Life Sucks - E I N S

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'Life sucks', steht auf seinem T-Shirt. Keine Ahnung, warum der Junge mich so fasziniert. Vielleicht sind es seine blauen Augen, die trotz der Entfernung zwischen uns zu leuchten scheinen. Vielleicht ist es auch die Art, wie er den Rauch seiner Kippe ausbläst. Er legt den Kopf in den Nacken und lässt das giftige Gas seinem Mund entweichen. Danach lächelt er. Als wäre er glücklich, dem Tod ein paar Sekunden, vielleicht einen Schritt näher zu sein. Nur wegen dem einen Zug an der tödlichen Glimmstange. Ich muss echt aufhören, den Typ anzuglotzen. Doch ich will nicht. Für einen kurzen Moment begegnen sich unsere Blicke. Er schaut mich an. Vielleicht nur unbewusst. Bestimmt nur unbewusst. Niemand würde einen Blick an mich verschwenden. Er schaut weg, wirft seine Zigarette in eine Ecke und geht die Straße entlang.
Ich schaue in den Himmel und fröstele. Es ist kalt geworden, fast November. Früher habe ich den November gehasst, doch jetzt ist es mein Lieblingsmonat. Grau und kalt. Wie meine Seele.
Etwas nasses trifft meine Hand. Regen. Ich stehe von der Bank auf und laufe die Straßen entlang. Wie gerne hätte ich jetzt eine Kippe, doch ich habe meine Letzte vorhin schon aufgeraucht. Wie dumm von mir. Ich beschließe an der nächst gelegenen Tankstelle zu halten, um mir eine neue Schachtel zu leisten. Ehe ich mich versehe, liegt die rote Packung mit der Aufschrift 'Rauchen kann tödlich sein' schon auf dem Fließband und kommt schon bald ganz vorne an. Eine Kassiererin mit einem riesigen Überbiss setzt ihr Gespieltes Lächeln auf.
'Guten Abend. ' Sie zieht die Packung über den Scanner und ich lege mein Geld auf die Ablage.
' Vielen Dank. Auf Wiedersehen. ', sagt sie und ich gehe wieder nach draußen. Inzwischen ist es dunkel geworden. Ich ziehe meine Kapuze über den Kopf und zünde mir die erste Kippe an. Genussvoll nehme ich den ersten Zug und laufe dann weiter. Kassiererin, ein scheiß Beruf, denke ich, als ich schon fast an meinen Haus angekommen bin. Man muss zu jedem Menschen freundlich sein, egal wie scheiße er ist. Kein Beruf für mich. Die Straßenlaternen spenden mir künstliches Licht und leiten mich zu dem kleinen Häuschen am Ende der Straße. Ich ziehe ein letztes Mal an der Zigarette, blase den Rauch aus und werfe sie in eine Ecke. Dann krame ich in der Tasche meines Sweaters nach dem Hausschlüssel. Mom schläft sicherlich schon. Nach der Arbeit ist sie meistens so erschöpft, dass sie sich nur noch ins Bett fallen lässt. Sie hat fast nie Zeit für mich. Und mein Vater.. Keine Ahnung, wo der sich rum treibt. Er ist abgehauen, als ich sechs war, oder so. Aber ich habe mich schon daran gewöhnt, auf mich selbst gestellt zu sein. Niemanden vertrauen zu können, weil irgendwann eh alles gegen einen verwendet wird. Richtig einsam bin ich aber seit dem Tod von Keira. Bei den Gedanken an Sie steigen mir Tränen in die Augen. Ich unterdrücke den Reiz, laut los zu schluchzen. Keira. Meine Schwester. Meine beste Freundin. Sie ist jetzt seit 5 Jahren tot. Mom hat das echt getroffen. Sie versuchte sich mit viel Arbeit abzulenken. Tut sie jetzt immer noch. Sie ist wahrscheinlich nie damit zurecht gekommen. Und ich? Ich konnte sehen, wie ich den Tod verarbeite.
Ich schließe die Tür auf und gehe in das Haus hinein. Meine Füße tragen mich die Treppen hinauf, bis in das kleine Bad, um mich zu duschen. Schon bald prasselt der warme Regen auf mich nieder. Meine Gedanken gleiten wieder zu dem Jungen mit dem Life sucks Shirt. Auf irgendeine Weise fühle ich mich mit ihm verbunden. Keine Ahnung, wieso.
Der Schaum meines Shampoos rinnt über meinen Arm und meine frischen Wunden fangen an zu brennen. Der Schmerz tut gut. Aber dann lässt er auch schon wieder nach. Ich lehne meinen Kopf an die kalten Fliesen, währenddessen immer noch das Wasser über mich läuft und schließe die Augen. Es ist so falsch was ich da mache. Keira hätte das nie gewollt. Sie hätte gewollt, dass ich glücklich bin. Oder? Seufzend drehe ich das Wasser ab und greife nach einem Handtuch. Ich steige aus der Dusche und mein Blick gleitet zu dem Spiegel. Ich sehe ein blasses, dünnes Mädchen mit dunklen Haaren. Meine Augen erinnern mich an die eines Huskys. Blau und kalt. Ich hasse mich. Es ist so schrecklich die Wahrheit im Spiegel zu sehen. Schnell wende ich den Blick ab und widme mich meinem Körper. Ich trockene mich ab und föhne mir meine Haare an. Dann gehe aus dem Bad in mein Zimmer. Es ist nicht besonders groß, aber es reicht. Ich öffne meinen Kleiderschrank und ziehe ein viel zu großes Shirt an und meine Shorts darunter. Dann setze ich mich auf mein Bett. Mir lächelt Keira zu. Ich nehme das Foto von ihr und mir vom Nachtisch und streiche liebevoll darüber. Es zeigt Keira und mich vor Disneyland. Wir beide grinsen wie Gestörte in die Kamera. Das war vor ihrem Unfall. Der Unfall, der mein ganzes Leben von jetzt auf gleich zerstörte. Ich schüttele die Gedanken ab, stelle das Foto zurück auf den Tisch und lege mich ins Bett. Die Decke spendet mir Wärme und ich denke mir, wie schön es eigentlich ist, sich ins Bett zu kuscheln. Wie schön wäre es, wenn ich einfach nicht mehr aufwachen würde? Wenn ich allem ein Ende mache? Nein, das kann ich Mom nicht antun. Was würde aus ihr werden? Meine Lider werden schwer und ich gebe den Kampf auf, meine Augen noch länger offen zu halten. Und schon falle ich in einen traumlosen Schlaf.

Rain fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt