[ Newt ]

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Für: @AlexStylex

× × ×

Der Keramikteller segelt wie ein Frisbee durch die Luft und findet sein Zeil schließlich an Gallys Brust, wo der sich darauf befindende Nudelberg letztendlich wie eine Bombe explodiert. Das Sugo spritzt nur so in alle Richtungen und besprenkelt jeden Lichter im Umkreis von fünf Metern. Empört aufschreiend reißen die Jungs die Hände vors Gesicht und versuchen sich vor der Fontaine aus Tomatensauce und Fleischbällchen zu retten.

"DU MIESER KLEINER NEPPD...", setze ich meine Brüllorgie an, da schlingen sich zwei muskulöse Arme um meine Taille und reißen mich zurück. Mir ist gar nicht aufgefallen, wie ich mich von meinem Sitzplatz erhoben habe und auf Gally zugeschritten war, so sehr hatte ich mich gerade in meinen Zorn hineingesteigert. Es ist nicht selten, dass ich wegen den Sticheleien des Baumeisterhüters auf 180 komme, doch selten war ich schon so aus dem Häuschen, als dass ich Taten habe sprechen lassen.

"Beruhig dich Sophia!", flüstert Newt mir leise, aber mit strengem Ton ins Ohr und schleift mich weiter rückwärts, weg von meinem Erzfeind. Jener wischt sich gerade grummelnd die Spagetti aus dem Gesicht, sein gesamter Oberkörper ist von voll mit meinem Abendessen. Ein schadenfrohes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und ich lasse mich widerstandlos abführen, wobei ich natürlich sofort weiß, wo Newt mich hinbringen wird. Auf der Lichtung gibt es wenige Orte, an denen man sich einigermaßen geborgen fühlen kann, doch an dem kleinen Teich in der Nordost-Ecke der quadratischen Fläche, hinter dem kleinen Wäldchen - da scheint die Welt fast okay zu sein. Dort ist es ruhig, der Arbeitslärm ist nur dumpf zu hören und der kleine Platz wirkt schon fast friedlich.

Kaum sind mir am Ufer des Tümpels angelangt, lässt Newt mich los und ich drehe mich langsam zu ihm um. Ich weiß, was jetzt kommt.

"Was sollte denn das schon wieder, Sophia? So kann das echt nicht weitergehen! Ihr könnt euch doch nicht ewig bekriegen...", beginnt der Blonde seine Standpauke zu halten und wackelt dabei mahnend mit dem Zweigefinger wie ein Elternteil, dass ihren Nachwuchs ausschimpft. Genervt verdrehe ich die Augen und blicke mit verschränkten Armen zu Boden, dabei setze ich absichtlich meinen Bockiges-Kind-Blick auf. Ich blende das Gerede meines Gegenübers so gut es geht auf und konzentriere mich lieber auf die Geräusche der Umwelt, das leise Rascheln der Blätter oder die Töne von nachtaktiven Tieren.
Nach einer Weile werde ich an der Schulter gepackt und leicht durchgeschüttelt.

"Sophia! Hörst du mir überhaupt zu?", fährt Newt mich an und ich zucke schuldbewusst zusammen. Als Antwort zucke ich bloß mit den Schultern.
"Er hat es provoziert", nuschel ich leise in mich hinein und streiche mir eine braune Strähne meines kinnlangen Haars aus dem Gesicht. Newt seufzt schwer auf.
"Was war es denn diesmal?", fragt er mehr routinemäßig als aus wahrem Interesse, dabei kann ich deutlich die Genervtheit aus seiner Stimme heraushören. Normalerweise beginne ich nun mein Leid herunterzurattern und ihn mit meinem Ärger vollzulabern, doch diesmal zögere ich. Ich kann ihn ja auch schlecht sagen, dass Gally mehr als zweideutig über die Beziehung zwischen mir und ihm geredet hat - eine freundschaftliche Beziehung, muss ich dazu sagen. Leider.

Es ist kein Geheimnis, dass ich auf Newt stehe.
Alle wissen es - alle außer er. Dabei werfen uns viele wissende Blicke zu, wenn wir miteinander herumalbern, doch entweder bemerkt er diese nicht, oder er interpretiert sie als bloße Stichelei der anderen. Zu gerne hätte ich, dass Newt es doch endlich verstehen und mich darauf ansprechen würde, denn von selbst traue ich mich nicht. Viel zu groß ist die Angst, er könnte mich abweisen und unsere Freundschaft beenden.

"Was ist denn jetzt?", hackt Newt nach, mein Schweigen scheint seine Aufmerksamkeit geweckt zu haben. Ich schlucke nervös und kratze mich unsicher am Hinterkopf.

"N... nichts... ich war einfach nur sauer..."

"Weil Gally dir eine Affäre mit mir aufbinden wollte?"

Mein Gehirn braucht eine kurze Weile, um seine Worte zu registrieren, doch dann schlägt die Bedeutung ein wie eine Bombe und mir stolpert das Harz aus dem Rhythmus. Mit offener Klappe sehe ich zu dem Blonden auf, welcher mich mit hochgezogenen Brauen betrachtet, ohne jegliche Emotion. Dieser Fakt - nämlich seine totale Schamlosigkeit - trifft mich fast noch mehr als die Tatsache, dass er die Spielchen der Lichter die ganze Zeit über mitbekommen hat. So lange habe ich von dem Moment geträumt, an dem Newt mir seine Liebe gestehen wird, und nun stellt er es als nervende Provokation da? Das ist schmerzhaft. Sehr schmerzhaft.

Trotz meinem inneren Verlangen, wild den Kopf zu schütteln und ihm den wahren Grund ins Gesicht zu schreien, zwinge ich mich zu einem angespannten Nicken und wende mich demonstrativ ab.

"Genau. Genau so war es."

Selbst ein Schwerhöriger könnte die Bitterkeit aus meiner Stimme heraushören. Dieser Druck, welcher auf meiner Brust liegt und mir das Herz zerquetschen will, erschwert es mir obendrein noch, überhaupt einen klaren Ton hervorzubringen. Hinter mir höre ich Newts Räuspern.

"Sophia, ich meine, nimm dir das nicht zu Herzen...", stammelt er etwas überfordert vor sich hin, und mein Gehirn schaltet komplett ab. Ich solle mir Gallys Worte nicht zu Herzen nehmen?
"Meinst du??", fauche ich aufgebracht, wirbel herum und trete nah an Newt heran, sodass unsere Gesichter nur wenige Centimeter von einander entfernt sind. Ich kann seinen warmen Atem über meine Haut streichen fühlen, und prompt verpufft mein Ärger wieder und ich starre stumm in braune, vor Überraschung geweitete Augen. Nach einer langen Schweigepause wird es mir schließlich zu dumm und ich schließe seufzend die Augen.

"Ach, vergiss es", murmel ich eher zu mir selbst als zu ihm, und will mich schon wegdrehen, da legen sich plötzlich zwei große, warme Hände auf meine Hüfte und halten mich in dieser Position. Verwundert sehe ich zu Newt auf, welcher mich mit undefinierbarem Blick mustert, ich kann die Gefühle darin nicht genau deuten.

"Warum sollte ich vergessen?", wispert er beinahe tonlos und ehe ich realisieren kann, was er vorhat, spüre ich auch schon seine warmen, weichen Lippen auf meinen. Dies ist der Zeitpunkt, ab dem ich komplett abdrifte, an dem mein Gehirn auf Stand-by schaltet und meine Hände das tun, was sie wollen - nämlich sich in Newts verstrubbeltes Haar zu krallen, ihn näher an mich heranzuziehen, während sein Griff um meine Hüfte sich ebenfalls verstärkt und mich an seinen Körper presst. Das Blutrauschen im Ohr, der heftige Herzschlag von Newt, den ich gegen meine eigene Brust hämmern spüren kann, so dicht stehen wir beieinander, das alles ist so betörend und so unreal, als wäre es bloß ein Traum in Drogenrausch. Doch der Druck an meinen Lippen ist echt, Newts stockender Atem auf meiner Haut ist echt; und meine Gefühle für ihn sind es auch.
Zu Einhundert Prozent.

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