weiß.

Einzig und allein der rote Lippenstift von Ava Paige bildet einen stechenden Kontrast zu all dem hygenisch wirkendem Grell um mich herum, wie ein Blutstropfen im frischen Schnee. Sie hält den Blick auf eine Akte in ihren Händen gesenkt; meine Akte, in der meine Ergebnisse der letzten Tests aufgezeichnet sind. Mit Grauen erinnere ich mich daran zurück:
Der Wassertank, die Fragerei, die Spritzen, die Elektrostöße. Seelische wie körperliche Schmerzen, die mich an den Rand meines Verstands getrieben haben. Schlimme, sehr schlimme Erinnerungen.

Paige blickt auf, ihre grauen Augen mustern mich ausdruckslos wie die einer Leiche.
"Sehr gute Ergebnisse, B21", sagt sie monoton und blättert geräuschvoll um. "Nur deine Schwelle zur Selbstkontrolle bezüglich der Ausdrucksweise ist sehr niedrig."
Schnaubend recke ich das Kinn in die Höhe.
"Wenn ihr mich nervt, seid ihr selbst Schuld!", fahre ich sie an und fixiere sie mit meinem tödlichsten Killerblick, den sie jedoch gekonnt ignoriert.

"Wir werden weitere Tests in dieser Spate benötigen. Du darfst jetzt gehen."
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Mit einem Ruck bin ich auf den Beinen und stoße dabei den weißen Stuhl um, sodass er scheppernd zu Boden fliegt. Ohne ihn wieder gerade zu richten laufe ich durch die ebenfalls grell weiß gestrichene Tür hinaus auf den hell erleuchteten Gang. Es erwartet mich bereits ein Mitarbeiter, der mich sogleich am Arm packt und zu meinem Trakt mehr schleift als führt. Dort angekommen, reiße ich mich sofort schnaubend los und weiche einige Schritte zurück, um außerhalb seiner Reichweite zu gelangen. Die Wache verdreht seufzend die Augen, sagt aber nichts zu meinem Verhalten und schließt wortlos die Glastüre ab. Einen Moment lang funkel ich noch die milchig verschwommene Gestalt hinter der dicken Panzerglasscheibe an, dann wirbel ich herum und laufe zielsicher den Gang entlang, an meinem Zimmer vorbei, genau auf den Trakt der Jungs zu. Ohne zu zögern klopfe ich an der Nummer 13 - wie oft habe ich die Burschen schon mit dieser Unglückszahl aufgezogen? - und öffne auch gleich.

Nick, Winston und Georg sitzen auf den Stockbetten und unterhalten sich gerade gedämpft miteinander. Sie wirken allesamt müde und ausgelaugt und spiegeln damit mein Inneres perfekt wieder. Doch ich lasse mir nichts anmerken und richte mich mit erzwungener Selbstsicherheit kerzengerade auf, um diese Schwäche zu übertuschen.

"Wo ist Newt?", frage ich in die Runde und Nick grinst mich mit diesem typischen Nick-Face an, das ich so an ihm hasse, und doch irgendwie mag. Dieser Ausdruck, als ob er etwas über mich wissen würde, was ich selbst noch nicht einmal ahne, treibt mich bei ihm manchmal schier in den Wahnsinn. Aber alles in allem ist er doch ganz okay.
"Das wüsstest du wohl gerne was?", stichelt nun auch Winston und lächelt ebenfalls schief. Ich seufze und gebe mir einen übertriebenen Facepalm.
"Hört auf mit dem Scheiß", murre ich sie an und die Jungs lachen leise auf. Es ist wie ein Ritual bei uns, wie eine Tradition, dieses Gespräch. Auch wenn ich dabei so ziemlich die Arschkarte gezogen habe, macht es dennoch Spaß.
"Leugne nicht, was Fakt ist!", ruft Nick aus, springt auf und wirft dramatisch die Hände in die Luft. Nun muss auch ich lachen, so sehr ich es mir auch verkneifen will.
"Dein Loverboy wartet schon in deinem Zimmer auf dich",klärt mich Georg schließlich augenbrauenwackelnd auf und bekommt dafür einen Schlag auf den Hinterkopf von mir. Er hustet unterdrückt auf, als er versucht sich den nächsten Lachflash zu verkneifen und hebt abwehrend die Hände.

Mit einem letzten bitterbösen Blick und schnellem Zunge-Rausstrecken verlasse ich Nummer 13 wieder und renne geschwind zu meinem eigenen Zimmer zurück. Ohne weiteres reiße ich die Tür auf und ehe ich mich überhaupt umsehen kann, kommt mir auch schon Sonya entgegengestürmt und umarmt mich mit dem gleichen Ausdruck im Gesicht wie Nick. Manchmal glaube ich echt, dass die zwei verwandt sind.

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